http://www.proletarische-briefe.de/artikel?id=43 Proletarische Briefe: Vor einem neuen Kondratieff? Über den Zusammenhang von New Economy und langer Welle der Konjunktur

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Vor einem neuen Kondratieff? Über den Zusammenhang von New Economy und langer Welle der Konjunktur

Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien haben die Wirtschafts- und Finanzwelt zeitweise in eine euphorische Stimmung versetzt. Die Unternehmer, die auf der neuen technologischen Grundlage ihre Geschäfte planen, hoffen auf dauerhaft hohe Profite, die entsprechenden Finanziers auf profitable Kreditgeschäfte, die Börsianer auf Traumrenditen und die Politiker auf hohe Staatseinnahmen. Als zusammenfassender Ausdruck für solche Hoffnungen hat sich zuerst in Amerika inzwischen aber auch in Europa die Bezeichnung “New Economy“ durchgesetzt.

Allgemein wird darunter eine Wirtschaftsweise verstanden, die sich bei hohem Produktivitätswachstum und niedrigen Inflationsraten dynamisch und stetig aufwärts entwickelt. Keine lästigen Krisen mehr soll es geben, die bislang in regelmäßigen Abständen allen Vertretern des Kapitals, den Industriellen wie den Geldgebern durch Entwertung ihrer Vermögen Angst und Schrecken eingejagt hatten.

Was ist dran an solchen hochgesteckten Erwartungen? Schaffen die neuen Technologien wirklich ein “goldenes Zeitalter“ oder handelt es sich dabei nur um einen neuen Kondratieff, um eine ansteigende lange Welle der Konjunktur, die demnächst durch eine Phase erhöhter Akkumulationsschwierigkeiten abgelöst werden wird?

Wo bleibt das „Goldene Zeitalter?“

Technologisch gesehen zeichnen sich sehr hoffnungsvolle Entwicklungen ab: Durch die umfassende Vernetzung per Telekommunikation etwa in Form des Internet können räumlich voneinander getrennte Menschen unabhängig von ihrem Standort unmittelbar miteinander kooperieren. Unter rein technischen Gesichtspunkten besteht eine allgemeine Zugriffsmöglichkeit auf alle elektronisch verfügbaren Daten. Es zeichnet sich für die nicht allzu ferne Zukunft ab, daß sich das produktive gesellschaftliche Leben, der Arbeitsprozeß, informationstechnisch durchgängig digital beschreiben läßt und zwar von der Entwicklung neuer Produkte bis hin zur Produktion und Verteilung. Dabei wird im Computer eine virtuelle, aber realistische Arbeitsumgebung erzeugt, in der alle Komponenten des Arbeitsprozesses nachgebildet, gestaltet, verändert und gesteuert werden können.

(Fußnote: Für eine Digitalisierung von Werkstücken und Arbeitsmitteln stehen verschiedene Technologien zur Verfügung. Neben der klassischen Koordinatenmeßtechnik werden oberflächenorientierte optische Scanner (z.B. Laserscanner) oder auch volumenorientierte Scanner (z.B. Computertomographen) eingesetzt.)

Fernab von der wirklichen Produktion können also in einer solchen “Digitalen Fabrik“ mit entsprechenden Simulationstechniken modifizierte Produktionsabläufe realistisch durchgespielt, Schwachstellen aufgedeckt und der Gesamtprozeß optimiert werden. Eine umfassende Erhöhung der Arbeitsproduktivität zeichnet sich ab. Die Menschen erhalten die Möglichkeit, ihre produktive Welt virtuell zu erleben, und es besteht technisch kein Grund, daß sie diese Welt nicht auch wirklich erleben, sie bewußt nach ihren Wünschen gestalten. Ein “goldenes Zeitalter“, worin sich jeder einzelne universell entfalten kann, wäre demnach für alle möglich.


Hindernisse einer wirklichen „New Economy“

Allerdings gibt es gesellschaftliche Hindernisse, die einer solchen wirklichen “New Economy“ entgegenstehen, und das Gegenteil von dem bewirken, was technisch möglich wäre. Kapitalistisch angewendet, verwandelt sich nämlich die neue Informations- und Kommunikationstechnik in ein Bereicherungsmittel des Unternehmers, der durch den produktiveren Einsatz seiner Arbeitsleute einen höheren Profit erzielen kann, an dem dann noch weitere Parasiten der Gesellschaft wie die Banken, Börsianer und selbst der Staat ihre wahre Freude haben. Statt die höhere Produktivität zu einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung zu nutzen, führt die kapitalistisch eingesetzte Informations- und Kommunikationstechnik zu Überarbeit und Arbeitslosigkeit.

Die Quelle zusätzlichen Reichtums verwandelt sich für die große Masse der Menschen in eine Quelle der Verzweiflung, der gesellschaftlichen Diskriminierung, der Armut. Sie stehen ganz auf der Schattenseite der technologischen Entwicklung: je mehr sie dafür arbeiten, desto mehr verschlechtern sich ihre Arbeitsbedingungen, desto mehr müssen die abhängig Beschäftigten für andere arbeiten, die sich ihre Produkte als weiteres Bereicherungsmittel aneignen.

Natürlich kann man die Entwicklung und Anwendung der neuen Technologien unter einem ganz anderen Gesichtspunkt betrachten als unter dem des schmutzigen Schacherinteresses. Befreit von der kapitalistischen Profitgier, die in der neuen Technologie ihr Mittel findet, und befreit vom Gegensatz zwischen Kopf- und Handarbeit, wird die neu Technologie Ausdruck der vereinten schöpferischen Kraft der Menschen, wodurch sie ihren eigenen Reichtum und damit sich selbst entwickeln, die Bedingungen ihrer Arbeit verbessern, belastende, unangenehme Inhalte ihrer Arbeit mehr und mehr beseitigen oder die entsprechende Arbeitszeit verkürzen. Eine solche “New Economy“ hätte genau das geändert, was die bürgerliche Öffentlichkeit als Naturbedingung auffasst, nämlich die kapitalistische Form der Produktion und hätte diese in eine gemeinschaftliche (nicht durch den Markt zersplitterte) Produktion frei (nicht durch das Kapital zwangsweise) assoziierter Produzenten (nicht Lohnarbeiter) verwandelt.

Durch die Beibehaltung der kapitalistischen Form, unter der die neue Technologie steht, müssen auch die ökonomischen Gesetze fortexistieren, die in solchen ökonomischen Formbestimmungen wurzeln.

(Fußnote: Da sowohl in der Fordismus-Diskussion als auch in der Theorie der Wirschaftsstadien die gesellschaftlichen Formbestimmungen unzureichend oder auch gar nicht von den technologischen Bestimmungen unterschieden werden, beide Ebenen also mehr oder weniger stillschweigend miteinander verquickt werden, müssen dem Kapitalismus aufgrund der auftretenden technologischen Neuheiten immer wieder neue, zumindest aber modifizierte Gesetzmäßigkeiten unterstellt werden - ein genereller Fehler, der durchaus vergleichbar ist mit dem fehlerhaften Optimismus der gegenwärtigen New-Economy-Diskussion.)

Daraus ergibt sich notwendig die Konsequenz, dass in der New Economy prinzipiell alle Bewegungsgesetze der kapitalistischen Epoche bestehen bleiben. Die hochgesteckten Erwartungen einer künftigen krisenfreien Wirtschaft werden sich wieder einmal als bürgerliches Wunschdenken erweisen.


Neue Technologien: Ein Bereicherungsmittel der Unternehmer - nicht der Produzenten

Zu den Bewegungsgesetzen zählen die von Marx entdeckten Gesetze der Mehrwertproduktion und Kapitalakkumulation sowie das Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate.
Der Einsatz der neuen Technologie ist selbst Resultat dieser Gesetze: Technischer Fortschritt dient als Mittel der relativen Mehrwertproduktion. Eine solche Profitsteigerung für das Kapital ist dadurch möglich, daß die Lohnarbeiter dank der höheren Produktivität ihren Lebensunterhalt bei gleich langem Arbeitstag nun in einer kürzeren Zeit reproduzieren können. Mehr Zeit bleibt so übrig für die Profitproduktion. Der Profit steigt im Vergleich zum Lohn.

Diese relative Mehrwertproduktion ist eine allgemeine, der Öffentlichkeit weitgehend verborgene notwendige Tendenz des Kapitals, die in der Konkurrenz als äußerer Zwang sichtbar und spürbar wird, technische Fortschritte durchzusetzen und zu verallgemeinern.

Der kapitalistischen Notwendigkeit des technischen Fortschritts stehen eine Reihe von Widerständen entgegen, die erklären, warum sich die Einführung technischer Neuheiten zunächst verzögert, bis sie dann gehäuft auftreten. (Vergleiche dazu ausführlicher Günter Senftleben, Die Theorie der langen Wellen, Arbeitspapiere des Fb. Wirtschaftswissenschaft der Bergischen Universität -Gesamthochschule Wuppertal, Nr. 85/1985 - Bestellung unter SenftlebnG@aol.com)

Illusionen über die kapitalistische Effizienz

Damit auf kapitalistischer Grundlage technischer Fortschritt überhaupt stattfindet, müssen die Kostenersparnisse in Form von Löhnen größer sein als die zusätzlichen Sachkosten, die der technische Fortschritt verursacht. Niedrige bzw. fallende Löhne führen deshalb zu einer Verzögerung technischer Fortschritte. Hier liegt auch das Geheimnis dafür, warum neue Technologien zunächst in den Ländern und Branchen mit höheren Löhnen eingeführt werden und warum in den kapitalistisch weniger entwickelten Ländern noch heute Produktionsweisen fortexistieren, die in den kapitalistischen Zentren Europas oder Amerikas ganz dem 19. Jahrhundert angehörten. Ungeheure Verschwendung von Menschenkraft kennzeichnet also die kapitalistische Epoche.
Auf der Grundlage einer assoziierten, d.h. nicht durch das Privateigentum zerstückelten und auf den Profit als Zweck gerichteten Produktion würde die restriktive Bedingung entfallen. Neue Technologien würden eingeführt, sobald überhaupt Arbeitszeit eingespart wird, also nicht nur die Arbeitszeit, die mit der Lohnhöhe korrespondiert, sondern auch die darüber hinausgehende Mehrarbeitszeit, die sich in der heutigen Gesellschaft zum aller größten Teil die Parasiten direkt oder vermittelt in Form des Profits, der Zinsen, Steuern etc. einsacken.

Das zweite Hindernis betrifft die mit dem Einsatz der neuen Technologie verbundene Kapitalentwertung. Marx hat dies allgemein wie folgt formuliert: “Der Widerspruch, ganz allgemein ausgedrückt, besteht darin, daß die kapitalistische Produktionsweise eine Tendenz einschließt nach absoluter Entwicklung der Produktivkräfte, (...) während sie andererseits die Erhaltung des existierenden Kapitalwerts und seine Verwertung im höchsten Maß (...) zum Ziel hat. Ihr spezifischer Charakter ist auf den vorhandenen Kapitalwert als Mittel zur größtmöglichen Verwertung dieses Werts gerichtet. Die Methoden, wodurch sie dies erreicht, schließen ein: Abnahme der Profitrate, Entwertung des vorhandenen Kapitals und Entwicklung der Produktivkräfte der Arbeit auf Kosten der schon produzierten Produktivkräfte.“ (Kapital III, MEW 25, S. 259) Nur wenige akademische Ökonomen, darunter J. Wolf, haben diesen kapitalimmanenten Widerstand wenigstens erahnen können.

(Fußnote: J. Wolf, Die Volkswirtschaft der Gegenwart und der Zukunft, 1912, S. 237, 274ff nennt das entsprechende Hemmnis “Gesetz des Kapitalenwertungswiderstandes“.)

Drittens besteht ein bedeutender Kostenunterschied zwischen der erstmaligen Konstruktion einer neuen technischen Anlage und ihrer späteren Reproduktion.
(Fußnote: “Man schätzt im großen, dass eine einzige Maschine nach einem neuen Modell zu konstruieren, fünfmal soviel kostet als die Rekonstruktion derselben Maschine nach demselben Modell.“ (Charles Babbage)

Dies mindert die Bereitschaft, den ersten Schritt zu tun.

Viertens ist die Unternehmung, die zuerst die neue Technologie anwendet, der besonderen Gefahr der Entwertung ausgesetzt. Denn der Ersteinführung folgen sehr schnell zahlreiche technische Verbesserungen, wodurch gleiche oder leistungsfähigere Anlagen mit vergleichsweise niedrigeren Kosten produziert werden. Das hohe Ausmaß der Entwertung führt oftmals zum Bankrott jener Unternehmer, die zuerst einen grundlegenden technischen Fortschritt realisieren. Auch dies mindert die Bereitschaft, das Geschäft bzw. Teile davon auf eine neue technische Grundlage zu stellen.


Zyklen in der Produktivkraftentwicklung

Bei grundlegenderen technischen Fortschritten, die mit umfassenderen Änderungen verbunden sind, treten die genannten Hindernisse im allgemeinen stärker hervor als bei kleineren technischen Änderungen, die auf der neuen technologischen Basis erfolgen und diese nur fortentwickeln. Durch die verschiedenen Hindernisse stauen sich die möglich gewordenen technischen Fortschritte, bis schließlich einige den Anfang machen, denen dann die anderen aufgrund der nun verringerten Schwierigkeiten, unter denen eine (verbesserte) Reproduktion der technischen Neuheit möglich ist, aber auch aufgrund der Zwänge der Konkurrenz sowie der Chancen auf Extraprofite schwarmweise folgen.

(Fußnote: Einer der bürgerlich anerkanntesten Vertreter der Innovationsschubthese, J. A. Schumpeter, legt die Gründe für diskontinuierliche Innovationsprozesse ganz in die Natur der Menschen hinein - ein weiteres Beispiel dafür, wie gesellschaftliche Formbestimmungen in Naturbestimmungen verdreht werden. Motor des Innovationsprozesses bilden auserwählte Persönlichkeiten, die sich seiner Meinung nach durch “Führereignungen“ und besondere “Führerschaft“ auszeichnen müssen, da solche Innovationen “schwer und nur Leuten bestimmter Eignungen zugänglich sind.“ J.A. Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, S. 339. Der merkwürdige zyklische Verlauf des Innovationsprozesses wird durch eine solche individualpsychologische Erklärungsweise in eine überzeitliche, natürliche Tendenz einer jeden menschlichen Gesellschaft verwandelt. Da Schumpeter zugleich den Unternehmerbegriff mit der Innovationstätigkeit verknüpft, wird selbst diese spezifisch kapitalistische Institution in eine anscheinend ewig gültige Einrichtung verwandelt.)

Die Wirtschaftsgeschichte hat das diskontinuierliche, schwarmweise Auftreten der technischen Fortschritte, das sich nun vor unseren Augen wiederholt, eindrucksvoll belegt. Genügend aktuelle Beispiele dafür liefert die digitale Revolution, etwa die zahlreichen Verbesserungen in der PC-Entwicklung, in der Speichertechnik, in der Sensorentechnik, im Bereich des Mobilfunks und nicht zuletzt auf dem Gebiet des Internet.

Die zahlreichen Innovationen haben erheblichen Einfluß auf die Struktur und Dynamik des Akkumulationsprozesses. Neue profitable Anlagesphären des Kapitals wie beispielsweise im Mobilfunk oder der Handy-Produktion entstehen. Technische Verbesserungen der Handys führen zu einem raschen moralischen Verschleiß und erzwingen einen frühzeitigen Ersatzbedarf.

So zeichnet sich nach der Expansion des Handy-Marktes ein erneuter Absatzschub ab. Ausschlaggebend dafür ist eine dritte Handy-Generation, die auf dem neuen Mobilfunkstandard UMTS (Universal Mobile Telecommunications System) beruht. In den UMTS-Netzen, die ab 2002 in Betrieb gehen sollen, werden Daten 200-mal so schnell bzw. mindestens sechsmal so schnell übertragen wie über heutige Handys bzw. über die herkömmlichen ISDN-Leitungen. Durch die neue Mobilfunk-Technologie eignen sich die neuen Handys nicht nur zum Telefonieren, sondern auch als mobiler Internet-Anschluß, als kleiner Fernseher, als Videokamera, als Shopping-Meile und nicht zuletzt als Zahlungsinstrument. Schätzungen vom Handy-Marktführer Nokia besagen, daß bereits 2004 mehr Handys und Handheldcomputer am Internet hängen werden als Personalcomputer.
Wie der Handy-Absatz illustriert, wächst der Markt erstens aufgrund eines vorgezogenen Ersatzbedarfs infolge der schnellen technologischen Veränderungen (moralischer Verschleiß) und zweitens aufgrund der Marktdurchdringung. Es entsteht eine längere Periode mit immer wieder anfallenden Extraprofiten, die Quelle einer beschleunigten Akkumulation werden. Nokia z.B. verzeichnet aufgrund des hohen Handy-Absatzes und des schnell wachsenden Marktes für elektronische Netzwerke einen jährlichen Umsatzschub von derzeit mehr als 50%. Die Profite wachsen dazu überproportional und bilden eine Grundlage für die sprunghafte Akkumulation, die sich im hohen Investitions- und Beschäftigungswachstum niederschlägt.

Als zweite Quelle einer beschleunigten Akkumulation dienen gesellschaftliche Zusatzkapitale in Form von Krediten, Kapitalerhöhungen (u.a. durch Ausgabe neuer Aktien) oder Neugründungen, die sich - angezogen von der hohen Profitabilität - gierig auf die neuen Anlagesphären werfen. Das Kapital dieser Sektoren erlebt ökonomisch eine Sturm- und Drangperiode, aus der ein neuer bürgerlicher Optimismus herauswächst, wie er derzeit in der Wirtschafts- und Finanzwelt vorherrscht.

Es handelt sich dabei immer nur um eine Sturm- und Drangperiode des Kapitals, nicht der Arbeiter, die zwar die neuen Technologien entwickeln, produzieren und im Produktionsprozeß anwenden müssen, dies aber nicht für eigene Zwecke und unter eigener Regie tun. Da sowohl ihre eigenen Produkte als auch ihre sachlichen Arbeitsbedingungen dem Unternehmer gehören, die Produzenten also davon entfremdet sind, sind sie auch von der neuen Technologie entfremdet, die darin steckt. Daher stehen sie den neuen Technologien, die in ihrem Arbeitsprozeß eingeführt werden oder die sie produzieren müssen, gleichgültig oder mit Blick auf die Gefahren der Arbeitslosigkeit bzw. einer größeren Intensität ihrer Arbeit auch sorgenvoll gegenüber.

Die Sturm- und Drangperioden des Kapitals wiederholen sich mehr oder weniger ausgeprägt in allen Bereichen, die von der digitalen Revolution erfaßt werden. Aufgrund der produktionstechnischen Verzahnung bleiben die Wirkungen darauf nicht beschränkt. Die beschleunigte Akkumulation in den neuen Leitsektoren der Wirtschaft erzeugt eine Markt- und Produktionserweiterung in anderen Wirtschaftssektoren, die ihrerseits diesen Anstoß unter sich weitergeben, der dann akkumulationsfördernd auf die Leitsektoren zurückwirkt. So schafft die Handy-Produktion gleichzeitig einen Markt für die Chipproduktion. Dazu bedarf es Infrastruktureinrichtungen, Anlagen, Ausrüstungsgegenstände, neue Arbeitskräfte und entsprechen mehr Konsumgüter. Zugleich steigt die Luxusproduktion infolge der höheren Profite.

Dem fixen Kapital fällt eine Schlüsselrolle zu: Die Produktion der langlebigen Anlagegüter erfordert Produktionsmittel und Arbeitskräfte, die auf dem Markt sukzessive nachgefragt werden müssen, bis die neuen Anlagegüter fertig sind. Während einer solchen zusammenhängenden Arbeitsperiode entsteht nur Nachfrage, kein Angebot. Angebotswirksam wird der in den Anlagen steckende Wert erst später, mit der Aufnahme der neuen Produktion, d.h. der fixe Kapitalwert der Anlage erscheint dann sukzessive im Wert der neu angebotenen Ware. Während der Wirkungsdauer der nun als Arbeitsmittel fungierenden Anlagegüter entsteht also in Höhe des verschlissenen fixen Kapitalteils (Abschreibungen) nur Angebot, keine Nachfrage. Zuerst überwiegt also die Nachfrage, später dann das Angebot. Produktionsstockungen sind dann die Folge.

Dazu wieder ein Beispiel aus dem Mobilfunkbereich: Die dritte Handy-Generation erfordert für Deutschland Vorlaufinvestitionen in die Netz-Infrastruktur von schätzungsweise 30 Mrd. DM. Dies erzeugt einen Nachfrageschub. Die entsprechenden Angebotsteile treffen erst später im Zuge der Verbreitung der neuen Handys als Wertbestandteil der dann anfallenden Gebühren auf den Markt. Bedingt durch die besondere Zirkulationsweise des im fixen Kapital enthaltenen Werts fallen Angebot und Nachfrage in zeitlicher Hinsicht systematisch auseinander.

Katzenjammer unvermeidlich

Der Innovationszyklus bildet die Grundlage für zwei verschiedene Phasen der Akkumulation: Eine Phase beschleunigter Akkumulation, die getragen wird von kombinierten Sturm- und Drangperioden des Kapitals innerhalb der neuen Leitsektoren der Wirtschaft und der sich dann notwendig anschließenden Phase verlangsamter Akkumulation, die durch das Ende des Innovationsschubs eingeleitet wird.

In dieser Phase fragilen Wachstums fallen die Extraprofite und die darauf beruhenden kombinierten Sturm- und Drangperioden des Kapitals mehr und mehr fort, neue und umfassendere Anlageinvestitionen mit dem dadurch möglichen Nachfrageüberschuß unterbleiben, Kapazitäten, die sowohl in den Leitsektoren als auch in den vorgelagerten Wirtschaftssektoren in Erwartung einer anhaltend raschen Markterweiterung aufgebaut worden sind, erweisen sich als überflüssig. Für eine längere Zeit belastet der nun vorhandene Angebotsüberschuß die Absatzmärkte. Der bürgerlichen Euphorie gehen mehr und mehr die ökonomischen Grundlagen verloren. Mit dem Ende der Sturm- und Drangperioden schlägt die Stimmung in einen allgemeinen Pessimismus um


New Economy kein neues Stadium des Kapitalismus

Die New Economy bildet kein neues Stadium der kapitalistischen Entwicklung, sondern ist nur eine Bezeichnung für die aktuellen Sturm- und Drangperioden des Kapitals, wie sie seit Beginn der kapitalistischen Epoche immer wieder im Zuge von Innovationsschüben aufgetreten sind, um dann später von einer Phase verlangsamten Wachstums abgelöst zu werden. Dem Wachstumsoptimismus sowie der Euphorie der Wirtschafts- und Finanzwelt wird auch diesmal schon bald der Katzenjammer folgen.

Die großen Akkumulationsperioden prägen die Phasen des Konjunkturzyklus, ohne aber deren Charakter zu verändern: Der länger anhaltende Nachfrageüberschuß in der Phase allgemein beschleunigter Akkumulation zögert den konjunkturellen Widerspruch zwischen Produktion und Markt hinaus, und er mildert zusätzlich die Bereinigungsfunktion der konjunkturellen Krise bzw. der dann folgenden Rezession, während umgekehrt der Angebotsüberschuß der fragilen Akkumulationsphase die Widersprüche früher zuspitzt und die Bereinigungsfunktion hervortreten läßt. Hinzu kommt noch, daß die konjunkturellen Aufschwungsphasen, vor allem die Prosperität, besonders stürmisch während der Sturm- und Drangperioden des Kapitals verlaufen, und sich nur müde entwickeln können, sobald die überzyklischen Wachstumsimpulse ausbleiben. Während der Sturm- und Drangperiode sind die konjunkturellen Aufschwungsphasen entsprechend länger und betonter und die konjunkturellen Abschwungsphasen kürzer und weniger intensiv, während in der daran anschließenden Akkumulationsperiode entgegengesetzte Proportionen auftreten.

In der Wirtschaftsgeschichte und der Konjunkturtheorie werden solche Auf- und Abschwünge als lange Wellen oder auch als Kondratieff-Zyklen bezeichnet, die im Durchschnitt knapp 50 Jahre umfassen. Strittig ist vor allem, ob es hierbei eine notwendige Zyklizität gibt, ob also während einer ansteigenden langen Welle die Ursachen für den Umschlag in eine fallende lange Welle und umgekehrt entstehen. Etliche Gründe, die Günter Senftleben in seinem Beitrag "Die Theorie der Langen Wellen" vor gut 15 Jahren entwickelt hatte, sprechen für eine Zyklizität.


Kapitalismus = Ungeheure Vergeudung von Produktivkräften

Der Innovationszyklus prägt Struktur und Dynamik des Akkumulationsprozesses und beeinflußt darüber die allgemeine Profitrate, die ihrerseits auf die Akkumulation zurückwirkt. Steigt bzw. fällt die Profitrate, dann steigt bzw. fällt das Tempo der Akkumulation.

Bevor solche Auswirkungen der Informations- und Kommunikationstechnik auf Profit, Profitrate und Akkumulationstempo näher betrachtet werden, sollen noch ein paar grundsätzliche Bemerkungen gemacht werden zum Verhältnis zwischen neuer Technologie und kapitalistischer Form.

Die eingangs erwähnte „Digitale Fabrik“ schließt neben der Produktion zusätzlich noch die Zulieferer und Abnehmer ein. Technisch besteht mehr und mehr die Voraussetzung für eine global vernetzte virtuelle Produktion, die nicht Halt macht an den Grenzen eines Unternehmens, wie sie vom Privateigentum gezogen werden. Eine Optimierung des Gesamtprozesses wäre möglich und zwar unter Einschluß sowohl der vor- und nachgelagerten, als auch der parallel ablaufenden Wertschöpfungsketten.

Eine solche umfassende Produktivkraftsteigerung durch Regelung und Optimierung des Gesamtprozesses wird durch das kapitalistische Privateigentum geradezu verhindert. Zusammengehörende Prozeßketten werden nicht nur zerstückelt, sondern dazu noch durch die Konkurrenz in einen Gegensatz gebracht, so daß sich bedeutende Produktivitätspotentiale der IT-Integration kapitalistisch überhaupt nicht nutzen lassen. Die moderne Informations- und Telekommunikation steht also im Widerspruch zur kapitalistischen Form, unter der sie angewendet wird. Die Lösung des Widerspruchs kann nur in der Beseitigung der Zersplitterung, d.h. in der Aufhebung des Privateigentums liegen.

Eine ungeheure Vergeudung gesellschaftlicher Produktivkräfte findet noch auf andere Weise statt. Durch die Existenz vieler, voneinander unabhängiger kapitalistischer Warenproduzenten werden die rein technischen Operationen, die eine Fabrik mit seinen Lieferanten und Abnehmern verbindet, mit kommerziellen, vom Standpunkt einer anderen Gesellschaft völlig überflüssigen Funktionen verquickt. Die Funktionen des Kaufens und Verkaufens verursachen beträchtliche Zirkulationskosten, die inzwischen bei verschiedenen Waren den größten Kostenblock darstellen. Unter kapitalistischen Bedingungen mindern solche Zirkulationskosten den Profit und stellen zugleich eine Belastung für die allgemeine Profitrate dar, in deren Berechnung der Profit eingeht.


Elektronische Marktplätze erobern die Welt

Das Internet schafft Voraussetzungen für eine Einsparung solcher Zirkulationskosten. Beinahe täglich geben Großunternehmen oder ganze Branchen bekannt, ihren Ein- bzw. Verkauf ins Internet zu verlagern oder elektronische Marktplätze zu gründen. So sind elf führende Chemiekonzerne, darunter Bayer, BASF, Atofina, BP, DuPont dabei, einen gemeinsamen elektronischen Marktplatz aufzubauen, der bis Juli stehen soll. Die Größe des angepeilten Marktes wird auf etwa 400 Mrd. Euro geschätzt. Weltweit gibt es bereits rund 1000 elektronische Marktplätze, rd. 100 davon liegen in Deutschland.
Das US-Unternehmen IBM wickelt schon heute über seinen privaten Internet-Marktplatz mit 12000 Unternehmen in 24 Ländern der Welt seinen Einkauf in Höhe von 13 Mrd. US-$ (1999) ab. In den USA sollen bereits 17% der größeren Konzerne ein Business-to-Business (B2B) Einkaufsystem im Internet installiert haben. Weitere 70% planen die Installation noch in diesem Jahr und die restlichen 13% innerhalb der nächsten zwei Jahre. Alle derzeitigen Trends sprechen für eine sprunghafte Zunahme des Internethandels.

Die Herrichtung eines gemeinsamen Internet-Portals verläuft grundsätzlich in zwei Schritten: Zunächst wird aus den aktuellen Warenkatalogen verschiedener Anbieter ein zentraler Bestellkatalog erstellt, auf den alle Nachfrager direkt zugreifen können. In einem zweiten Schritt werden Käufer und Verkäufer elektronisch miteinander verbunden, um ihre Geschäfte quasi automatisch abwickeln zu können.


Profit- und Akkumulationssteigerung durch Minderung der Zirkulationskosten

Der virtuelle Marktplatz vereinfacht, konzentriert und ökonomisiert dadurch die bisherigen Handelsfunktionen. Verschiedene Arbeitsgänge, die bisher erforderlich waren, wie Einholung von Angeboten, der Vergleich der Katalogdaten, die Auswahl der günstigsten Lieferanten, die Durchführung des Bestellvorgangs, die aufwendige Korrespondenz etc. entfallen weitgehend.

Das Einsparpotential bei den Zirkulationskosten scheint nicht gerade gering zu sein: IBM beziffert die jährliche Ersparnis im Einkauf bereits auf 250 Mio. US-$, Hewlett-Packard erwartet eine Senkung der Einkaufskosten von durchschnittlich 5 bis 7%; bis zum Jahr 2004 wird die Summe der Spareffekte insgesamt auf 600 Mrd. US-$ geschätzt; das Investmenthaus Goldman Sachs rechnet in der Autoindustrie mit Einsparungen bis zu 4000 US-$ je Auto.


Einsparungen durch Online-Banking und Online-Versicherungen

Neben Einspareffekten im kommerziellen Warenverkehr zeichnen sich Einsparungen bei solchen Zirkulationskosten ab, die mit den technischen Operationen des Geld-, Kredit- und Wertpapierverkehrs zusammenhängen und institutionell bei Banken und Börsen konzentriert werden.

Im Internet entstehen vollwertige virtuelle Bankfilialen, die annähernd alle Bankdienstleistungen anbieten. Über Online-Banking werden Kredite vermittelt, Zahlungsgeschäfte durchgeführt, Beratungsdienste bereitgestellt, Wertpapierkäufe auf Web-basierten Handelssystemen abgewickelt.

Schätzungen gehen davon aus, daß in den kommenden Jahren der gesamte Zahlungsverkehr beinahe vollständig auf Selbstbedienungstechnologien und alternative Vertriebswege, vorzugsweise auf Internet und Handy verlagert werden. Bei Wertpapieren und Kreditgeschäften soll ein Online-Anteil von bis zu 50% erreicht werden. Auf diese Weise werden bis zu 20% der Filialkapazitäten wegfallen.
Neben der Ökonomisierung im Kundengeschäft sind umfassendere Einsparungen bei den bankinternen Arbeitsabläufen möglich.

Eine weitere Verminderung der Kosten, die den Profit bzw. die allgemeine Profitrate belasten, zeichnet sich auf dem Versicherungssektor ab. Nach Schätzungen des Frankfurter Marktforschunsunternehmens Forit wird der digitale deutsche Versicherungsmarkt im Jahr 2002 bereits sieben Millionen Kunden umfassen und ein Volumen von 6,4 Mrd. DM aufweisen. Das Volumen der Versicherungen, die online abgeschlossen oder verwaltet werden, soll auf rund 26,9 Mrd. DM bis zum Jahr 2004 steigen.

Durch Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnik werden die Zirkulations- und Versicherungskosten abnehmen. Da solche Kosten durch den Profit gedeckt werden, läßt deren Minderung Profit und Profitrate steigen, wodurch die gegenwärtigen Sturm- und Drangperioden des Kapitals zusätzliche Expansionsmöglichkeiten erhalten.

Hinzu kommen noch solche Einflüsse auf die Durchschnittsprofitrate, die generell von Technologieschüben ausgehen, also keine Besonderheit des gegenwärtigen Innovationszyklus bilden. Die Wirkung konzentriert sich auf die zwei Haupteinflußgrößen der Durchschnittsprofitrate, die Wertzusammensetzung des gesellschaftlichen Kapitals und die Mehrwertrate.

(Fußnote: P' = M/(C+V) = M' * V/(C+V) Dabei bezeichnet P' die Durchschnittsprofitrate, M den Mehrwert, C das konstante Kapital, V das variable Kapital, M' die Mehrwertrate und der Quotient V/ (C+V) den Kehrwert der Wertzusammensetzung des gesellschaftlichen Kapitals. Die Durchschnittsprofitrate P' vermehrt oder vermindert sich in demselben Verhältnis wie M' bzw. V/(C+V), wenn der jeweils andere Faktor konstant bleibt.)


Neue Produktionszweige - temporäres Gegengewicht zum Profitratenfall

Zunächst zur Bewegung der Wertzusammensetzung. In den neuen Geschäftszweigen, die im Zusammenhang mit den neuen Technologien entstehen, überwiegt anfangs das Element der lebendigen Arbeit, mit der Folge, daß die durchschnittliche Wertzusammensetzung des gesellschaftlichen Kapitals bzw. ihr Wachstumstempo reduziert wird.

(Fußnote: „Andererseits öffnen sich neue Produktionszweige...die ihrerseits wieder auf Überwiegen des Elements der lebendigen Arbeit beruhen und erst nach und nach dieselbe Karriere wie die anderen Produktionszweige durchmachen.“ (Marx, Kapital III, MEW 25, S. 246)...“ruft mit freigesetztem Kapital und Arbeit beständig neue Geschäftszweige hervor, in denen das Kapital wieder auf kleiner Stufenleiter arbeiten kann und wieder die verschiedenen Entwicklungen durchlaufen, bis auch diese neuen Geschäftszweige auf gesellschaftlicher Stufenleiter betrieben werden. Dieser Prozesss beständig.“ (Marx, Resultate des unmittelbaren Produktionsprozesses, S. 61)

Ein wichtiger Grund dafür ist, daß die Arbeitsteilung in den neuen Produktionssphären und entsprechend die Spezialisierung sowohl der verwendeten Arbeitsinstrumente als auch der Arbeit genügend weit fortgeschritten sein muß, bis schließlich eine Mechanisierung und Automatisierung der zuvor vereinfachten Arbeitsvorgänge möglich wird.
In dieser Metamorphose der neu entstandenen Produktionszweige scheint sich die Entstehungsgeschichte der kapitalistischen Produktionsweise, die Entwicklung des Handwerksbetriebs zum Manufaktur- und schließlich zum Fabrikbetrieb partiell und zeitlich gerafft zu wiederholen.
Der günstige Einfluß, der anfangs von der Wertzusammensetzung der neuen Produktionssphären auf die Durchschnittsprofitrate ausgeht, schlägt im weiteren Verlauf in das Gegenteil um und belastet dann die Profitrate.

Marx sah in der Entstehung neuer Produktionszweige ein Gegengewicht gegen den tendenziellen Fall der Profitrate (Kapital III, MEW 25, S. 246f). Seine These läßt sich nun dahingehend konkretisieren, daß diese “entgegenwirkende Ursache“ nicht zeitlich gleichmäßig verteilt sondern gehäuft während der Anfangsphase eines Innovationszyklus auftritt. Im weiteren Verlauf läßt die Wirkung nach, bis schließlich in den neuen Produktionszweigen die Wertzusammensetzung rasch steigt, so daß die Profitrate wieder gedrückt wird.


Green-Card als Profitsicherungsmittel

Der zweite Haupteinflußfaktor, die Mehrwertrate, das Verhältnis zwischen dem produzierten Mehrwert und dem Wert der Arbeitskräfte, wirkt in einer ähnlichen Richtung auf die Bewegung der Durchschnittsprofitrate. Marx sah in dem “Herunterdrücken des Arbeitslohns unter seinen Wert“ eine der “bedeutendsten Ursachen, die die Tendenz zum Fall der Profitrate aufhalten.“ (ed., S. 245) Solche Perioden hängen eng mit der Höhe der Arbeitslosigkeit zusammen, die ihrerseits eine abhängige Größe der Akkumulation bildet.

Der verlangsamte Akkumulationsprozeß der 70er und zu Beginn der 80er Jahre erzeugte weltweit darunter auch in Europa eine tendenzielle Zunahme der Arbeitslosigkeit, die selbst während der kurzlebigen konjunkturellen Prosperitätsphasen fortbestand. Die überzyklisch gewachsene, säkulare Arbeitslosigkeit erhöht den Druck auf die Löhne, die z.B. in Deutschland seit Anfang der 80er Jahre stagniert und im Vergleich zu den Profiten deutlich gesunken sind. Die Niedrigkeit der Löhne stellt ein Hindernis für die Einführung neuer Technologien dar. Zugleich befördert sie die Akkumulation, nachdem der Innovationszyklus trotz der Niedrigkeit der Löhne schließlich eingesetzt hat.

Im weiteren Fortgang der beschleunigten Akkumulation wird die “industrielle Reservearmee“ zugunsten der “aktiven Armee“ vorübergehend abnehmen, mit der Folge, daß der Druck auf die Löhne nachläßt und reale Lohnsteigerungen möglich werden. Dies belastet die Profitrate. Um einen solchen Druck auf die Profitrate in wichtigen Teilsektoren zu verhindern, hat die Bundesregierung frühzeitig die Green-Card-Initiative gestartet. Durch Ausweitung des Angebots von IT-Spezialisten sollen stärkere Lohnsteigerungen abgebremst und hinausgezögert werden.


Zyklen in der Produktivkraftentwicklung prägen Profitratenverlauf

Aus der kombinierten Wirkung von Wertzusammensetzung des Kapitals und Mehrwertrate entsteht ein längerfristiges Auf und Ab der allgemeinen Profitrate, wodurch die Sturm- und Drangperioden des Kapitals verstärkt und die sich daran anschließende Phase verminderter Akkumulation zusätzlich belastet wird.

Die gegenläufigen Einflüsse einer kapitalistisch angewandten neuen Technologie auf die Entwicklung der Durchschnittsprofitrate sind im Marxsche Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate in allgemeiner Form dargestellt worden. Marx kam zu dem Ergebnis, daß dieselben Ursachen, die den Fall der Profitrate erzeugen (“Das Gesetz als solches“), auch die entgegenwirkenden Ursachen hervorbringen würden. Als Ursache für den tendenziellen Profitratenfall nennt er die kapitalistische Form der Produktivkraftentwicklung.

Da es ihm bei der Begründung des Gesetzes um die längerfristige Tendenz der Profitrate geht, hat die Frage keine Rolle gespielt, wie der Verlauf der Profitrate durch Schübe der Produktivkraftentwicklung beeinflußt wird; das zusammenfassende Resultat, die letztendlich sich durchsetzende Bewegungsrichtung war von Bedeutung. Die Wirksamkeit beider Tendenzen - Profitratenfall bzw. entgegenwirkende Ursachen - wurden daher vor allem als ein zeitliches Nebeneinander, nicht aber als einander ablösende Perioden analysiert. Der Innovationszyklus verwandelt durch seine Auswirkungen auf die Akkumulation einen solchen synchronen Verlauf in einen zyklischen. Beide Tendenzen treten nun nicht mehr zeitlich gleichmäßig, sondern mehr nacheinander in der Zeit auf.

Nunmehr lassen sich drei Bewegungsformen der Durchschnittsprofitrate unterscheiden: Das Auf und Ab der Profitrate innerhalb des Konjunkturzyklus, das auch von Marx analysiert worden ist, der Fall der Profitrate, der sich auf die gesamte Epoche des Kapitalismus bezieht und schließlich noch das längerfristige, auf den Akkumulationswirkungen des Innovationszyklus beruhende Auf und Ab der Profitrate.

Guenther Sandleben

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