Von StefanMz, 17. Juni 2007, 12:23 Uhr

Schon länger angekündigt, ist es nun soweit: Die Beiträge zum umstrittenen Thema »Universalgüter« sind online. Warum umstritten?

Mit der Einführung des neuen Begriffes des Universalguts wird die These vertreten, dass diese besondere Güterart grundsätzlich »wertlos« sei — unabhängig davon, ob das Universalgut in privatisierter oder freier Form vorliegt. In Bezug auf ihre Wertlosigkeit unterscheidet sich etwa die Freie Software damit nicht von der proprietären. Beide können einen Preis haben, und wenn sich jemand findet, der den Preis zahlt, dann ist der Tausch wertmäßig nicht äquivalent.

Damit hat die »traditionelle Betriebswirtschaft« ein Problem, weil sie nicht zwischen »Wert« und »Preis« unterscheidet und für sie letztlich nur zählt, was lokal gesehen »hinten bei raus kommt«. Damit hat aber auch die »traditionelle Marxistik« ein Problem, weil sie zwar zwischen »Wert« und »Preis« unterscheiden kann, aber für sie all jene Arbeit Wert schöpft, die entlohnt verausgabt wird und dabei Bezahlgüter herstellt. Die praktischen Konsequenzen sind bei den drei Positionen ziemlich verschieden, wie man sich leicht vorstellen kann.

Ok, soviel zur Einführung, hier nun die Quellen:

  1. In der Kolumne »Immaterial World«, die ich regelmäßig für die Wiener Zeitschrift »Streifzüge« schreibe, habe ich die wesentlichen Thesen des Artikels »Vom Wert des Wissens« von Ernst Lohoff, erscheint im Juli in krisis 31, zusammengefasst. Ernst Lohoff ist der eigentliche Begründer der Universalgüterthese. In der Kolumne gebe ich jedoch nur die Thesen selbst, nicht jedoch die Begründung wieder.
    =>Artikel: »Universalgüter. Informationsgüter als genuin gesellschaftliche Güter«
  2. Im Heft 31 der krisis, in dem Lohoffs Grundlagenartikel steht, erscheint auch mein Artikel »Der Kampf um die Warenform«. Hier wende ich Lohoffs Argumentation an und systematisiere die Güterklassen, mit denen wir es im Kapitalismus zu tun haben. Ferner untersuche ich linke Knappheitskritiken in Bezug auf ihre Haltbarkeit. Dieser Artikel ist vorab online zu lesen (Absprache mit dem Verlag). Lohoffs Artikel muss noch eine Weile künstlich knapp bleiben, genau, wegen der Warenform.
    =>Artikel: »Der Kampf um die Warenform. Wie Knappheit bei Universalgütern hergestellt wird«
  3. Wer mag, kann sich auch ein zweiteiliges Radiofeature anhören, das Peter Bußfeld für die Sendung »Bessser leben! Das arbeitskritische Magazin« zusammengestellt hat. Grundlage ist ein Vortrag von mir zum Thema der Universalgüter, den ich im März in Hiddinghausen gehalten habe.
    =>Erste Sendung: »Universalgüter: Der Kapitalismus entwertet sich selbst«, Teil 1 (MP3, 25 MB).
    =>Zweite Sendung: Dito, Teil 2 (MP3, 25 MB)

Ich würde mich freuen, wenn eine sachliche und genaue Diskussion gelänge. Na gut, wer’s polemisch braucht, muss das halt tun, kann aber nicht unbedingt mit einer Antwort rechnen. Diskutieren können wir sowohl im Keimform-Blog wie auch bei open theory — das ist mir egal.

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Bisher 9 Kommentare zum Artikel

  1. Kommentar von benni

    Eine Frage: Wo passen Virnos Virtuositäten da rein? Es geht um Sachen wie Service, Performance, Kunst, Dienstleistung. Also Dinge, die nicht wirklich ein “Gut” erzeugen ob universell oder nicht. Es geht um Arbeit, die ein Publikum erfordert und kein Produkt erzeugt. Näheres hier: Virtuosität und Immaterialität

    Auch Software gehört im Grunde da zu einem großen Teil mit rein…

  2. Kommentar von StefanMz

    @Benni: Traditionell werden solche Aktivitäten, bei denen Produktion und Konsum zusammenfallen, Dienstleistungen genannt. Mir ist nicht klar, inwieweit sich Virtuosität davon unterscheidet. Dass Virtuosität keinen Wert erzeugt, ist eine Setzung (oder?). Für Dienstleistungen gilt das jedenfalls nicht generell. Dienstleistungen werden im Warenform-Text nur einmal wegen der Systhematik in Absatz 4 erwähnt, dann nicht mehr. Die werden also hier nicht betrachtet.

    Assoziativ: Virtuosität im emphatischen Sinne hat für mich mit Selbstentfaltung zu tun: Je unbeschränkter die Entfaltung, desto ausgeprägter die Virtuosität. Verwertete Virtuosität hingegen beisst sich (auf Dauer) mit Selbstentfaltung. Also auch wenn ich ein Schulungsvirtuose bin, kann mir der kommerzielle Schulungsbetrieb den letzten Nerv rauben.

  3. Kommentar von benni

    Ah, ich hatte bei obigem Kommentar nur den Streifzüge-Artikel gelesen. Den langen hab ich grad erst durch.

    Das Verhältnis zwischen Dienstleistung und Virtuosität ist mir nicht ganz klar (Bei Virno stand glaub ich nix dazu). Offensichtlich gibt es Dienstleistungen, die nicht virtuos sind, weil sie nicht der Anwesenheit eines Publikums bedürfen. Und natürlich gibt es virtuose Tätigkeiten, die keine Dienstleistungen sind, weil sie nicht wertförmig sind (oder gibt es nicht wertförmige Dienstleistungen? Das erscheint mir absurd).

    Warum ist das wichtig? Weil das was Du unter “Universalgüter” verhandelst, eben nur zum Teil diesen Aspekt der beliebigen Kopierbarkeit hat sondern mindestens so sehr immer wieder hergestellt werde muss. Nimm als Beispiel Wikipedia: Wenn da zwei Wochen lang niemand drübergucken würde wäre es nur noch Infomüll. Das gilt genauso für Software oder Musik. Du nennst das mit Marx “moralische Abnutzung” (oder so ähnlich, ich finde die Stelle gerade nicht) und hältst es deswegen für vernachlässigbar (oder erweckst zumindestens bei mir diesen Eindruck). Ich würde umgekehrt diese Bereiche betonen, weil sie schon jetzt zeigen, dass globale freie Kooperation (oder wie man das jetzt nennen mag) funktioniert — unabhängig vom Fetisch digitale Kopie. Nimm mal als Reihe Freie Software –> Wikiepdia –> Couchsurfing. Von mal zu mal nimmt die Bedeutung der Kopie ab. Ist das nicht der Pfad, den die Keimformen gehen müssen?

    So oder so: Danke für die Texte, gutes Futter, ich bin schon auf Christians und Sabines Antwort gespannt.

  4. Kommentar von benni

    Noch was zum grundsätzlichen Ansatz “Universalgüter”. Für mich bleibt das grad noch ziemlich dunkel. Wenn ich es recht verstanden habe geht der Streit drum, ob nun digital kopierte Güter “Wertsubstanz” haben, oder nicht. Zunächst mal ne Rückfrage: Diese ominöse Substanz ist doch nix anderes als geronnene abstrakte Arbeit, oder?

  5. Kommentar von StefanMz

    @Benni, Kommentar #3:

    … weil das was Du unter “Universalgüter” verhandelst, eben nur zum Teil diesen Aspekt der beliebigen Kopierbarkeit hat sondern mindestens so sehr immer wieder hergestellt werde muss. … unabhängig vom Fetisch digitale Kopie … Von mal zu mal nimmt die Bedeutung der Kopie ab. Ist das nicht der Pfad, den die Keimformen gehen müssen?

    Sehr interessanter Gedanke! Ich muss sagen, dass ich das so explizit nicht gedacht habe, weil mich zunächst mal die innere Widerspüchlichkeit der Verwertungslogik im Falle von Universalgütern beschäftigt hat. Den “Fetisch digitale Kopie” möchte ich nicht bedienen, denn die Argumente zu Universalgütern gelten auch für die Wissenschaft generell. Also nicht die digitale Kopie als solche macht das Universalgut aus, sondern die soziale Form der Herstellung. Also: Universalgüter gibt’s schon länger, aber ihre Bedeutung ist erst mit der dritten industriellen Revolution (und dazu gehört die digitale Algorithmusmaschine) extrem gewachsen. Der Kapitalismus kommt damit nicht klar, weil nun Güter, die vorher konventionell hergestellt wurden, nun Universalgut-Charakter annehmen und also auch gesellschaftlich und damit wertlos produziert werden können.

    Dieser Widerspruch schafft noch nichts Neues. Deswegen geht deine Bemerkung in die gleiche Richtung, die ich auch sonst versuche zu betonen: Das Entscheidende ist die neue Produktionsweise und nicht die Art der Produkte. Dazu zählt auch die Pflege und Weiterentwicklung der Produkte. Vgl. dazu auch meine Antwort auf Maikes Kommentar, insbesondere Abs. 26.1.5.

  6. Kommentar von StefanMz

    @Benni #4:

    Diese ominöse Substanz ist doch nix anderes als geronnene abstrakte Arbeit, oder?

    Nur unter bestimmten Bedingungen. Darf ich dich hierhin verweisen (zufällig ergoogelt, erster Teil zur Wertsubstanz): http://www.trend.infopartisan.net/trd0500/t010500.html

    Zitat: “Der Wert drückt … ein in den Waren verkörpertes gesellschaftliches Verhältnis der Warenproduzenten aus. Es handelt sich deshalb nicht -wie bei der konkreten Arbeit um eine im Gebrauchswert verkörperte materielle, natürliche Substanz, sondern um eine gesellschaftliche Substanz. Die Wertsubstanz tritt dann auf, wenn die Arbeit als gesellschaftliche Arbeit privater Produzenten geleistet wird.”

    Wert ist ein gesellschaftliches Verhältnis, wenn Güter zunächst isoliert produziert, dann ausgetauscht und im Tausch bzgl. der Wertsubstanz verglichen werden. Werden Dinge von vornherein gesellschaftlich produziert, dann bilden diese kein “zusätzliches” gesellschaftliches Verhältnis, weil sie ja schon gesellschaftlich sind. Daher sind gesellschaftliche Güter wertlos. Trotzdem werden sie ja hergestellt, auch gegen Bezahlung. Dieser Aufwand wird “allgemeine Arbeit” genannt. Allgemeine Arbeit erzeugt im Unterschied zu abstrakter Arbeit keine Wertsubstanz, sie produziert jedoch Voraussetzungen für die Produktion von Wertsubstanz.

  7. Kommentar von Christian Siefkes

    @Stefan:

    Werden Dinge von vornherein gesellschaftlich produziert, dann bilden diese kein “zusätzliches” gesellschaftliches Verhältnis, weil sie ja schon gesellschaftlich sind. Daher sind gesellschaftliche Güter wertlos. Trotzdem werden sie ja hergestellt, auch gegen Bezahlung. Dieser Aufwand wird “allgemeine Arbeit” genannt.

    Dem stimme ich natürlich zu.

    Aber was unterscheidet die Art, wie innerhalb von Microsoft die Arbeitsteilung organisiert wird, von der Art, wie das innerhalb eines x-beliebigen anderen kapitalistischen Unternehmens, sagen wir einer Bäckerei, passiert? Inwiefern wird MS Windows “von vornherein gesellschaftlich produziert”, die Brötchen dagegen nicht?

    (Das ist nicht polemisch gemeint - ich frage, weil mir dieser Unterschied, den es dir zufolge ja geben muss, nach wie vor schlicht nicht klar ist.)

  8. Kommentar von StefanMz

    @Christian:

    Inwiefern wird MS Windows “von vornherein gesellschaftlich produziert”, die Brötchen dagegen nicht?

    Die Antwort ist nicht einfach und nicht kurz. Ich habe deswegen einen neuen Blogeintrag geschrieben.

  9. Pingback von keimform.de » Gorz über Universalgüter

    […] dieser Stelle möchte ich die Diskussion zum Beitrag »Universalgüter« mit Christian fortsetzen, der fragt: »Inwiefern wird MS Windows “von vornherein gesellschaftlich […]

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