http://libelle.blogsport.de/2006/10/07/erstes-kapitel-die-ware-ii/ Social Critique :: Die Ware (II) (Erstes Kapitel) :: Oktober :: 2006

Die Ware (II) (Erstes Kapitel)

2. Doppelcharakter der in den Waren dargestellten Arbeit

Sowohl der (Tausch-) Wert, als auch der Gebrauchswert sind Resultate des Arbeitsprozesses, das ist Ergebnis des ersten Unterabschnittes des Kapital. Allerdings ist der Wert das nur im Verhältnis aller Privatarbeiten zueinander. So ist etwa einem bestimmten Produktionsprozess (z.B. einer Papiermanufaktur) für sich nicht zu entnehmen, ob werthaltige Produkte hervorgebracht werden. Sicher ist das im 19. Jhd. so gewesen, allerdings könnte die Papiermanufaktur mit der Produktivität heutiger Papierfabriken nicht mithalten, würde also keinen Wert hervorbringen bzw. würde sich die Arbeit, die in dieser Manufaktur verrichtet würde im Unterschied zum 19. Jhd. nur in einem geringen Wert darstellen, weil die Zeit für die Herstellung eines bestimmten Quantums Papier in dieser Manufaktur weit über der von modernen Papierfabriken liegt.
Wenn beide Faktoren der Ware (Wert und Gebrauchswert) Resultate des Arbeitsprozesses sind, dann erhält die Arbeit im Kapitalismus, also Waren produzierende Arbeit, einen doppelten Charakter:

„Während sich die Tauschwert setzende Arbeit in der Gleichheit der Waren als allgemeiner Äquivalente verwirklicht, verwirklicht sich die Arbeit als zweckmäßige produktive Tätigkeit in der unendlichen Mannigfaltigkeit ihrer Gebrauchswerte. Während die Tauschwert setzende Arbeit abstrakt allgemeine und gleiche Arbeit, ist die Gebrauchswert setzende Arbeit konkrete und besondere Arbeit, die sich der Form und dem Stoff nach in unendlich verschiedene Arbeitsweisen zerspaltet.“ (Zur Kritik…, MEW 13 S. 23)

Die „unendlich verschiedenen Arbeitsweisen“, die sich in der „Mannigfaltigkeit“ der Gebrauchswerte verwirklichen repräsentieren die gesellschaftliche Teilung der Arbeit im Kapitalismus, die Voraussetzung und deren weitere Ausdifferenzierung Folge des Tausches ist. Voraussetzung ist sie darin, dass die Ergebnisse der konkreten Arbeit - die Gebrauchswerte - sich unterscheiden müssen, um getauscht zu werden, was ihre voneinander unabhängige Hervorbringung unterstellt. Folge ist weitere Teilung der Arbeit darin, dass Spezialisierung ein Mittel ist die Produktivität der Arbeit zu erhöhen. Man kann sich auf die Art z.B. auf Teilschritte des Produktionsprozesses als Privatarbeit beziehen und sie zur Einkommensquelle machen.
Anders lautende Gerüchte verbreitet nur die VWL:

“Tausch ist Sinnvoll und in der Regel auch Folge der Arbeitsteilung“ (Allgemeine Volkswirtschaftslehre, FH Friedberg)

Tausch folgt in keiner Weise, auch nicht ein kleines bisschen oder manchmal aus der Arbeitsteilung, sondern er folgt daraus, dass sich die Produzenten als Eigentümer auf ihre Arbeitsprodukte beziehen. Wo das nicht so ist – z.B. zwischen den verschiedenen Abteilungen kapitalistischer Betriebe – wird auch nicht getauscht, sondern da werden die Resultate des arbeitsteiligen Werkelns einfach an die Orte ihrer Bestimmung im Arbeitsprozess verbracht.

Während sich die konkrete Arbeit im Gebrauchswert verwirklicht, verwirklicht sich die Wert setzende, abstrakte Arbeit darin, dass die Waren allgemeines Äquivalent sind. D.h. ihre gesellschaftliche Gültigkeit im Verhältnis zu allen anderen Privatarbeiten ist ihr Kriterium. Wenn der Wert wie unter 1. gezeigt Produkt der Arbeit ist (in der oben beschriebenen besonderen Weise) , dann kann der Wert als das Gleiche der Waren auch nur das Produkt einer gemeinsamen Eigenschaft der unterschiedlichen Arbeiten sein.* Diese Gemeinsamkeit ist, dass es sich bei jeder Arbeit um menschliche Verausgabung handelt. Dabei darf man die vorher getroffenen Bestimmungen aber nicht durchstreichen: Es handelt sich um keine Verausgabung um der Verausgabung willen, auch nicht um eine Verausgabung, bei der vor dem Tausch ein bestimmtes Verhältnis zwischen privater Verausgabung und Werthaltigkeit des Arbeitsproduktes bestünde, sondern um Verausgabung als Vergegenständlichung von Arbeit mit dem Zweck Waren hervorzubringen, die sich als allgemeines Äquivalent erweisen. Lassen sich die Waren tauschen, dann hat sich die Verausgabung in bestimmter Quantität als abstrakte, Wert setzende Arbeit erwiesen.

„Menschliche Arbeit schlechthin, Verausgabung menschlicher Arbeitskraft, ist zwar jeder Bestimmung fähig, aber an und für sich unbestimmt. Verwirklichen, vergegenständlichen kann sie sich nur, sobald die menschliche Arbeitskraft in bestimmter Form verausgabt wird, als bestimmte Arbeit, denn nur der bestimmten Arbeit steht ein Naturstoff gegenüber, ein äußeres Material, worin sie sich vergegenständlicht.“ (Karl Marx: Das Kapital Urfassung v. 1867, Gerstenberg Verlag 1980 S.18)

Schaut man zurück zum Anfang des Buches, dann erweist sich Reichtum in abstrakter Form – Wert – seiner Substanz nach als gesellschaftlich gültige, menschliche Verausgabung – und das ist eine vernichtende Kritik an dieser Gesellschaft - sie macht nämlich gerade den Umstand, dass Arbeit Mühe ist zum Zweck produktiver Anstrengungen. Menschliche Verausgabung in Form von Arbeit ist also in dieser Gesellschaft nicht nur (eine) Quelle des Reichtums, sondern in gesellschaftlich gültiger Form Zweck der Produktion! Wie sich im Detail vermittelt, dass die Menschheit sich „Leistung“ als Lebensinhalt verschreibt und die Meisten nichts davon haben, u.a. davon handeln die ersten 20 Kapitel des ersten Bandes des Kapital.

Der Aberwitz dieser Gesellschaft zeigt sich aber auch am Verhältnis der Wertgröße zur Produktivität: Eine Erhöhung der Produktivkraft der Arbeit sorgt zwar für mehr Gebrauchswert, vermehrt aber (unter sonst gleichen Umständen) den Wert, den z.B. eine Stunde Arbeit hervorbringt nicht. D.h. diese Gesellschaft wird davon, dass sie mehr nützliche Gegenstände hervorbringt nicht reicher! Umgekehrt wird sie ganz unabhängig von ihren produktiven Potenzen ärmer, wenn weniger gearbeitet wird – und zwar nicht in dem Sinn, dass es dann weniger zu konsumieren gäbe.

* geändert

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