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[Wertkritik] Arbeitsbegriff

Wolfram Pfreundschuh wolfram at pfreundschuh.de
Don Jun 2 12:08:03 CEST 2005


Hallo,

bei einer redaktionellen Überarbeitung des Arbeitsbegriffs im 
Kulturkritischen Lexikon wurde einiges Neues aufgenommen und in 
Beziehung gebracht, so dass ich hierauf aufmerksam machen möchte:
http://www.kulturkritik.net/begriffe/arb.html#Arbeit

Wolfram Pfreundschuh


Arbeit (s.a. Tätigkeit, Bedürfnis)

"Die Arbeit ist zunächst ein Prozess zwischen Mensch und Natur, ein 
Prozess, worin der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur durch seine 
eigene Tat vermittelt, regelt und kontrolliert. Er tritt dem Naturstoff 
selbst als eine Naturmacht gegenüber. Die seiner Leiblichkeit 
angehörigen Naturkräfte, Arme und Beine, Kopf und Hand, setzt er in 
Bewegung, um sich den Naturstoff in einer für sein eigenes Leben 
brauchbaren Form anzueignen. Indem er durch diese Bewegung auf die 
Natur außer ihm wirkt und sie verändert, verändert er zugleich seine 
eigene Natur..“ (K. Marx, Kapital I, MEW 23, 192)
Arbeiten sind Tätigkeiten, die zum Vorankommen mit einer Sache, einem 
Problem, einem Stoff, einem Ereignis, einem Plan, einer Vorstellung 
oder dem Leben überhaupt nötig sind. Die Notwendigkeit der Arbeit 
ergibt sich aus dem Zweck der Arbeit, aus dem Bedürfnis, eine bestimmte 
Veränderung zu erreichen, durch welche dieses zum Frieden kommt, 
befriedigt ist, um ein erneutes Verlangen zu entwickeln, d.h. 
Geschichte zu bilden.
Die Notwendigkeit der Arbeit entspringt also nicht einfach den 
menschlichen Bedürfnissen der unmittelbaren oder gesellschaftlichen 
Natur; sie ist auch Produktion menschlicher Bedürfnisse aus dem 
gesellschaftlichen Zusammenhang der Menschen, Entwicklung ihrer 
Vielfalt und Reichhaltigkeit, Ausbreitung und Verwirklichung 
menschlicher Sinnlichkeit als Wendung gegen die Vereinseitigung des 
Menschseins, gegen den sinnlichen und geistigen Mangel, welcher 
Verödung und Geschichtslosigkeit mit sich bringt. Sie ist die 
Konstitution des Zusammenwirkens von Menschen, die Grundlage jeder 
Gesellschaft. Ihr Produkt ist die geäußerte Eigentümlichkeit des 
Menschen, welche einzeln wie allgemein als menschliches Eigentum, also 
individuell und gesellschaftlich zugleich existiert. In der 
Gesellschaft stellt sich das Arbeitsprodukt als Ganzes, als 
Zusammenführung von Arbeiten in ihrer Ganzheit und Zuführung zu 
Bedürfnissen als ganzer Lebenszusammenhang her. So wie dieses Eigentum 
hervorgebracht wird, existiert und in das Leben der Menschen 
zurückkommt, so ist ihre Lebensform, ihre Gesellschaft auch wirklich, 
d.h. geistig und sinnlich in der Gegenständlichkeit des Lebens 
vermittelt. Für Marx ist Arbeit in diesem Sinne der "Schlüssel zum 
Verständnis der gesamten Geschichte der Gesellschaft" (MEW 21, S.307).
Arbeit ist also immer gegenständlich, befasst sich mit einem 
Gegenstand, den sie verändert und will hierdurch das ihr zugerunde 
liegende Bedürfnis verwirklichen als ein Verlangen im 
Lebenszusammenhang der Menschen, als einzelnes wie gesellschaftliches 
Bedürfnis zugleich.
Arbeit ist in all ihren Momenten zusammen vor allem Lebensäußerung, 
Selbstvergegenständlichung, Gestaltungstätigkeit des Menschen, Leiden 
und Tätigkeit seiner Sinnlichkeit und Liebe in der Erzeugung seiner 
Lebenswelt als seine Kultur. Arbeit enthält Sinn und Geist und 
erfordert Kraft, Wissen und Verstand. Sie erzeugt Gegenstände, welche 
die gegenständliche Welt des Menschen ausmachen, seine Veräußerung als 
seine Lebensvielfalt, als menschlichen Reichtum, als das Dasein seiner 
Wesenskräfte als Gegenstand der Befriedigung seiner Bedürfnisse und als 
Lebensverhältnis seiner Kultur.

“Gesetzt, wir hätten als Menschen produziert: jeder von uns hätte in 
seiner Produktion sich selbst und den andern doppelt bejaht. Ich hätte 
erstens in meiner Produktion meine Individualität, ihre 
Eigentümlichkeit vergegenständlicht und daher sowohl während der 
Tätigkeit eine individuelle Lebensäußerung genossen, als im Anschauen 
des Gegenstandes die individuelle Freude, meine Persönlichkeit als 
gegenständliche, sinnlich anschaubare und darum über allen Zweifel 
erhabene Macht zu wissen. Zweitens in deinem Genuß oder deinem Gebrauch 
meines Produkts hätte ich unmittelbar den Genuß, sowohl des 
Bewußtseins, in meiner Arbeit ein menschliches Bedürfnis befriedigt, 
also das menschliche Wesen vergegenständlicht, und daher dem Bedürfnis 
eines andern menschlichen Wesens seinen entsprechenden Gegenstand 
verschafft zu haben, drittens für dich der Mittler zwischen dir und der 
Gattung gewesen zu sein, also von dir selbst als eine Ergänzung deines 
eigenen Wesens und als ein notwendiger Teil deiner selbst gewußt und 
empfunden zu werden, also sowohl in deinem Denken wie in deiner Liebe 
mich bestätigt zu wissen, viertens in meiner individuellen 
Lebensäußerung unmittelbar deine Lebensäußerung geschaffen zu haben, 
also in meiner individuellen Tätigkeit unmittelbar mein wahres Wesen, 
mein menschliches, mein Gemeinwesen bestätigt und verwirklicht zu 
haben.

Meine Arbeit wäre freie Lebensäußerung, daher Genuß des Lebens. [...] 
In der Arbeit wäre [...] die Eigentümlichkeit meiner Individualität, 
weil mein individuelles Leben bejaht. Die Arbeit wäre wahres tätiges 
Eigentum.“ (MEW EB I, S. 462)
Arbeit für sich und von einer Seite her genommen ist ein Aufwand, der 
Kraft für eine Bewegung verlangt (physikalisch:Arbeit ist Kraft mal 
Weg). Der Arbeitsbegriff verbindet einen Aufwand mit der Tätigkeit, 
durch welche ein Produkt durch Menschen und Maschinen erzeugt wird, das 
Menschen zur Verfügung stehen soll. Arbeit ist von dieser Seite der 
Begriff für den Aufwand zur Herstellung menschlicher und natürlicher 
Erzeugnisse - dies jedoch nicht ohne Sinn. Arbeit ist aber von ihrem 
Zweck nicht zu trennen. Solange Menschen Bedürfnisse entwickeln und 
Geschichte bilden, wird es Arbeit in einem mehr oder minder größerem 
Ausmaß geben - und sei es auch nur die Arbeit ihrer gesellschaftlichen 
Organisation und Bereitstellung von Technologie.

Die Reduktion von Arbeit auf ihren Aufwand (siehe Wertkritik) ist 
selbst schon eine Formalisierung der Arbeit und entspricht der 
Erlebensweise von sinnentleerter Lohnarbeit. Dies als Begriff des 
Aufwands mit dem der Lohnarbeit als Warenform der Arbeit gleichzusetzen 
enthebt die Arbeit ihres Widerspruchs, Reichtumbildnerin zu sein und 
unter der Formbestimmung des Werts abstrakten Reichtum zu schaffen. Ist 
dieser Widerspruch begrifflich aufgelöst, so ist auch keine Veränderung 
der Form mehr nötig. Die Hervorkehrung einer begriffslosen Arbeit ist 
also nichts anderes als eine Selbstverstümmelung des Begreifens der 
Dialektik von Form und Inhalt, Auflösung substanziellen Denkens. Es 
verbleibt alleine die politische Forderung des Habens, das Haben-Wollen 
dessen, was es "eigentlich" schon gibt. Es ist dies letztlich ein 
gottergebenes Denken in Gegebenheiten, das sich dadurch kritisch gibt, 
dass es Arbeit als negativ besetzte intellektuelle Begriffsidentität 
hiergegen hält.
Arbeit ist aber auch nicht davon zu trennen, was den geschichtlichen 
Stand in der Entwicklung der Arbeit und der Produktionsmittel ausmacht, 
ob z.B. die Kraft durch Menschenkraft oder Maschinenkraft oder durch 
Roboter oder chemische Prozesse (z.B. photochemische Reaktionen in der 
Chiperzeugung) erbracht wird. Insgesamt macht Arbeit die Verwirklichung 
menschlicher Bedürfnisse und erzeugt daher durch ihre Produkte die 
Potenziale menschlicher Sinnbildung, der Entwicklung menschlicher 
Sinnlichkeit als menschlichen Lebensreichtum. Die Befriedigung der 
Bedürfnisse für sich selbst ist also nicht der Zweck der Arbeit, 
sondern ihr Verlauf in der Geschichte der Selbsterzeugung des Menschen, 
in der Bildungsgeschichte der Menschheit. Produktion und Konsumtion 
haben ein und denselben Zweck, in welchem die Menschen sich 
gesellschaftlich verhalten, nicht als einzelne Individuen, von denen 
das eine produziert, was das andere braucht - oder umgekehrt. Es geht 
bei der Arbeit immer um einen Bildungsakt, gleich, welcher Aufwand 
hierfür nötig ist, um Sinnbildung, um menschliche Kultur, die nicht von 
ihren Momenenten und dem Akt ihrer Entstehung unterschieden ist. Arbeit 
ohne Wirklichkleit, als bloßer "Entfaltungsprozess des menschlichen 
Subjekts", das vermittelst der Arbeit zur "klassenlosen Gesellschaft" 
gelangen würde (siehe auch "Diktatur des Proletariats"), ist reine 
Spekulation (siehe Arbeiterbewegung), wie es auch umgekehrt rein 
spekulativ ist, Arbeit unabhängig und also auch unnötig für die 
Befriedigung menschlicher Bedürfnisse anzusehen (siehe Wertkritik).

"Die Gesellschaft als ein einziges Subjekt betrachten, ist, sie überdem 
falsch betrachten - spekulativ. Bei einem Subjekt erscheinen Produktion 
und Konsumtion als Momente eines Akts. Das Wichtigste ist hier nur 
hervorgehoben, daß, betrachte man Produktion und Konsumtion als 
Tätigkeiten eines Subjekts oder einzelner Individuen, sie jedenfalls 
als Momente eines Prozesses erscheinen, worin die Produktion der 
wirkliche Ausgangspunkt und darum auch das übergreifende Moment ist. 
Die Konsumtion als Notdurft, als Bedürfnis ist selbst ein innres Moment 
der produktiven Tätigkeit. Aber die letztre ist der Ausgangspunkt der 
Realisierung und daher auch ihr übergreifendes Moment, der Akt, worin 
der ganze Prozeß sich wieder verläuft. Das Individuum produziert einen 
Gegenstand und kehrt durch dessen Konsumtion wieder in sich zurück, 
aber als produktives Individuum, und sich selbst reproduzierendes. Die 
Konsumtion erscheint so als Moment der Produktion." (MEW 13, S. 625f)
Für die bisherige gesellschaftliche Entwicklung stand der Aufwand, den 
Arbeit ausmachte, dadurch im Widerspruch zu ihrem Sinn und Zweck, dass 
in allen bisherigen Gesellschaftsformen beides nach jeweiligen 
Machtstrukturen gegensätzlich aufgeteilt und der Aufwand weitgehend 
Lebensbestimmung derjenigen war, welche keine Macht darin hatten. Die 
gesellschaftliche Funktion der Arbeit in der Notwendigkeit eines 
Aufwandes verrrät auch noch die Sprache: Im Germanischen bedeutete es 
"Mühsal", indoeuropäisch: Tätigkeit der Waisen, der Randständigen. 
Arbeiter waren auch schon im Römischen Reich nicht nur Skaven, sondern 
auch Proleten., und das waren dort "Freie", die keine Steuer mehr 
bezahlen konnten, oft abgewirtschaftete Beamten oder Söldner oder 
Waisen oder andere, die zu einer sozialen Randgruppen geworden waren.
Der Arbeitsbegriff hatte sich also schon immer mit der Auffassung 
zwischen Freiheit und Notwendigkeit in der Stellung zur Arbeit bewegt, 
welche die Geschichts- und Gesellschaftsepochen von ihrer 
Produktionsweise hatten: In der Sklavenhaltergesellschaft war es die 
Arbeit der Sklaven für die Herrscher, in der bürgerlichen Gesellschaft 
war es der Aufwand für die nackte Existenz zu Gunsten des Warenbesitzes 
- und für die darin aufkeimende Gesellschaft eines menschlichen 
Lebenszusammenhangs wird sich Arbeit als freie Einsicht in das Nötige 
für eine menschliche Gesellschaft ergeben, wie es im Begriff der Arbeit 
als Kulturbegriff, als Einheit von Lebensäußerung und Lebensbildung 
schon angelegt ist (siehe z.B. Kommunismus).
Zu ihrer Verwirklichung stehen die Voraussetzungen gut. Im Lauf der 
Geschichte, vor allem durch die Entwicklung der Wissenschaften, der 
Intelligenz und der Technologie, aber auch durch die wirtschaftlichen 
Erfordernisse der Mehrwertproduktion, wurde das Potenzial der 
Kraftaufwendung und auch des Ablaufalgorithmus der Arbeit immer mehr 
auf Maschinen übertragen und es macht einen gewaltigen Unterschied, ob 
Arbeitskraft durch Menschen oder durch Sachen aufgewendet wird. Von 
daher wird der Mensch als bloße Arbeitskraft in dem Maße unnötig, wie 
die Entwicklung der Produktionsmittel ihn von der Anstrengung der 
Arbeit befreiten und er um so mehr als planvoller Bildner seines 
Reichtums im subjektiven Sinn auftreten könnte: Als Erzeuger und Träger 
seiner Kultur. Als wichtigstes Produkt der Arbeit ist unter der 
Formbestimmung des Kapitals immerhin die Entwicklung der 
Produktionsmittel entstanden. In der Produktion der Produktionsmittel 
steckt der organische Kern der bisherigen Menschheitsgeschichte, die 
ihre Verwirklichung in einer produktiven Gesellschaft findet, einer 
Geselschaft von Menschen, die ihr Leben frei bilden und gestalten 
können, soweit ihre Einsicht in das gesellschaftlich Nötige reicht.
Dem widerspricht allerdings immer noch die Form der kapitalistischen 
Produktion. Da hierin alles als Privatbesitz in der Form von Waren 
gesellschaftlich vermittelt ist, wird es vom Standpunkt seiner privaten 
Nützlichkeit besessen, also vor allem auch zur Vorteilnahme gegen 
andere benutzt. Von da her haben die Besitzer der Produktionsmittel 
ihren Nutzen aus der Vernutzung der Arbeitskraft der Menschen, die 
nichts anderes als diese besitzen, gewonnen, indem sie diesen den 
verblieben Kraftaufwand abverlangten. Weil sie hierdurch nur arbeiten 
konnten, um ihre Existenz vermittelst ihres Arbeitslohns zu fristen und 
somit von der gesellschaftlichen Entwicklung weitgehend ausgeschlossen 
waren, wurde ihnen Arbeit zum Diktat einer gesellschaftlichen Macht, 
welche den Privatbesitz ausmacht und fortbestimmt: Die Verfügung über 
die Potenzen der gesellschaftlichen Entwicklung. Produktionsmittel 
verschaffen unter dieser Bestimmung Kapital und Kapital verschafft die 
Unterwerfung aller Menschen unter seine Entwicklungsziele.
Vom Standpunkt der heutigen Geschichte ist die Form der 
kapitalistischen Gesellschaft als privates Besitzverhältnis gegenüber 
den gesellschaftlichen Potenzen der Arbeit vollständig überkommen und 
treibt den Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und 
privater Aneignung zur barbarischen Auspressung von menschlichem Leben 
durch Verwertung und Unterwerfung aller Lebensmomente der Kultur und 
Natur, durch Lebensisolation. Die Arbeit selbst wurde zu einem 
sinnentleerten Träger geldwerter Interessen, die über gesellschaftliche 
Macht vermittelst abstrakten vermögens verfügen. Durch den hoch 
entwickelten, den globalisierten Kapitalismus, der sich längst aus 
seinem historischen Zweck herausentwickelt hat (siehe "Die 
Globalisierung und das Ende der bürgerlichen Gesellschaft"), wird jede 
Form einer gesellschaftlichen Verteilung des Reichtums zunehmend 
unmöglich, weil Arbeit unvermittelbar wird. Und so wird alles, was 
Reichtum der einen bedeutet, zur unmittelbaren Not der anderen. Die 
Krisen dieser Entwicklung sind unumkehrbar und Arbeit selbst auf die 
Ebene menschlicher Prostitution gedrückt: Herausgabe aller sinnlichen 
Lebensmomente zur Erheischung einer isolierten Existenzmöglichkeit. 
Andererseits wird Arbeitslosigkeit zu einem grasierenden Pendant 
hierzu, das sich nur noch im Erlebensalltag von der Lohnarbeit 
unterscheidet. Weil Arbeit gegenständliches Leben ausmacht, wird jeder 
Mensch, wenn er von seinem Gegenstand getrennt ist, einen subjektiven 
wie objektiven Schmerz erleiden, weil ihm in der Trennung von seinem 
Gegenstand seine Welt, seine Gesellschaft und sein Leben entäußert und 
in fremder Hand ist (siehe Entfremdung).
Die Arbeitsmittel sind Produktionsmittel, Werkzeuge oder Automaten. Das 
ändert nichts an ihrem Sinn. Werkzeuge und Automation kann Arbeit nicht 
ersetzen, sie kann nur den Kraftaufwand und die Einförmigkeit mindern 
oder gar aufheben, kann die Produktion mit neuen Potenzen ausstatten 
und das Verhältnis von geistigen und körperlichen Anteilen der 
Produktion verändern. Das "Reich der Notwendigkeit" wird sich mit den 
wachsenden Potenzen der Arbeitsmittel zugunsten des "Reichs der 
Freiheit" aber nur wirklich verringern, wenn sich der Fortschritt der 
Produktivkraft durch die Verkürzung des Arbeitsstags bis zu seinem 
Minimum umsetzt. Dem allerdings stehen die Interessen des Kapitals 
entgegen, solange es dies gibt. Es verlangt also die Aufhebung des 
Kapitalismus, damit Arbeit selbst in Freiheit geschieht (s. Krise, 
Kommunismus), d.h. in die gesellschaftliche wie einzelne Einsicht in 
die Notwendigkeiten der Anliegen und Potenzen der Arbeit
In der bürgerlichen Gesellschaft existiert Arbeit als Erwerbsarbeit 
(siehe Lohnarbeit), als reine Kraftaufwendung zur Erbringung eines 
Besitzes, als Tätigkeit, die für eine bestimmte Zeit zu einem 
bestimmten Preis unter vorbestimmtem Wert gemietet und vom Besitzer der 
Produktionsmittel genutzt wird. In solchem Verhältnis stehen die 
Besitzer der Arbeitskraft als Menschen, die keine Sache besitzen den 
Besitzern der Produktionmittel gegenüber, also jenen, welche über die 
produktiven Potenzen der Arbeit verfügen, als gesellschaftliche Klassen 
gegenüber (siehe Klassengegensatz). Dieser Gegensatz hat sich vertieft 
in den Besitz an Lebenskräften (Energie, Arbeitskraft, Rohstoffe, 
Boden) und den Besitz an Geld. Diese Klassenförmigkeit hat auch durch 
die Globalisierung, durch die weltweite Aufspaltung der Arbeitsteilung 
in Parzellen jenseits großer Industrieanlagen, durch die vollständige 
Isolation der Arbeit bis hin zur Ich-AG nicht aufgehoben, weil sie eine 
Kategorie des Besitzstandes ist, wie er im Gegensatz zum Eigentum 
formiert ist. So mag es zwar so scheinen, dass Arbeit für sich keine 
ökonomische Form mehr im Leben der Menschen hat, kein Proletariat. Dies 
ist aber nicht richtig, wenn Proletariat im eigentlichen Sinne des 
Wortes verstanden wird: Bildner des Reichtums als Objekt der Verarmung. 
Die ist mittelbar und unmittelbar in einem: unmittelbar, sofern eigenes 
Leben in die Bildung der gesellschaftlichen Gegenständlichkeit von 
Reichtum eingeht, mittelbar, sofern die Gesellschaft die einzelnen 
Menschen als Potenz der Armut nutzt (z.B. als gesellschaftliche Reserve 
zur Bedrängung und Drucksetzung der Menschen zu irgendeiner 
besitzbildenden gesellschaftlichen Aktivität). Gesellschaftlicher 
Reichtum in der Form des Kapitals erzwingt durch dessen Logik immer die 
Armut und Verarmung der Menschen, welche alleine durch den Besitz ihrer 
Arbeitskraft existieren. Auch wenn sie nicht mehr an einer 
gesellschaftlichen Produktionsstätte (z.B. Industriearbeit) versammelt 
sind, haben sie keine andere Funktion für das Kapital als die, seinen 
Reichtum zu schaffen und zu erweitern, um sich selbst zu erhalten. Wer 
hierbei nach einer "neuen Qualität der Arbeit" sucht oder sie als 
gänzlich aufgehoben beschreibt oder die bestehenden Lebenszusammenhänge 
der Menschen als "Multitude" bezeichnet, ist dem Anschein der globalen 
Verhältnisse erlegen, dass das Kapital nicht mehr auf der Ausbeutung 
von Arbeitskraft gründet - nur, weil diese global zur Ausbeutung von 
Lebenskraft überhaupt geworden ist.
So erscheint es dem fleißigen Intellekt mit viel politischem Willen 
zwar geläufig, dass er seine Ernährung, Kleider und Möbel mit Produkten 
aus Taiwan, Indien, Afrika, China, Korea usw. zusammensetzt, nicht 
aber, dass damit menschliche Arbeitskraft, Lebenszeit von Menschen zu 
Billigpreisen verramscht wird, weil nur hierdurch das globale Kapital 
funktioniert. Nicht nur, wo es hier und da mal besonders auffällig 
wird, wenn indische Currybauern ihre Nieren für reiche Amerikaner und 
Westeuropäer verkaufen müssen, um das Saatgut für die Würze ihrer 
Edelküchen einkaufen zu können, sondern auch im ganz gewöhnlichen 
Alltag des Devisenhandels wird Ausbeutung evident, wenn nämlich ihre 
Währungseinheit zu einem Wert getauscht wird, der ihre 
Lebensaufwendungen auf einen Bruchteil der unsrigen herunterdrückt. Bei 
uns liest man dann etwas verwundert, dass die Leute dort mit 2 Dollar 
pro Tagesverdienst auskommen können.
Dies ist Armut pur, die nicht aus der Armut entsteht, sondern aus 
Reichtum. Auch im weitesten Sinne des Wortes wird Armut zum Synonym von 
Selbstaufhebung durch den abstrakten Reichtum des Geldbesitzes (siehe 
Dienstleistungsgesellschaft): Verarmung an Kraft, Geist, Vielfalt und 
Bedürfnis als Existenznotwendigkeit von Selbstverlust, Mythologie, 
Einfalt und Gier - nicht, weil das Kapital das Böse in sich trüge und 
uns dahin zwänge, sondern weil es sich nur bildet, wo wir seine Kultur 
genießen, durch die es eine Welt des Konsums totalisieren kann (s.a. 
Tittytainment), um seine Macht allseitig als seinen privaten Reichtum, 
also um die Abhängigkeit der Menschen von sich zu vermehren (siehe auch 
Kulturkritik).
 
-------------- nächster Teil --------------
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