autonome a.f.r.i.k.a.-gruppe

Vorsprung durch Technik? 

Internethype, Kommunikationsguerilla und Widerstand

Version 1.0 

"Man kommuniziert nicht nur mit Hilfe der elektronischen Instrumente, sondern vor allem durch die Position, die man in einer politisch-sozialen Situation einnimmt. Die Stellungnahme innerhalb des Geschehens, an dem man sich beteiligt, kommuniziert auf der Grundlage des Körper, auch im Internet. Er ist ein Zusammenhang von Rationalität und Gefühl, von Intelligenz und Emotionalität, und wenn es [diesen Zusammenhang] nicht gibt, ist jede Kommunikation leer, eigentlich inexistent. Das Gemeinsame geht uns in körperlicher Form voraus.” 

#Toni Negri: Interview mit Angela Melitopoulos and Nils Röller#
In einer Rezension des "Handbuchs" in der Zeitschrift Marabo bedauert der Verfasser, daß in dem von uns mitzuverantwortenden Opus das Internet als Raum für Kommunikationsguerilla nur eine marginale Rolle spiele. 
"Don't believe the hype" lautet die Zwischenüberschrift an jener Stelle im Handbuch, an der das Internet explizit im Kontext neuer Möglichkeiten und Chancen von Gegenöffentlichkeit thematisiert wird. 
#In der Version 2.0 des Bewegungsle(e/h)re-Textes findet sich eine etwas ausführlichere Beschäftigung hiermit. Vgl. Nettime (Hg.): Netzkritik. Materialien zur Internet-Debatte. Berlin 1997, S. 177-185 oder http://www.contrast.org/kg/ # 
Das Internet als Medium für Kommunikationsguerilla-Aktionen ist jedoch kein Thema. Hierfür gibt es eine Reihe von Gründen. Unsere erste Annäherung erfolgte zunächst über die Inhalte des Netzes . Das Handbuch der KG wäre ohne das Internet anders ausgefallen. Auf viele Themen wären wir ohne das Netz nicht gestoßen. Auch wenn das Handbuch alles andere als vollständig ist und zahlreiche im Netz agierende Gruppen darin nicht vorkommen, wurden viele Themen des Buchs erst über das Netz zugänglich. Vor diesem Hintergrund ist unseren Zugang zum Internet charakterisierbar. 
Die weitere Annäherung erfolgte ganz pragmatisch über die Indienstnahme der technischen Möglichkeiten bei der Überwindung weiter Strecken per E-Mail. Diese Kommunikationsform ermöglichte die Mitarbeit einiger über die Bundesrepublik und Europa verstreuter Autorinnen. Mittels E-Mail war ein intensiver und kontinuierlicher Kontakt und Austausch von Texten möglich. Wir haben hierüber zumindest einen Teil des Projektes konzipiert, diskutiert und redigiert. 
Inzwischen möchten wir für unsere im politischen Aktivitäten, aber auch generell für persönliche Kontakte, die Möglichkeiten, die das Internet bietet, nicht mehr missen. 
Eine weitere Nutzungsweise ist unsere Homepage, die gleichzeitig als Archiv der Kommunikationsguerilla fungiert. 
# http://www.contrast.org/kg/indexc4.htm #
De facto war und ist das Netz für viele "Culture Jammer" und Kommunikationsguerilleras eben genau das: ein Ort der Selbstdarstellung, ein Speicher, weniger ein Ort für Aktionen. 

Vor dem Hintergrund unserer Kritik an (linken) technizistischen Kommunikationsmodellen, wollen wir im folgenden zum einen den aktuellen Diskurs über das Netz diskutieren, der häufig nicht dem überwiegenden Nutzerverhalten im Netz gerecht wird, sondern eher der Definitionsmacht diskursiv erfahrener Netzgurus entspringt. Zum anderen wollen wir unser eigenes Interesse am Internet artikulieren. Nämlich daran, inwiefern sich über das Netz neue kollektive Handlungsmöglichkeiten schaffen lassen sowie welche Hinweise auf die spezifischen Handlungsbedingungen die bisherige Praxis von Kommunikationsguerilla ergibt. Wichtig erscheint uns in diesem Zusammenhang der jeweils vorausgesetzte Kommunikationsbegriff der verschiedenen (subkulturellen und hegemonialen) Varianten des Internethypes. Für die konkrete Kommunikationsguerillapraxis sind wiederum die Machtstrukturen sowie die jeweiligen Nutzungsweisen des Netzes von Bedeutung. 
 

Kommunikationsguerilla ist die Entwendung von Codes 

Kommunikationsguerilla ist politische Militanz. Sie unterscheidet sich insofern von der herkömmlichen Militanz, daß sie die Codes von Macht und Herrschaft nicht einfach zerstört, sondern zu entstellen versucht und ihnen damit ihre Wirksamkeit nehmen soll. Ziel der Kommunikationsguerilla ist also nicht die Unterbrechung eines Kommunikationskanals, sondern die Entwendung und Entstellung der in ihm transportierten Botschaften. 
Kommunikationsguerilla ist eine bestimmte Form der politischen Kommunikation, die Aussagen nicht in erster Linie im Klartext zu transportieren versucht, wie etwa Flugblätter, Demo-Parolen, Transparente das in der Regel tun. Dies ist zugleich eine inhaltliche Festlegung. Denn unser Ansatz geht davon aus, daß es nicht nur darauf ankommt, welche Inhalte transportiert werden, sondern daß eben diese Form, in der kommuniziert wird, selbst auch inhaltliche Aussagen trifft 
Kommunikationsguerilla setzt in der politischen Auseinandersetzung bei den Subjekten an. Sie versteht die herrschenden Verhältnisse nicht nur als eine quasi von oben oder von außen auferlegte Form der Kontrolle, sondern beschäftigt sich damit, wie Machtstrukturen in die Subjekte selbst eingeschrieben sind. 
Das Ziel von Kommunikationsguerilla ist es, Machtverhältnisse und Herrschaft zu delegitimieren, die als normal und unabänderlich erscheinen. Dazu gehört auch, sie überhaupt erst wahrzunehmen in der Vielfältigkeit ihrer Strukturen und Erscheinungsformen. Kommunikationsguerilla ist darauf ausgerichtet, sowohl normalisierte Machtstrukturen in den gesellschaftlichen Kommunikationsformen als auch internalisierte Machtstrukturen auf der Ebene der Subjekte anzugehen. Dies soll durch das Herstellen von Situationen erreicht werden, in denen wenigstens für kurze Momente erfahrbar wird, daß alles auch ganz anders sein könnte. Es geht dabei um eine das Bestehende und Normale zersetzende Intervention, die zunächst einmal die Räume dafür öffnen soll, daß Alternativen zu herrschenden Normen und Werten wieder denkbar werden. 
 

Kommunikationsguerilla ist nicht Medienguerilla

Ungeachtet der marginalen Rolle, die das Internet im Handbuch spielt, hat die Idee der Kommunikationsguerilla offensichtlich gerade in der Netzszene eine recht große Resonanz erfahren. Das überrascht nur auf den ersten Blick. Denn wir entwickeln unser Verständnis von Kommunikation nicht anhand eines technischen Apparat, sprich Mediums. Kommunikationsguerilla ist also nicht Medienguerilla. Kommunikationsguerilla ist vielmehr eine Form politischer Kommunikation, die einerseits eine subversive Haltung und Energie voraussetzt. Andererseits bedarf es eines Gespürs für den Inhalt der Formen von Kommunikationsakten, also der Inszenierung der symbolischen Ordnung (In diesem Zusammenhang wird wiederum die jeweilig spezifische Form verschiedener Medien interessant). Kommunikationsguerilla ist somit eine Methode der politischen Aktion, die entweder mittels direkter (face-to-face) oder mittels indirekter Kommunikation (Medien) durchgeführt werden kann und soll. 
 

Orte und Räume für Kommunikationsguerilla

Ansatzpunkte für Kommunikationsguerilla finden sich in öffentlichen Räumen, in denen auf der symbolischen und kulturellen Ebene Macht verhandelt und reproduziert wird. Zum einen meint das den konkrete öffentliche Raum, der Stadt- und Straßenraum. Zum anderen ist dies der mediale Raum, der sich durch eine Einbahnstraßen-Kommunikation (one-to-many) auszeichnet. Hier sind die Machtverhältnisse klar sichtbar, die einen haben die Möglichkeit, mediale Themen und die Art und Weise ihrer Behandlung zu bestimmen. Die anderen können ihre Meinung höchstens durch Abstimmung mit den Füßen, oder besser gesagt, mit der Fernbedienung kundtun, d.h. indem sie ihren Fernseher oder ihr Radio ausschalten. Ein hiervon abgeleiteter, aber teilweise prinzipiell anders strukturierter dritte Raum, ist der virtuelle Raum. Mit den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien ergeben sich gegenwärtig qualitativ neue interaktive Kommunikationsmöglichkeiten. Gleichzeitig befördert diese Situation eine Auseinandersetzung darüber, was Kommunikation eigentlich ist, wie sie funktioniert und wie ihre Form und ihr Inhalt zusammenhängen. Beide Aspekte erklären das Interesse in Netzkreisen an der Kommunikationsguerilla. 
 

Netzdiskurse: Hype, Hyper, Hypermarché? 

Die von B. Brecht erträumte und mit dem Internet jetzt realisierbare Kommunikationsform many-to-many (weltweit und sofort) ist eine grundlegend neue Möglichkeit der Vernetzung und des Austauschs. Das ist unbestritten und das macht auch einen Teil dessen aus, was uns am Internet interessiert. Eine ganz andere Frage aber ist, welche Rolle diese technischen Neuerungen von Kommunikation und die Formen der Nutzung in den aktuellen Diskursen über das Netz spielen. Daher unterscheiden wir zwischen den Netzdiskursen und den konkreten Nutzungsweisen. 
Für die derzeitigen Diskurse über das Internet lassen sich zwei Bereiche unterscheiden, die wir etwas verkürzend den hegemonialen und den subkulturellen Diskurs nennen wollen. Verkürzend ist dies deshalb, weil der subkulturelle Diskurs von Anfang an nicht als losgelöster Gegendiskurs funktionierte, wie dies Theoretiker der 70er Jahre (Dick Hebdidge) als Prämisse für die Definition von Subkultur beschrieben haben. Vielmehr diente gerade in bezug auf das Internet der subkulturelle Diskurs von Anfang an der Aufwertung des hegemonialen Diskurses und orientierte sich zugleich an den neoliberalen Ideologien wie der "kalifornischen Ideologie". Sie zeichnet sich ja bekanntermaßen dadurch aus, daß subkulturelle Weltbilder der Hippiezeit mit liberalen Konzepten verschmolzen wurden. 
#Barbrook, Richard/Cameron, Andy: Die kalifornische Ideologie. In: Nettime (Hg.): Netzkritik, S. 15-37.#
Dennoch macht diese – zugegebenermaßen künstliche –Trennung für die Analyse Sinn. Denn für eine genauere Beurteilung der Entwicklungen, ist es nicht unerheblich, wer was und mit welchem Interesse formuliert. Der Netzhype ist zwar das Ergebnis beider Diskurse, doch erscheint es sinnvoll, die unterschiedlichen Interessen getrennt zu betrachten. 
Der hegemoniale Diskurs über das Internet ist zunächst Ausdruck der Interessen von Politik und Wirtschaft. Er läßt sich in Schlüsselbegriffen "Informationsgesellschaft" und "Datenautobahn" zusammenfassen. In seiner Perspektive definiert die über ihn vorgegebene technische Nutz/er-Anweisung den Netzgebrauch als Form und Mittel zur Bildung und Information sowie zum Handel und zur Kommunikation. Dahinter steht wiederum ein quantifizierender und technizistischer Kommunikationsbegriff, der seine euphorische Erwartungen an das Netz aus der Annahme bezieht, allein die Zugänglichkeit zu Informationen bestimme die gesellschaftliche Entwicklung. Das Bild der Datenautobahn reduziert das Internet allerdings auf Geschwindigkeit und Distributionsweg. 

Der gegenwärtig, vor allem von den Medien und den Hard- und Softwareherstellern diverser Informations- und Kommunikationstechnologien, inszenierte Internethype behauptet, das Netz böte vorwiegend Chancen und der neue virtuelle Raum ermögliche Freiheit von allem was uns fessele (Klassenschranken, körperliche oder ethnische Grenzen), in dem alles bisher Dagewesene nun überwunden, überschritten, transzendiert werden könne. 
Selbst in der Negation des Informations-Overkills infolge der Explosion des Datenaufkommens verschleiert das wohlfeile Gerede von der Informationsgesellschaft das entscheidendere Problem bürgerlich-repräsentativer Demokratien. Daß nämlich diese Fakten und Informationen keine Folgen haben. Für Kritikerinnen der kapitalistischen Produktionsweise besteht jedoch keine Veranlassung, hinter dieser Form der Netzbegeisterung ein Aufbrechen von sozialen Ausgrenzungsmechanismen zu vermuten. Wenn hier eine Demokratisierung aufgrund der Zugänglichkeit von Informationen behauptet wird, escheint Vorsicht angebracht. Denn dieser Mythos bricht spätestens beim Versuch des Überschreitens der nach wie vor bestehenden Demarkationslinie zum "Real Life" in sich zusammen. Die Demokratisierung von Wissen bedeutet nicht automatisch eine Demokratisierung der Gesellschaftsstrukturen. Hier besteht weder ein zwangsläufiger noch ein kausaler Zusammenhang. Denn es es entspricht überhaupt nicht den gesellschaftlichen Gegebenheit, daß sich ein möglicherweise freierer Verkehr und Austausch auch im "Real Life" fortsetzen wird. Dies läßt sich besonders deutlich an der Tatsache zeigen, daß der freie Fluß von Warenströmen – und auch Informationen sind in dieser Definition Waren – nicht gleichzeitig einen freien Fluß des Personenverkehrs über nationale Grenzen hinweg nach sich zieht. Der hegemoniale Diskurs ist eng verbunden mit der Vorstellung offener Grenzen (derselbe ist nicht zufällig ein amerikanischer Mythos, dem Land der ersten Landnahme). Je geschlossener diese Grenzen für reale Personen tatsächlich sind, um so nötiger bedarf es der Kompensation im Virtuellen Raum. Der hegemoniale Diskurs bedient eher die Aufstiegshoffnungen der diversen Mittelklassen, als daß er die gesellschaftliche Entwicklung abbilden kann. 

# Auf dem PC als "Signum der begüterten Mittelschicht", hat Theodore Roszak schon vergleichsweise früh (1986) hingewiesen. Roszak, Theodore: Der Verlust des Denkens. Über die Mythen des Computer- Zeitalters..München 1986, S. 252 u. 248.#
Der Rede von der Informationsgesellschaft, die so trendy daherkommt, bezieht sich darüber hinaus auf relativ altbackene Kommunikationsvorstellungen. Die hier zugrundeliegenden Annahmen sind nicht so neu, wir ihre sprachliche Verpackung unterstellen könnte. Die theoretische Auseinandersetzung mit den Bedingungen der Rezeption von aufklärerischer Information seit den 20er Jahren findet sich in diesem Diskurs nicht einmal im Ansatz wieder. Die Macht und der Zugang über Information ist zwar in vielen Fällen tatsächlich ein Herrschaftsinstrument. Ungeachtet dessen ist in spätkapitalistischen Gesellschaften damit, die Wahrheit ungehindert verbreiten zu können, noch nicht viel gewonnen. Denn selbst wenn Wissen über Mißstände, Skandale und Ungerechtigkeiten veröffentlicht werden, bleibt das zumeist folgenlos. Sowohl im Hinblick auf die strukturellen gesellschaftlichen Ursachen, wie auch im Hinblick auf diejenigen, die allein diese Bedingungen verändern könnten. Dafür gibt es gute Gründe. Vielfach fehlt schlicht das Interesse, einen Sachverhalt überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Ebenso entscheidend ist darüber hinaus, daß Wissen und Information erst in dann Folgen haben, wenn die Informierten eine Möglichkeit sehen, dieses Wissen in konkretes soziales und politisches Handeln umzusetzen. Die Folgenlosigkeit von Information und Wissen, gehört dann vielleicht auch zu den stärksten Integrationsmomenten der herrschenden Ordnung. Die Abtrennung von Ökonomie und Politik in der bürgerlichen repräsentativen Demokratie und das Privateigentum an Produktionsmittel ist eine wesentliche Voraussetzung hierfür. 
Für den subkulturellen Diskurs unterscheiden wir in einen im herkömmlichen Sinne politisch am Ziel der herrschaftsfreien Gesellschaft orientierten und einen vergleichsweise spielerischen, auf Identitätsverschiebungen rekurrierenden "avantgardistischen" Diskurs, wobei hier ebenfalls Überschneidungen und Verknüpfungen bestehen. 
Für die (klassische) Linke ist ein eher kulturpessimistisches Verhältnis zum Internet charakteristisch (sie wenden den auf Identitätsverschiebungen positiv rekurrierenden Diskurs ins negative). Diejenigen unter ihnen, die sich positiv auf das Kommunikationsmedium Netz beziehen, legen dann häufig einen auf das Stichwort Information verkürzten Kommunikationsbegriff zugrunde. Ihre Vorstellungen von Kommunikation weisen bislang kaum über diejenigen Konzepte hinaus, die auch jenen linken Vorstellungen von politischer Massenkommunikation zugrundeliegen, die für die alten Medien entwickelt wurden. 
Traditionelle linke Politik verläßt sich häufig vor allem auf die Überzeugungskraft rationaler Aufklärung. Das Vertrauen darauf, daß die bloße Vermittlung solcher Inhalte eine wirksame Form politischen Handelns darstellt, ist schwer zu erschüttern. Kritische Inhalte sollten und sollen das Netz manipulierender Botschaften zerreißen, mit dem die Medien das Bewußtsein der Massen beeinflussen. Das Hauptproblem ist die Annahme, wer die Sender besitze, der könne das Denken der Menschen kontrollieren. Die Manipulationsthese entspricht einem sehr einfachen Kommunikationsmodell, das nur den – im Falle der Massenkommunikation zentral und industriell organisierten – 'Sender', den 'Kanal’, auf dem die Information transportiert wird, und deren 'Empfänger' betrachtet, sprich eine lineare Kommunikationskette (Sender/Quelle >– Kanal –< Empfänger) annimmt. Andere Faktoren des Kommunikationsprozesses spielen in einem solchen Modell allenfalls eine untergeordnete Rolle 
Während sich der Kommunikationsbegriff des hegemonialen wie auch der politisch-subkulturelle Diskurs unter dem Stichwort Information und Bildung zusammenzufassen lassen, geht es bei den subkulturellen Avantgarde-Diskursen vor allen Dingen um Kommunikation als identitätsstiftendes Moment. Zentrale Begriffe sind Verflüssigung, Auflösung und Vervielfältigung von Identitäten. Ebenso wichtig ist jedoch die Bildung virtueller Gemeinschaften von 'Netizens', die sich letztlich auf eine aus dem Netz erwachsende soziale Praxis bezieht. Allerdings sind die Bezugsgrößen für die Identitätsbilder der Netzkulturen zumeist nicht die sozialen Bedingungen im 'Real Life', sondern Utopien, die vor allen Dingen aus dem Kontext der Science Fiction und Rückbezügen auf pagane und vorchristliche Mythen stammen. 
 Vgl. etwa Roszak, T.: Der Verlust des Denkens, S. 201, der die Bedeutung solcher Mythen bereits für die siebziger Jahre konstatiert.
Interessant erscheint uns in diesem Zusammenhang die Frage, worin der Reiz der Vorstellung liegt, sich vom materiellen Körper loszulösen und nur noch als virtuelle Identität zu existieren (s.u.). Die Frage, wie der Zugang zu virtuellen Welten die Vorstellung von Mensch-Sein verändert, ist nicht nebensächlich. Wesentliche Stichworte lauten hier Entkörperlichung und Virtualisierung von Identitäten. Dieser Diskurs ist bereits im vollen Gange, doch ist zu hinterfragen, ob hier nicht eine (falsche) Virtualisierung des Sozialen stattfindet. 
Zum ersten ist der Vorstellung von der Virtualisierung von Subjekten eine vergleichsweise junge Form von politischem Aktivismus entgegenzusetzen, die der Identity Politics. Offensichtlich erfolgt parallel zu der vielbeschworenen Auflösung von Identitäten im Netz eine neuartige Selbstdarstellung gerade über die Selbstverortung in Gruppen, die eben nicht durch ihre Vielgesichtigkeit gekennzeichnet sind, sondern mit einem Bekenntnis zu einer Identität zugespitzt werden. 
#Hall, Stuart: Rassismus und kulturelle Identität. Ausgewählte Schriften 2, Hamburg 1994. #
Außerdem fragen wir uns, wieso derlei Virtualisierung im Netzdiskurs als neue, positive Qualität gefeiert wird. Virtuelle Erotik etwa gab es schon vor dem Netz; Telefonsex beispielsweise ist schon länger üblich und beruht bereits schon ein Stück weit auf der Loslösung vom Körperkontakt (Die wesentliche Neuerung ist doch wohl eher der beschleunigte Distributionskanal für Pornographie). Neu ist allerdings, daß solche Formen nicht mehr als defizitär wahrgenommen werden, sondern als Fortschritt. Für Geert Lovink ist die Utopie, die Welt durch eine Simulation ersetzen zu können, ebenso naiv wie totalitär: "Und wenn dem so wäre, dann müßte man sich möglichst bald dagegen wehren, weil die Digitalität doch nur ein ganz dünner Abklatsch von dem ist, was das Leben einfach beinhaltet." 
# Der kurze Sommer des Internet. Ein Gespräch mit Geert: Lovink. Von David Link und Leander Scholz für NZZ, Amsterdam 1996. Vgl. http://thing.at/texte/loovink.html/#
Beruht diese Neubewertung tatsächlich auf einer neu aufkommenden sozialen Praxis, oder gehört sie nicht eher zu jener Auseinandersetzung um gesellschaftliche Leitbilder? Und ist das wirklich ein Zufall, daß eine solcher Diskurs gerade in Zeiten der Auseinandersetzung um Gentechnologien, eine solche Bedeutung erlangt? In jedem Fall beide stellen Diskurse nicht keineswegs eine Analyse der derzeitigen (technischen) Nutzungsmöglichkeiten oder gar des konkreten Nutzerverhaltens dar.

Machtstrukturen, Partizipation und Re-Deregulierung

Das Ziel von Kommunikationsguerilla ist es, Macht zu dekonstruieren, Macht sichtbar zu machen. Der Netzhype macht Macht im Internet jedoch unsichtbar. Der in den "alten" Medien als auch in den neuen Medien vorherrschende Diskurs ist ein neoliberaler, der eins ums andere Mal Freiheit allein mit Abwesenheit von staatlicher Regulierung gleichsetzt. Die ökonomisch vermittelten Machtstrukturen werden auf diese Weise geleugnet und für irrelevant erklärt. Unser Anliegen ist daran zu erinnern, daß Demokratisierung nicht eine Frage der Technologie, sondern allenfalls einer der sozialen Organisation dieser Technologie sein kann. 

Es ist im Grunde genommen banal, daß die Freiheit, das Netz zu nutzen, nicht für alle gilt, und daß es Zugangsbeschränkungen gibt, die das Ergebnis unterschiedlicher gesellschaftlicher Teilhabemöglichkeiten sind. Aber angesichts des hegemonialen Diskurses über die grenzenlosen Möglichkeiten des Internets, erscheint es angebracht, gelegentlich, daran zu erinnern. 
Für die derzeitige Situation läßt sich so viel sagen: Die Art, in der sich solche unterschiedlichen Zugangsmöglichkeiten im Netz äußern, ist gleichzeitig anachronistisch und modern: Anachronistisch insofern, als es ebenso wie im 19. Jahrhundert kulturell und ökonomisch vermittelte Ausschlußkriterien gibt. Einen harten Ausschluß von der Wissensvermittlung ergab sich zumeist über fehlende ökonomische Ressourcen. Dazu kommt eine weitere Form des Ausschlusses, die wir als weichen Ausschluß bezeichnen. Wer die Kulturtechnik des Lesens nicht beherrschte und darüber hinaus keinen Zugang zu Büchern oder Bibliotheken hatte, blieb vom Wissen ausgeschlossen. Auch heute gibt es noch diese Form von Zugangsbeschränkungen (Medienkompetenz). Ein harter Ausschluß besteht insofern, als nicht allen der Zugang zu Computern und zu dem notwendigen Know-How offensteht. Das Wissen, das nötig ist, um im Netz zu kommunizieren, geht aber über die reine Zugänglichkeit zu Geräten und über die Technikbeherrschung hinaus. Zusätzlich sind Codes, Sprachen, Kommunikationsformen zu erlernen, ohne die man aus vielen Netzcommunities ausgeschlossen bleibt. Das ist keineswegs eine neue Form des Ausschlusses, sondern gilt ebenso für klassische Face-to-Face-Gruppen. 
Somit ist die Netzcommunity letztlich kein virtueller Raum für alle, sondern erscheint vor allen Dingen ein Aufenthaltsort für diejenigen, die die Soziologen als "aufstiegsorentierte Mittelschichten” definieren. 
Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Rückwirkungen des Internets auf das "Real Life", in denen Machtstrukturen und Abhängigkeitsverhältnisse eine besonders wichtige Rolle spielen: Heimarbeit, Vereinzelung am Arbeitsplatz, neue Formen der Arbeit und die Entstehung eines neuen Proletariats, nach Toni Negri auch “soziales Proletariat”, oder, intellektueller, mentaler Arbeiter, oder nach Franco "Bifo" Berardi, ein "cognitariat”. 
Etwas überraschend ist darüber hinaus, wie wenig vermittelt die Euphorie und die Befürchtungen hinsichtlich der Schaffung und der Rationalisierung von Arbeitsplätzen, in der gewerkschaftlichen und sozialdemokratischen Arbeiterbewegung nebeneinander stehen. Schließlich hilft einem die ganze "Informationsgesellschaft" nichts, wenn die Möglichkeit zum Verkauf seiner Arbeitskraft nicht gegeben wird, gleichzeitig aber die Verteilung der erwirtschafteten Ressourcen nicht unabhängig davon erfolgt. 
Neue Formen der Ausbeutung und Selbstausbeutung stehen auf der Tagesordnung, die von den Ausgebeuteten als solche oft noch gar nicht wahrgenommen werden. Ein nicht ganz zufälliges Phänomen ist ferner, daß diejenigen, die in der "Real World" in einflußreichen Positionen sitzen, zumeist gar nicht selbst im Netz verkehren müssen. Wer Macht hat, läßt surfen oder läßt seine Briefe durch die von der Sekretärin abgeschickte Mail als "attachment" anhängen. 
Es ist doch schlicht Unfug, anzunehmen, daß sich überhaupt eine gleichberechtige Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien unter kapitalistischen Verhältnissen organisieren läßt. In diesem Diskurs wird soziale Ungleichheit hinsichtlich ihrer Ursache und der Remedur gleichermaßen virtualisiert. 

Andererseits werden über den Begriff "Informationsgesellschaft" die Ursachen von sozialer Ungleichheit fälschlicherweise als Folge von Informationsmangel und nicht aufgrund der unterschiedlichen Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel dargestellt. 

#Das gilt auch für die den Begriff "Cybersociety", den Achim Bühl anstelle von "Informationsgesellschaft" verwendet, dann aber ganz ähnliche Annahmen in seine Argumentation einfließen läßt: "Im Unterschied zur klassischen Industriegesellschaft finden Produktion, Distribution und Kommunikation weitgehend im virtuellen Raum statt, der an die Stelle des Realen tritt." Bühl, Achim: Cybersociety. Mythos und Realität der Informationsgesellschaft. Köln 1996.#
Die Information trägt doch nur insofern zur Wertschöpfung bei, als sie beispielsweise die Netze passieren kann, die der Telekom oder den Stromversorgungsunternehmen gehören. Es kam doch bisher auch niemand auf die Idee, aus der Tatsache, daß Werkzeug und Blaumann im Baumarkt zu erschwinglichen Preisen käuflich sind, zu schließen, daß über diese Verfügungsmöglichkeit der ungleiche Zugang zu den Ressourcen keine Rolle mehr spiele. Zur Wertschöpfung bedarf es nach wie vor der Produktionsmittel, damit die Ware Information gewinnbringend verkauft werden kann. Wer über die nicht verfügt, bleibt im "Cognitariat". Microsofts Macht ergibt sich doch nicht aus der Tatsache, daß diese Company ein besonders gutes Programm auf den Markt geworfen hat. Microsofts Macht ist das Ergebnis von Eigentumsverhältnissen, ökonomischer Dominanz und einer gesellschaftlichen Struktur, die diese per Patentamt schützt und qua staatlicher Gewalt durchsetzt. 

Allerdings – und daß ist das spannende, und in dieser Hinsicht trifft die Rede von der Freiheit im Internet einigermaßen zu –, ist das Netz gegenwärtig noch nicht staatlich vollkommen re-dereguliert. Doch wir meinen, daß sich dies nicht aus der technischen Struktur es Netzes erklärt, sondern daraus, daß in diesem relativ jungen Medium noch eine Wildwest- &Pioniersituation besteht. 
Tatsächlich herrscht im Netz noch eine Art Geschenkökonomie vor, die warenförmigen Beziehungen und Vermarktungsinteressen entgegensteht. "Das Internet in seiner jetzigen Struktur ist für virtuelle Märke nach Ansicht von Wirtschafts- und Informatikexperten wenig geeignet. Völlig unstrukturiert und ständig wachsend erschwert es ihr Entstehen und behindert das Wechselspiel von Angebot und Nachfrage", berichtet etwa das im Würzburger Vogel Verlag erscheinende Industriemagazin "MM - Maschinenmarkt". 

Die Mehrzahl der Nutzerinnen ist derzeit nicht bereit, für Netzangebote zu bezahlen. Ein erster Schritt der Firmen ist nun, ebenfalls kostenlose Angebote zu machen, um andere (z.B. Netzfreaks) Anbieter mit ihrer ökonomischen Kraft, Professionalität und Effizienz aus dem Rennen zu werfen oder ihre Bedeutung zu minimieren. Ist auf diese Weise der Markt bereinigt, wird als nächster Schritt der Versuch der vollständigen Kommerzialisierung anstehen. 
Sobald einmal der Cyberspace dominiert und re-dereguliert ist, hört der ganze Hokuspokus vom freien Fluß der Informationen sowieso auf. Gegenwärtig besteht nur das Problem, daß sich angesichts der neuen Technologien der Stand der Produktivkräfte die Produktionsverhältnisse mal wieder überholt hat. Nationalstaatliche Regulierungsversuche erscheinen anachronistisch. Der Jurist Alexander Rossnagel diagnostiziert messerscharf:  "Der Staat kann nur da eingreifen, wo die immaterielle Welt des Netzes in die bürgerliche Welt übergeht. Er kann Täter festnehmen, Geräte und Datenträger beschlagnahmen, wenn diese sich körperlich in seinem Herrschaftsbereich befinden. Er kann die Befolgung seiner Gesetze erzwingen, wo er seine Zwangsgewalt körperlich ausüben kann, In der körperlosen Netzwelt aber ist er weitgehend machtlos. In ihr hat der Staat keine Zwangsmittel, kein Gewaltmonopol und keine Souveränität." 
# Rossnagel, Alexander: Sozialraum Internet. In: Spektrum der Wissenschaft. Dossier 1/1998: Die Welt im Internet, S. 63-66. S. 65.# 
Insofern besteht im Netz derzeit noch ein großes Maß an Freizügigkeit und virtuellen Bewegungsmöglichkeiten. Mit dem Bedeutungszuwachs des Internets werden auch die Versuche spürbarer, das Netz administrativ in den Griff zu bekommen. Re-deregulierung ist angesagt. So ganz ernst meinen es die Anhänger des freien Marktes wohl doch nicht, mit dem neoliberalen Glaubenssatz, daß alles gut werde, wenn sich der Staat nur heraushalte. Wohl nicht zuletzt deshalb, wird das Internet in den Medien und in der Politik als Hort von Kriminalität und organisiertem Verbrechen angeprangert. Dies erscheint uns in erster Linie als ein Versuch, das Netz zu kontrollieren und beherrschbar zu machen, aber nicht als eine taugliche Beschreibung. . 
#Ein offenbar sozial-liberaler Jurist wie A. Rossnagel sieht dieses Unterfangen als letztlich technologisch aussichtslos an. Er fordert angesichts zahlreicher Sicherheitsprobleme den Übergang von einer Erfüllungsverantwortung des Staates, die nicht mehr möglich ist, zu einer Strukturverantwortung. Demnach habe der Staat seinen Bürger die Möglichkeiten zum Selbstschutz (sprich Verschlüsselungstechniken) zu bieten Rossnagel, A.: Sozialraum Internet, S. 65f.# 
Der Versuch der Kontrolle des Internets geschieht also einmal von außen. Die Repressalien gegen den niederländischen Server "xs4all", der die homepages der "Radikal" beheimatet, sprechen eine deutliche Sprache, ebenso das Vorgehen der finnischen Justiz gegen anonymisierende Re-Mailer, die die Absenderangaben austauschen. Diese Beispiele zeigen aber auch, daß in bezug auf das Internet die Macht des Nationalstaates keineswegs bereits gebrochen ist. 
Aber auch im Netz selbst entspricht das Gefühl des freien Umherschweifens nicht den tatsächlichen Verhältnissen. Nie war es für den Staat oder die Wirtschaft (technisch) leichter, ein Persönlichkeitsprofil zu erstellen. Einfach downloaden, hinterhersurfen und fertig. 
#Rossnagel, Alexander: Sozialraum Internet, S. 65f. Die taz (23.10.1997) berichtet von einem Gutachten des "Internet Medienrates", woraus deutlich werde, daß, wenn sie wollen, Internetprovider "jedes einzelne bit ihrer Kunden ausspionieren" können.# 
Die explosionsartige Zunahme an Servern ist zwar eine Chance und vor allem der derzeitigen "Goldgräber"-Stimmung zu verdanken. Doch die zunehmende Verrechtlichung ist absehbar. Vieles bei der Beantwortung der Frage nach den Machtverhältnissen im Netz wird davon abhängen. ob es gelingt, eine vielfältige und dezentrale Serverlandschaft zu erhalten: "Damit möglichst wenige zentrale Organe entstehen, die über das Ganze entscheiden, muß die Vernetzung im realen Raum weiter vorangetrieben werden." 
# Der kurze Sommer des Internet. Ein Gespräch mit Geert: Lovink. http://thing.at/texte/loovink.html/# 
Vieles wird auch davon bestimmt werden, ob es den bisherigen "großen Kommunikatoren" von Medieninhalten gelingt, den Schritt zurück, von interaktiven many-to-many Pull- zu passiven Pushmedien ( = WWW) zu erzwingen, sprich die Initiative und Kontrolle wieder zu erlangen. 
Wohl nicht zuletzt deshalb, wird es in den Medien und in der Politik als Hort von Kriminalität und organisiertem Verbrechen angeprangert. Dies erscheint uns in erster Linie als ein Versuch, das Netz zu kontrollieren und beherrschbar zu machen, und nicht als eine annähernd richtige Beschreibung. 

Nutzungsformen und kollektives Handeln 

Zunächst möchten wir einige Sätze zur Frage der Rezeption von Netzinhalten (Fakten, Informationen etc. hauptsächlich aus dem WWW) vorausschicken, weil unserer Meinung nach alle Netzdiskurse sich letztlich nur fragmentarisch oder überhaupt nicht mit den derzeit vorherrschenden Rezeptionsweisen der Nutzerinnen auseinandersetzen bzw. zwischen den verschiedenen Internet-Diensten differenziert. Dies gilt sowohl für jenen subkulturellen Diskurs, der sich auf die klassischen Gegenöffentlichkeitskonzepte bezieht, wie auch auf die visionären Zukunftsbildern des hegemonialen Diskures. Es sind nun nicht genau dieselben Bedingungen wie in den "alten Medien", unter denen im Internet kommuniziert wird. Doch in bezug auf die Wirkung und Rezeption von Inhalten, unterscheiden sich die Bedingungen jedenfalls nicht so, daß von einem Paradigmenwechsel gesprochen werden kann. 
Der Sinn einer übermittelten Botschaft ist in herkömmlichen Medien ebenso wie im Netz durch die Art und Weise (mit)bestimmt, in der Informationen interpretiert werden. Es ist ein hermeneutischer Allgemeinplatz, daß Verstehen nur vor dem Hintergrund von Erfahrung erfolgen kann. Im Kontext unterschiedlicher Alltagserfahrungen der Rezipientinnen ist Mehrdeutigkeit in der Massenkommunikation allgegenwärtig. Die Informationen werden von Menschen aufgenommen, die sich in sehr unterschiedlichen Situationen befinden und die die übermittelten Informationen sehr differenziert interpretieren können. Erst das Zusammenspiel zwischen dem Adressaten einer Botschaft, der Situation, in der kommuniziert wird und der Interpretation eines entsprechenden Codes bestimmt, wie die Botschaft gelesen wird. 
Die Medienkonsumentin ist in einer solchen Betrachtungsweise nicht einfach ein ‘freies Individuum’. Wenn wir im folgenden stattdessen von ‘Subjekten’ reden, dann sind bei diesem Begriff kulturelle und gesellschaftliche Einflüsse mitgemeint. Ein so verstandenes Subjekt ist ‘fragmentiert’, denn die in verschiedenen sozialen Zusammenhängen gemachten Erfahrungen sind meist widersprüchlich. Widersprüchlich ist auch die Art und Weise, in der die Subjekte mit diesen Erfahrungen umgehen, sie interpretieren und in Bedeutungssysteme einordnen. 
Aus dem Spannungsverhältnis von übermittelter Information, früheren Erfahrungen und den in einer gegebenen Situation verwendeten Interpretationsweisen entsteht der subjektiv konstruierte 'Text'. Die Rezeption beinhaltet einen Prozeß, in dessen Verlauf Bedeutungen konstruiert werden. Zudem werden in der Regel bestimmte Interpretationen bevorzugt, die gesellschaftlich mehr oder weniger naheliegen und als 'normal’ empfunden werden. Zugleich wiederholt sich dadurch diese 'Normalität' in einer Endlosschleife, die nur schwer zu durchbrechen ist. 
Das Internet bringt nicht eine oder die Nutzungsform hervor, sondern ist polymorph in seiner Anwendung. Unendlich viele Nutzungsweisen können parallel stattfinden. Gleichzeitig erlangen einige von ihnen dadurch Hegemonie, daß sie im Netzdiskurs verhandelt werden; andere hingegen werden oder erscheinen subaltern durch ihre Nichtbeachtung im "Real Life". 
Einerseits läßt sich sagen, daß die Nutzungsweisen und die Selbsteinschätzung als 'Netizens' von den Diskursen geprägt werden. 
Andererseits sieht der Gebrauch des Internets der meisten Surfer häufig anders aus, als es die Diskurse vermuten ließen. Viele verfolgen eigensinnige Nutzungsweisen und finden Spiele und Bilder spannender als Weiterbildung und Vernetzung. Hierher gehört auch das hohe Maß an Selbstreferentialität (technische Informationen über und Programme für die Netznutzung selbst), wie das eine Studie zum Nutzerinnenverhalten aus dem Frankfurter Institut für Sozialforschung belegt. 
#Vgl. Institut für Sozialforschung# 
Die Netzjunkies, die in in Printmedien und Fernsehen gerne bestaunt werden, machen darüber hinaus den kleinsten Teil der Netzgemeinde aus. Auch die Nutzerinnen von Chatlines bilden nach wie vor nur eine relativ kleine Gemeinde. 
Eine Inaugenscheinnahme des World Wide Web zeigt zudem, daß die meisten inhaltlichen Netzangebote auf das Real Life zurückverweisen. Auf den Fanpages für Popgruppen werden Begegnungen mit den Stars vor der Backstagetüre geschildert. Viele Chatlines organisieren Treffen im physischen Raum, die wissenschaftlichen Mailinglists sind voll von Tagungsangeboten im Real Life, und das zeigt, daß eine reine Netzkommunikation ohne Rückbindung an reale Personen nach wie vor als defizitär empfunden wird. Derzeit wird hauptsächlich versucht, bekannte Nutzungsweisen "alter" und bekannter Medien auf das Netz zu übertragen. Vermutlich wird sich eine hegemoniale Gebrauchsweise in den nächsten Jahren herausbilden. Dann läßt sich vielleicht auch die Frage nach den spezifischen Formen von Kommunikationsguerilla im Netz weniger spekulative beantworten. 
#Sadie Planf glaubt, daß schon die Anarchie des Internets subversiv sei. So käme es vor allem darauf an, nicht mehr nur alte Medienformate in neue Formate übersetzt würden, ohne die Inhalte zu verändern. Wenn es gelänge, die (wohl noch zu entwickelnden) spezifische Arbeitsweise des Netzes zu entwickeln, dann sei das schon ein Schritt in die richtige Richtung (taz, 27.3. 1997)# 
Vor diesem Hintergrund geht es nun darum, auszuloten, welche Perspektiven für gesellschaftsveränderndes Handeln sich aus den Nutzungsweisen und den Diskursen über das Internet ergeben. Dabei finden wir hauptsächlich zwei Perspektiven vor. Beide Definitionen beinhalten für uns eine wichtige Momente, auch wenn sie sich auf den ersten Blick auszuschließen scheinen: 
  • Das Netz für sich genommen ist nichts als ein Haufen von Computern und Leitungen. Erst durch die Nutzungsweisen, die sich aus den technischen Möglichkeiten ergeben, erlangt es Formen und Bedeutungen. 
  • "The internet is the message" (frei nach Marshall McLuhan). Hierzu gibt es zwei Lesarten, die beide ihre Richtigkeit haben. Die eine besteht darin, daß schon die technische Form bestimmt, in welcher Weise kommuniziert werden kann. Die andere legt den Schwerpunkt eher darauf, welchen gesellschaftlichen Stellenwert dieses Medium hat und wie dieser die Kulturelle Grammatik und damit die Interpretation der vermittelten Sachverhalte prägt. Allein die Tatsache, daß jemand im Internet agiert, konstituiert seine Bedeutung bereits unabhängig von den dort kommunizierten Inhalten. 
#Vgl. a. Berliner Zeitung, 27.4. 1996, in der der Berliner Innensenator Schönbohm das Zusammenziehen von Polizisten aus dem Bundesgebiet anlässlich des bevorstehenden 1. Mai damit rechtfertigt, eigens gefragt wird, ob im Internet zur geplanten Demonstration mobilisiert wird: "Wir haben Hinweise darauf, daß über das Internet und andere Kanäle versucht wird, die linke Szene zu mobilisieren und nach Berlin zu holen."# 
Die potentiell bessere und schnellere Verfügbarkeit von Wissen ist nun in der Tat eine der größten Errungenschaften im Internet; ebenso die Schaffung statusfreierer Räume. Letzteres zeigt sich beispielsweise auf Mailinglisten, in denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer miteinander in einer sehr informellen und direkten Weise kommunizieren, auch wenn sie im Real Life durch eine ganze Menge von Statusbarrieren getrennt sind. Wobei allerdings noch genauer zu untersuchen wäre, ob das nicht wie in den akademischen Listen nicht hauptsächlich für die Unterschiede zwischen unteren und mittleren Ebenen gilt. C4-Lehrstuhlinhaber sind bisher jedenfalls nur in Ausnahmefällen präsent. 
Im (subkulturellen?) Diskurs über Netzkultur wird versucht, diese Normalität zu überschreiten und die Fragmentiertheit der Subjekte in den Mittelpunkt zu rücken. Zahlreiche höchst unterschiedliche Netzidentitäten können demnach von einer einzigen Person geschaffen und genutzt werden. 
Hier findet vor allem eine Glorifizierung von Individualisierung statt. Individualisierung als Ideologie bedeutet gleichzeitig Entpolitisierung, denn für eine relevante politische Handlungsfähigkeit bedarf es kollektiver Vorgehensweisen. Unser Ansatz ist demgegenüber zu fragen, welche Chancen überindidviduelle Verhaltensweisen, kollektive Normen und Werten über das Internet gefördert werden können. Hierfür sind die technischen Möglichkeiten für sich genommen noch nicht viel wert. Die uns interessierende Frage lautet, welche Nutzungsweisen kollektives und solidarisches Handeln unterstützen. 
Es besteht zudem die Gefahr, weil Rede und Gegenrede vom Körper getrennt erfolgen können, daß auch eine Virtualisierung des Widerstandes oder Verbalradikalisierung eintritt. Widerstand – und das ist der Vorzug des alten Militanzkonzeptes - ist unabdingbar auch mit der individuellen und kollektiven Entschlossenheit verknüpft, sich den herrschenden Verhältnissen entgegenzustellen. Das kann Folgen haben. Wenn aber eine Widerstandstradition entstünde, die nicht mehr mit den Folgen des eigenen Sprechens konfrontiert würde, so mag das einigen die Zunge lösen, bloß ist die Frage, wer die Rede dann noch materiell vertritt,und außerhalb des Netzes versucht, durchzusetzen. Daher kann es nicht unser Ziel sein, eine für diese Netz-Medien spezifische Widerstandsform zu entwickeln. 
"Autonomie findet sich nicht nur im Internet, es braucht auch physikalischen Raum und Nähe. Autonomie existiert nicht nur auf der Ebene von Vorstellung, Phantasie und in der Welt der Bilder. Autonomie muß alles sein: sie betrifft das ganze Sein und das wurzelt immer noch in der Erde und bedarf einer Physis, Materialität, eines Körpers, der Sterblichkeit und all dessen, was der unechten Unsterblichkeit im Cyberspace entgegensteht." 
#Hakim Bey: Temporäre Echtzeit. Drei Gespräche. In:Nettime (Hg.): Netzkritik. Materialien zur Internet-Debatte. Berlin 1997, S. 60-70.# 
Das Internet interessiert uns insbesondere da, wo die dort entwickelten Aktivitäten auf das Real Life zurückverweisen. Schon dieses Anliegen macht deutlich, daß unsere Kritik am Internet-Hype keiner kulturpessimistischen Ablehnung das Wort redet. Und damit sind wir wieder bei unserer Ausgangsfrage, nämlich der nach den politischen Möglichkeiten des Netzes. Und damit meinen wir klassisch politisches Handeln ebenso wie Kommunikationsguerilla. 
Wie bereits angedeutet, sehen wir im Netz die Chance, neue Formen kollektiven Handelns zu schaffen. Kollektiv muß unter den bestehenden Bedingungen nicht gleichgesetzt werden mit vereinsähnlichen oder parteiartigen, festen Strukturen. Mit den neuen Kommunikationsmöglichkeiten verändern sich auch kollektive Strukturen. Sie können aus Netzwerken bestehen, die gemeinsame Ziele verfolgen und sich gegenseitig unterstützen, vielleicht auch nur immer wieder punktuell zusammenarbeiten. 
Der entscheidende Punkt ist für uns also nicht, was sich alles aus der Real World ins Netz hineinverlegen läßt, sondern vielmehr, ob sich die dort unter Umständen leichter zu knüpfenden Netzwerke als soziale Zusammenhänge auch im Real Life materialisieren lassen. Wir sind auf der Suche nach der neuen Qualität der sozialen Zusammenhänge, nach “Links” statt nach verbindlichen Vereinsstatuten. Wir vermuten beweglichere, informellere und mehr an Zielsetzungen orientierte Kollektive im Gegensatz zu auf eine gemeinsame Identität ausgerichtete Gruppenbildungen. 
Das Netz stellt in jedem Fall eine Erweiterung der Kommunikationsweisen dar. Es macht das Leben im Real Life aber nicht obsolet; Visionen, die das Netzleben gegen ihr körperliches Leben eintauschen wollen, müssen sich die Frage gefallen lassen, was daran wünschbar sein soll, anstatt einer Erweiterung ein Ersetzen einer Möglichkeit gegen eine andere zum Ideal zu erheben. 
 

Kommunikationsguerilla, Internet, Widerstand … 

Die Phantasien über Widerstand, die im Internet vorherrschen, gelten nicht der Kommunikationsguerilla, sondern dem Hacken. Bislang herrschen im Netz Sabotageakte vor, die auf die Unterbrechung des Kommunikationskanals ausgerichtet sind, seien es Viren oder das Jammen und Zu-müllen von Accounts in Form von Mailbomben oder gar das Abschießen ganzer Server. 
Uns interessieren jedoch weniger Aktionen, die auf den Communication Breakdown zielen, sondern jene Möglichkeiten der Subversion, die entstehen, wenn die Codes von Macht und Herrschaft nicht zerstört, sondern entstellt werden.Wir haben prinzipiell gegen das Hacken nicht viel einzuwenden. Doch wir sind mehr auf der Suche nach Aktionsformen, an denen potentiell viele teilhaben können. Ein möglicher Grund für diese Selbstbeschränkung liegt unseres Erachtens in dem eher anhaltendenn technizistischen Verständnis des Mediums durch seine Nutzer. Es gibt darüber hinaus kaum eine Hackerkultur, der es um etwas mehr geht, als um das Aufdecken von Sicherheitslücken (so etwa der Chaos Computer Club zumindest in seinem öffentlichen Auftreten), sprich wir haben kaum wirklich dissidente oder im herrschenden Sinne kriminelle Energie vorgefunden. 
#Vgl demgegenüber die Darstellung von Roszak, gemäß dem die "Guerilla-Hacker" von der Westküste Ende der 60er Jahre aus den Reihen der Vietnamkriegsgegner stammten und sich von der Technikervariante unterschieden, die unpolitisch und kaufmännisch ungeschickt gewesen sei. Sie hätten es vermocht, dem Computer ein vollkommen verändertes Image und eine politische Ausrichtung zu geben. (Roszak 1986, 203f.)# 
Wer sich aber das Politikverständnis der Kommunikationsguerilla zu eigen gemacht hat und wer die Kulturelle Grammatik analysiert, kann in jedem in jedem öffentlichen Raum Aktionen durchführen. Wer sich mit der Kulturellen Grammatik beschäftigt, wird in unterschiedlichen gesellschaftlichen Kontexten feststellen, wie sie Macht und Herrschaft legitimiert. Das passiert auf dem Wiener Opernball genauso wie im Internet. All das, was wir für die "alten" Medien und den physischen Raum formuliert haben, gilt in den Grundzügen auch für das Internet. Allerdings gibt es jeweils spezifische Bedingungen der verschiedenen Orte und Räume, die wiederum differenzierte Vorgehensweisen nahelegen. 
Der Bezugsrahmen für Kommunikationsguerilla-Aktionen sind 
  1. die Versuche des Staates, das Netz zu regulieren, 
  2. die Versuche der Industrie, das Netz ökonomisch zu kontrollieren, und 
  3. der Netzdiskurs über Freiheit und Abenteuer, die kalifornische Ideologie. 
Hier kommt es darauf an, auf vielen Ebenen und differenziert ein- und anzugreifen. Das Problem, das wir sehen, ist vor allem das des technischen Knows How, das für Kommunikationsguerilla-Aktionen im Internet nötig ist. Für das Fake eines amtlichen Schreiben im "Real Life" reicht es gewöhnlich aus, sich den Orginalbriefkopf zu besorgen, und dann einen guten Kopierer zu benutzen. Der Vertriebsweg ist zumeist ein manueller über die Briefkästen eines Stadtviertels. Für eine ähnliche Aktion im Internet muß man wissen, wie der Absender zu verbergen ist, oder wie das sind Kidnappen oder Faken einer Internetseite funktioniert. Hierfür bilden fast schon wieder Hackerfähigkeiten die Voraussetzung. Aber immerhin: Im Internet erscheint es ohnehin beinahe unmöglich, die wahre Urheberschaft eines Textes oder Bildes herauszufinden. 
Inzwischen gibt es laut "Spiegel" (38/1997) offensichtlich hunderte von Unternehmen, die sich auf das Sammeln von "Celebrities" (Paparazzi-Photos) verstehen (sie klauen sie aus der Boulevardpresse der gesamten Welt zusammen). Es war eh nur noch eine Frage der Zeit, wann die ersten digital hergestellten Nacktphotos von Prominenten im Netz auftauchen würden. Wo nämlich keine echen Bilder zu haben sind, werden sie inzwischen mehr oder wenig gut gefakt. 
 
 

In gewisser Hinsicht bietet für bestimmte Sorten von Fakes das Internet derzeit sehr gute Ausgangsbedingungen, weil es bestimmte Rückversicherungsmöglichkeiten der face-to-face-Kommunikation nicht gibt, bzw. andere Formen noch nicht entwickelt wurden. 
Im Netz wie im Real Life ist das Fake eine sehr sinnvolle Sache, wenn zuvor bedacht wurde, welche Eigentore und Ausschlüsse damit befördert werden können. Unter Bezugnahme auf die gegenwärtige Kyrpto-Regulierung wäre bspw. zu überlegen, ob nicht massenhaft Mails verschickt werden könnten, in denen die Nutzerinnen auf-gefordert werden, gegenüber einem Ministerium oder einer Polizeibehörde eidesstattlich zu erklären, daß sie kein PGP benutzen. 

Das hätte folgende Konsequenzen. Da zumindest in der Bundesrepublik entsprechende Überlegungen real auf der Tagesordnung stehen, würden die Userinnen ge-zwungen, sich mit diesen Kontrollbestrebungen auseinanderzusetzen. Zum zweiten würden die Lines der entsprechenden Behörden gejammt. Zum dritten würden die im Netz entstehenden Diskussionen auf die alten Medien zurückwirken. 

Im Netz selbst ist derzeit eine ausgesprochen bewegliche Guerillataktik notwendig, da sich die Verhältnisse durch die fortschreitende technische Entwicklung, wie auch durch die laufende Verrechtlichung laufend ändern. Bis vor kurzem wäre der Kauf einer Homepageadresse des politischen Gegners noch ein probates Mittel gewesen. Man stelle sich vor, Greenpeace hätte über die Adresse von SHELL verfügt, und dort einige Seiten mit Bohrtürmen & öligen Ufern Subvertising, sprich Werbung für SHELL gemacht. Das wohl bekannteste Beispiel einer gefakten Website war wohl Windows95.com, unter der sich nicht etwa fröhlich aufbereitetes Werbematerial von Microsoft befand, sondern eine Nonsens-Seite, die alles zu bieten hatte, nur eines nicht: Infos über Windows95. Allerdings würden Kommunikationsguerillas hier nicht Nonsense präsentieren, sondern entweder Aufklärung über Microsoft, "die Wahrheit" über das Scheißbetriebssystem Windows95 oder eine Liste der Fehler des Programm, vielleicht auch falsche technische Hinweise geben. 

#Wer sich für Fake-Aktionen in den Netzen interessiert, die sich eher gegen Dominanz suchende Unternehmen richten als gegen herumlavierende Politiker, der ist mit der Hacker-Site http://www.2600.com/bestens bedient. Hier finden sich gehackte Seiten der NASA, des CIA, des US-Justizministeriums, der US-Airforce, der britsche Labour wie der Conservative Party, des Pelzmantelherstellers Kriegsman Fur etc.# 
 

Die netzspezifische Variante der Camouflage dürfte das Kidnappen von Homepages sein. So gelang es einem Konkurrenten der Firma InterNic, die die sogenannten Domainadressen im Internet vergibt, deren Homepage zu kidnappen. Das heißt, alle Besucher der InterNic-Seite gelangten automatisch auf die Seite der von AlterNic, die als alternative Vergabestelle für sogenannte Top Level Domains firmiert (taz, 31.7. 1997). 

# In der Zeitschrift c't 10/1997, S. 142 wurde inzwischen auch ein Programm namens Juggernaut  vorgestellt, mit dem sogenannte telnet-Verbindungen selbst von Laien entführt werden können sollen.# 

In den Zusammenhang mit der Camouflage gehört die Veränderung der Absenderadresse, das Spoofing, das ursprünglich ein alter Hackertrick war, und zumeist dazu benützt wird, mit SPAM die Leute zu belästigen. Inzwischen gibt es aber ein Programm, das Laien ermöglicht, die Abesnderadresse zu verändern. 

#vgl. PC Magazin 7/1997. # 

Eine besondere Variante erscheint die Möglichkeit, bestimmte Begriffe in seine eigene Homepage aufzunehmen, die von anderen gesucht werden. Daher gibt es bereits Prozesse darüber, daß Firmen den Namen des direkten Konkurrenten in ihrer Homepage haben, so daß wenn ein User genau diese Firma sucht, auch die Page des Konkurrenten auftaucht. 

#Vgl. c't 1/1998, S. 25.# 
Eine solche Praxis ist politisierbar. Wer immer Informationen über den politischen Gegner loswerden will, kann dessen Bezeichnung in seiner Homepage entsprechend massiv aufführen. So läßt sich tatsächlich die Möglichkeit von Gegenöffentlichkeit herstellen. Schließlich garantieren die heutigen Suchmaschinen keineswegs, daß wer sucht, auch immer das Gewollte findet. Und es ist schließlich ist die Vision nicht ganz unattraktiv, eine ausführlichere Biographie des SS-Mitgliedes und Nazi-Schlächters Hans-Martin Schleyer zunächst einmal ganz unscheinbar daherkommen zu lassen (Dies bleibt zunächst natürlich eine potentielle Möglichkeit, denn niemand ist . 

Andere Möglichkeiten sehen wir in sogenannten wandernden Webpages, die helfen Zensur und nationalstaatliche Repression zu umgehen. Das ist aber klassische Guerillataktik: Sich bei übermächtigem Druck zurückzuziehen und da zurückzuschlagen, wo man stark ist. 

Einen weiteren Anknüpfungspunkt für Kommunikationsguerilla besteht darin, nicht oder nicht hauptsächlich im Netz zu agieren, sondern den Nachrichtenwert auszunutzen, den der Internethype in den "alten" Medien besitzt. Die Tatsache, daß für Chaostage im Internet ein Aufruf oder eine Homepage auftaucht, vermittelt offenbar den Eindruck ganz besonderer Gefährlichkeit. Ein Verweis auf das Internet garantiert gegenwärtig Verruchtheit, Bedeutung und Wichtigkeit. 

#Vgl. die vielfältigen Bemühungen des Cannibal Home Channel und seines Nachrichtenchefs "Machimba" besonders blutrünstige Nachrichten über die Chaostage in Hannover oder anläßlich der Love Parade in Berlin zu erfinden und zu verbreiten: http://www.jaqqua.com/# 
 
 
 
 backback to the index of channel 4back^2back to the main index
emailfeedback via email