Pharmaindustrie - Kapital im Dienste der Menschheit



Unter den industriellen Unternehmungen beansprucht die pharmazeutische Industrie einen herausgehobenen Platz. Mit ihren hiesigen Umsatzzahlen und Exporterfolgen ist sie ein Musterstück westdeutscher Kapitalakkumulation, bekräftigt in ihrer Selbstdarstellung ihren alten Ruf als ,,Apotheke der Welt" und bebildert dies gerne mit zahlreichen Wohltaten an der Menschheit vom letzten von den Pocken geheilten Pakistani bis hin zum von Masern verschonten Säugling.

Es wird ihr vorgeworfen, sie produziere zu viel , überflüssige Chemie", die in den Augen der Kritiker eine ,,natürliche Heilung eher behindere, und betreibe eine , Verführung zum zu schnellen Pillenschlucken", der der gestreßte Normalmensch nur zu leicht erliege. Darüber hinaus wird ihr angelastet, in mancher Hinsicht ,,skrupellos" zu handeln, da ihr Angebot eines pharmakologisch geglätteten und verdaulicher gemachten Lebens mit oft verschwiegenen, erheblichen Gefahren für die Pillenkonsumenten verbunden sei. Zur aktuellen Bebilderung eines solchen Standpunktes dienen die Arzneimittelskandale, bei denen immer mal wieder ein Medikament wegen zu vieler Toter aus dem Handel gezogen wird. ,,Bittere Pillen" sollen dies dann gewesen sein, mit denen die Industrie zugunsten ihres Geschäfts ihre ,,eigentliche Aufgabe" verraten habe, die ihr mahnend angetragen wird, weil sie mit Produktion und Verkauf ihrer Produkte an der Pflege der Volksgesundheit beteiligt ist.

Es ist dies derselbe moralisierende Maßstab, wie ihn die Pharmaindustrie in ihrer werbeträchtigen Leistungsschau unterstellt, der an diesen Industriezweig kritisch angelegt wird - für Herstellung und Vertrieb von Medikamenten gilt eine besondere Mission, diese Industrie trägt Verantwortung aufgrund der Ware, mit der sie handelt.

Ein Geschäft wie jedes andere

Dabei unterscheidet sich die Herstellung chemisch-pharmazeutischer Artikel in keinem Punkt von anderen industriellen Produktionen. Sie ist geschäftsmäßige Warenproduktion, bei der es wie bei jedem anderen Geschäft ausschließlich auf den Überschuß über den Kapitalvorschuß ankommt. Die Gebrauchswerte, die produziert werden, sind Geschäftsartikel und kommen - auch das ist marktwirtschaftlicher Regelfall - auf die Welt um des Erlöses willen, den ihr Produzent einstreicht. Das Geschäft, das betrieben wird, heißt Kapitalverwertung. Die Pillen, die es produziert, sind nicht ,,bitter", sondern das Ergebnis dessen, daß die Marktwirtschaft Großver- braucher der Gesundheit von jedermann ist, der sich in ihr umtreibt als Arbeitskraft oder Privatmensch. Das Leben in ihr bringt bei Arbeitern und Angestellten jeder Branche massenhaft verschlissene Bandscheiben hervor, schafft auf Grund von allerlei Schadstoffen chronisch gereizte und zerstörte Schleimhäute, sorgt durch tägliche Daueranspannung für auf ungesunde Höhen fixierte Blutdrucke etc. Krankheiten, die mit dem Titel >>Zivilisationskrankheiten" versehen, im kapitalistischen Alltag fest verankert sind, bilden die Grundlage einer stetigen Medikamentennachfrage zur geschäftsmäßigen Benutzung durch die Pharmaindustrie. Diese produziert und vermarktet all die Mittelchen, die es den Leuten erlauben, es trotz des beständigen Angriffs auf ihre Gesundheit in dieser Gesellschaft auszuhalten und ihren Anforderungen in Beruf oder Privatleben nachzukommen. Dies geschieht solange, bis die bekannten Volkskrankheiten jeweils an den Betroffenen zu ihrer vollen Entfaltung gebracht sind, so daß dann ein durchschnittliches Rentnerdasein zu großen Teilen ausschließlich in der Pflege der, sich dann ,,Alterskrankheiten" nennenden Gebrechen besteht. Ob die Leute nun die angebotenen Medikamente aller Sorten und Stärken mit einer Bereitschaft schlucken, die manchem als ,,Sucht" erscheint, oder ob sie diese aus Prinzip nur ,,im äußersten Fall" anwenden wollen,jedesmal greifen sie dabei zu einem für das bürgerliche Leben notwendigen Lebensmittel, das einen Bedarf befriedigt, der sich, in welchem Umfang auch immer, mit der Zeit bei jedermann herausbildet. Die Pharmaindustrie, für die jedes Gebrechen ein Angebot an Umsatz und Gewinn bedeutet, verfügt deshalb in der Pflege der ,,Zivilisationskrankheiten" über eine solide Grundlage für ein dauerhaftes und umfangreiches Geschäft.

Pillen fürs Aushalten - dämpfen, blocken, hemmen

Um das ausgedehnte Potential von Geschäftschancen in bezug auf solche Krankheiten in jedem Stadium ausschöpfen zu können, betreiben die Pharmakapitale einen beträchtlichen Aufwand an Forschung und Entwicklung. Die Anforderungen an ein dafür taugliches Medikament sind mit der Funktion, die dieses bei der Behandlung der gängigen Krankheitsbilder zu erfüllen hat, vorgegeben. Entsprechend ist die Vielzahl verschieden wirkender oder angreifender Pharmaka für jede mögliche Sorte von ,,Indikation" kein Wunder, geschweige denn sind sie ,,nutzlos", wie behauptet wird, weil sie augenscheinlich keine Heilung bringen. Die unterschiedlichen Wirkungen, die die Pharmaka haben, entsprechen durchaus dem gegebenen Bedürfnis der Konsumenten und. deren medizinischer Betreuer. Sie machen nämlich in der Regel die erlittene Schädigung aushaltbar. Daß eine Arthrose oder sog. degenerative Erkrankung dabei ebensowenig wie eine Coronarsklerose mehr zu beseitigen sind, tut dem medizinischen Erfolg keinen Abbruch, besteht sein Nutzen doch gerade darin, die Krankheiten erträglich zu machen. Vielleicht kann der jeweilige Mensch dann weiterleben wie bisher, um sich erneut den schädigenden Umständen auszusetzen. Dieser Gebrauchswert der Pharmaka zeigt sich sehr anschaulich an den wesentlichen Wirkprinzipien der meistgebrauchten Medikamente: Als Betablocker hemmen sie die Erregbarkeit des Herzens, so daß die Anstrengung weitergehen kann, ohne daß sich dies sofort an Herz und Blutdruck bemerkbar macht; H2-Blocker vollbringen dasselbe am Magen, so daß der Ärger und die Anspannung ohne ständigen ,Druckschmerz im Epigastrium" oder das Wiederaufflackern eines Geschwürs abläuft, Psychopharmaka schaffen das Durchhalten in nervenaufreibenden ,Situationen" durch ,,psychovegetative En tkopplung' und Antiphlogistika und Antirheumatika hemmen den schmerzhaften und unbeweglichmachenden Entzündungsprozeß angeschlagener Gelenke und Weichteile etc.

Viel Forschung und Entwicklung - für den Kampf gegen die Konkurrenz

Mit der Entdeckung und Entwicklung solch potenter Wirkstoffe ist die Aufgabe pharmazeutischer Forschungsabteilungen nicht hinreichend erledigt. Das entsprechende Wissen über natürliche oder synthetisierte Stoffe wird erstellt, um dieses in Konkurrenz zu gleichartigen oder ähnlich gelagerten Bemühungen anderer Firmen in ein profitheckendes Produkt zu verwandeln. Und da geht es darum, der Konkurrenz zuvorzukommen, eine bestimmte Formel als erster zu schaffen, solche Arbeiten tunlichst geheim zu halten oder ihr mit einer gänzlichen Neuentwicklung gegenüber zu treten. Schließlich hat der Staat mit der von ihm garantierten Rechtsform des Patents ein Angebot an die einschlägigen Kapitale in die Welt gesetzt, welches per Gesetz ermöglicht, das von ihnen geschaffene Wissen als geistiges Eigentum auf Zeit, hinter dem die gewinnträchtige monopolisierte Vermarktung eines Arzneimittels winkt, zu behandeln. Von daher entwickelt sich eine Pharmaforschung, die erstens auf so ziemlich jedes Gebrechen eine Antwort in Tablettenform anbietet, und gleichzeitig kommt in der ganzen Forscherei ein Kriterium ins Spiel, vor dem sich manche geleistete Arbeit blamiert: Die Resultate firmeneigenen Forschungsdranges mögen als solche durchaus brauchbar sein; wenn andere schneller waren und auf demselben Feld früher das Ziel gesetzlichen Patentschutzes erreichten, dienen sie keinem Geschäftserfolg und müssen sich im nachhinein bescheinigen lassen, daß sie als gänzlich unnütz vergeudete Anstrengung abzubuchen sind.

Das Ideal pharmazeutischen Forschergeistes

ist es, bei der medikamentösen Behandlung einer maßgeblichen Volksseuche wie Diabetes, Bluthochdruck oder Rheuma - die naturgemäß einen riesigen Markt bedingen - ein entscheidendes Therapieprinzip mit einem neuen Wirkstoff entwickeln und auf dem Markt durchsetzen zu können. Bis zum Ablauf des Patentschutzes lassen sich dann gegen die Konkurrenz, so diese nicht mit alternativen Treffern nachzieht, über Monopolpreise Extraprofite erzielen. Und wo ein solches Geschäftsinteresse, die Hoffnung auf aufblühendes Firmenimage und nationales staatliches Interesse zusammen- und auf eine ausländische Konkurrenz treffen, für die das gleiche gilt - ,, im Fall der derzeitigen Aidsforschung ,dann legen auch mal konkurrierende Multis wie Bayer und Höchst ihre Forschungelder zusammen, um das Rennen um einen Impfstoff oder ähnliches gemeinsam zu gewinnen

Aber auch unterhalb eines solch ganz großen, die Konkurrenz entscheidend treffenden Wurfs, strengen sich die Pharmaforscher auf Basis eines durchgesetzten Therapieprinzips mit einer Wirkstoffklasse an. Es geht dabei darum, verwandte Stoffe zu erfinden, auf dem Weg der Abwandlung der Molekülstruktur bereits vorhandener; nicht etwa um bessere Substanzen gegen irgendein Leiden zu entwickeln und/oder im Falle der Fehlanzeige die vorhandenen endgültig zu begraben, sondern um ein eigenes Patent zu hecken, beim Bundesgesundheitsamt anzumelden und in Gestalt eines zugelassenen neuen Präparates einen Teil des Marktes - für B-Blocker, CaAntagonisten etc. - an sich zu ziehen. Ein echter Hit ist eben dann gelandet, wenn es gelingt, sich mit einem neuen oder vamerten Stoff in einem Indikationsgebiet zu etablieren, das schon einen großen Absatzmarkt erschließt. Die Aussicht darauf ist allemal ein Stachel für die Firmenforscher, derartige Märkte mit noch einer Substanz zu bevölkern. Nur wer solches mit einem Dienstleistungsangebot an den praktizierenden Arzt verwechseln will, der jammert über die ,,Unübersichtlichkeit des Präparatenmarktes" und hält die Forderung nach ,sinnvoller" Ausmistung des Medikamentenbestandes für eine angemessene Antwort auf die Konkurrenzbestrebungen der Industrie, die so gesehen ausschließlich dem Arzt das Leben schwer machen.

Viel Wirkung neben der Wirkung

Ähnliche .Wirkungen" wie die der Ausgangssubstanz können bei einer Variation der Molekülstruktur von Ausgangssubstanzen kaum ausbleiben. Mit ,,Nebenwirkungen', welche diejenigen des ursprünglichen Stoffes um einige Überraschungen bereichern, kann der Konsument allerdings auch rechnen. Dies gilt vor allem für die Geschädigten, bei denen der Fortschritt der körperlichen Zerstörung als ,chronische Erkrankung' diagnostiziert wird, und die deswegen ohne medikamentöse Dauerbehandlung überhaupt nicht mehr über die Runden kommen. Der hier permanent stattfindende notwendige Eingriff in den Chemismus des erkrankten Körpers bietet die solide Grundlage für das Medikament, alle seine pharmakologischen Wirkungen zu entfalten. Der Teil des Wirkungsspektrums, der zur Korrektur oder Kompensation von Dysfunktionen nichts beiträgt, macht sich im Organismus ebenfalls auf Dauer zu schaffen, was diesem meist nicht gut tut. Hierbei von ,unerwünschten Nebenwirkungen', die quasi zufällig nur bei ,,besonders empfindlichen" Individuen auftreten, zu sprechen, lastet die Schuld an den schädlichen Folgen des chemischen Eingriffs der schwachen Konstitution des Patienten an. Der Tip, das Medikament ,,nur auf Anraten des Arztes" einzunehmen, bestätigt erstens die gewußten Schädigungen und tut gleichzeitig so, als wären diese nur eine Frage sorgfältiger und fachmännischer Dosierung. Für die pharmazeutische Industrie ist dieser Bereich der vielfältigen .Nebenwirkungen" der von ihnen produzierten Substanzen ein bevorzugtes Betätigungsfeld, um werbeträchtig in ihrem Kampf um Marktanteile, die jeweilige Neuentwicklung und Molekülvariante als weiteren Schritte auf dem Weg zum nebenwirkungsfreien und noch besser wirksamen Medikament zu reklamieren. Dabei sind besagte ,,Nebenwirkungen" in der Entwicklung eines Präparates hinsichtlich der ins Auge gefaßten Marktgängigkeit desselben eine ungemein relative Angelegenheit: Ob es sich bei den neu auftretenden Krankheitssymptomen in der erprobenden Behandlung von Tier oder Mensch - die regelmäßig vom Knochenmark über Leber und Niere bis zum Gehirn etc. so ziemlich alle Organe umfassen - um Wirkungen des Medikaments oder z. B. um Komplikationen der Grundkrankheit handelt, sind keineswegs Fragen, die von der pharmakologischen Forschung abschließend beantwortet werden, oder deren Beantwortung überhaupt Voraussetzung für den Einsatz des frag- lichen Stoffes wäre. Vielmehr relativieren sich dort aufkommende Bedenken bezüglich der Bekömmlichkeit einer Neuentwicklung an den aufgewendeten Kosten, die sich schließlich lohnen sollen, und an dem aus der Konkurrenz bezogenen Interesse an einer möglichst schnellen Reifung des erprobten Mittels zum zugelassenen Präparat; stellt doch jeder neue Forschungsmonat neues Risiko in bezug auf die Mitbewerber und eine weitere Verzögerung des erhofften profitlichen Verkaufs dar.

... unter staatlicher Aufsicht

Als die Geschäftsbedingung, auf die die Firmenkalkulationen bezogen sind, machen sich dabei die Anforderungen geltend, die der Staat in Gestalt des Bundesgesundheitsamtes mit seinen Zulassungskriterien für Arzneimittel erlassen hat. Dem Staat sind, wie man dem Wirken des BGA entnehmen kann, die Wirkungen der auf dem Prinzip des Profits beruhenden Bereitstellung von Mitteln der Kompensation einerseits bekannt und zweitens nicht gleichgültig. Seine Kontrollfunktion durch eigens eingerichtete Institutionen und einschlägige Gesetze beweist, daß von seiner Seite mit den gesundheitsschädigenden Wirkungen fest gerechnet wird, den die von ihm zugelassene und geförderte marktwirtschaftliche Produktion und Vermarktung von Arzneimitteln hervorrufen. An einer Schädigung der Volksgesundheit durch Medikamente ist der Staat nicht interessiert, an der wirtschaftlichen Kalkulation und dem Erfolg der Kapitale, der sie entspringt, jedoch schon, so daß er um des Geschäfts willen seine Auflagen erläßt und seine Aufsicht ausübt. Den Auflagen muß Genüge getan werden in Art und Umfang der vorgelegten vorklinischen und klinischen Studien, so daß,je nach firmenspezifischer ,,Strategie", dem BGA gerade die nötigsten Unterlagen vorgelegt werden oder auch von vorneherein versucht wird, alle möglichen amtlichen Bedenken durch entsprechend umfangreiches Studienmaterial gleich ,,mitabzudecken". Ist diese Hürde geschafft und wird das neue Mittel auf dem Arzneimittelmarkt eingeführt, so tritt damit die Medikamentenerprobung in ein neues Stadium: Hier entfalten sich dann -je nachdem - alle in der Forschung absichtsvoll vernachlässigten, beschönigten oder geleugneten ,,Probleme', und dem verordnenden Arzt obliegt die Pflicht, jede auftretende ,unerwartete Nebenwirkung" zu melden. Die massenhafte Anwendung eines Produktes der Pharmaforschung hat immer noch Versuchscharakter, und so manche schädliche Wirkung wird erst dann ,,entdeckt" und zum ,,Skandal", wenn die Zahl der Toten zu hoch ist. Wirklich entschieden werden die Fragen der ,,Verträglichkeit" eines Medikaments also immer im nachhinein, entweder, weil tatsächlich nichts passiert ist, oder dann, wenn der groß angelegte Feldversuch ,,Zwischenfälle" produziert. Dies ruft das BGA oder auch die Gerichte auf den Plan, die sich mit Schadensersatzansprüchen an die Herstellerfirma zu befassen haben - was für die Opfer regelmäßig mit komplizierten Beweispflichten und ungewissem Ausgang verbunden ist. Was das wiederum für das Geschäft bedeutet - außer dem, daß ein Präparat schlicht in ,,Verruf' gerät - entscheidet sich an dem staatlich gesetzten Rahmen, der die Kriterien für solche prüfverfahren festlegt. Demnach gilt ein ,,Risiko" für insgesamt vertretbar, wenn es dem ,,Stand des medizinisch Machbaren" entspricht, die Schäden im Rahmen der gesundheitlichen Ruinierung bleiben und die Behandlung somit per Saldo positiv für die Volksgesundheit zu Buche schlägt - was ,,Zwischenfälle" obiger Art durchaus einkalkuliert. Entsprechend ergehen die Urteile, die die Nützlichkeit der auffällig gewordenen Arznei neu bewerten durch Auflagen bezüglich einer Erweiterung der Beipackzettel mit entsprechenden zusätzlichen Warn- und Nebenwirkungshinweisen oder weiteren Indikationseinschränkungen bis hin zum gänzlichen Verbot der Substanz. So geht dem BGA seine Arbeit nie aus, und das Pharmageschäft blüht weiter - immer begleitet von zeitweiliger öffentlicher Empörung über die jeweils aktuellen ,,Arzneimittelskandale'', angesichts deren sich die staatlichen Behörden der ideellen Unterstützung in ihrem angeblichen Kampf gegen die ,,Skrupellosigkeit" der Pharmakonzerne erfreuen dürfen.

Profit auf Rezept

Die Pharmaindustrie kann sich bezüglich einer dauerhaften und krisensicheren Nachfrage nach ihren Gebrauchswerten sicher sein. Daß die Nachfrage auch zahlungsfähig ist, dafür sorgen die Zwangsabgaben in den Krankenkassenpool, die der Staat seinen versicherungspflichtig gemachten Bürgern abverlangt. So stößt die Pharmaindustrie mit ihren Angeboten nicht auf den, in der Regel sehr begrenzten Umfang des Geldbeutels ihrer unmittelbaren Konsumenten, die sich eine Deckung ihres Bedarfs an Medizin, wenn er sich ihnen stellt, meist gar nicht leisten könnten, würden sie nicht zur Vorsorge verpflichtet. Die Konkurrenz der Pharmakapitale richtet sich -in den Hauptposten ihres Geschäftes auf die Ärzteschaft und deren Verordnungsweise, denn mit deren Verschreibung per Rezept ist Zahlung gewährleistet. Bereits in der klinischen Forschung werden Spitzenhonorare an Chefärzte und Kliniken bezahlt. nicht nur für die Lieferung nötiger wissenschaftlicher Ergebnisse für die Zulassung beim BGA, sondern um damit schon den ersten Schritt auf dem Weg zum angepeilten Markt zu absolvieren. Mit der Autorität der Institutionen und des unterzeichnenden Wissenschaftlers soll auch dem verschreibenden Arzt nahegebracht werden, daß er sich mit dem Präparat XY an die Spitze des medizinischen Fortschritts befindet, damit ihm dessen Verschreibung zur Gewohnheit werde und so für den nöti gen Absatz sorgt. Das gleiche Ziel verfolgt die Schar der Pharmavertreter mit der - inzwischen gesetzlich beschränkten - Abgabe von Musterpackungen, sowie klei neren und größeren Aufmerksamkeiten - von der Schreibtischuhr bis zum Weekend im Luxushotel - die die Firma, deren Vertreter und somit das Präparat in angenehmer Erinnerung halten sollen. Allerdings ist der Freigiebigkeit des Arztes in seine Verordnungsweise, bei der jegliche Zahlung nur eine Re zeptunterschrift kostet was dem Pillenproduzenten recht ist - von anderer Seite Grenzen gesetzt. Mit seinem ,Wirtschaftlichkeitsgebot" an die Ärzte gibt der Staat zu verstehen, daß von seiner Seite ein Interesse an einer Kontrolle dieses Kostenanteils im Gesundheitswesen besteht. Instrument dafür ist die Bildung eines Durchschnitts der von den jeweiligen Arztgruppen verursachten Medikamentenkosten. Abweichungen einzelner Ärzte nach oben, die eine gewisse Toleranzgrenze überschreiten, werden abgemahnt und unter Umständen mit ,Regressen' geahndet. Auf diese Einschränkung ihrer Freiheit in der Preisgestaltung durch solcherart geschärftes ,,Kostenbewußtsein" der Kassenärzte, welches ihnen der Staat mit Hinweis auf ihren eigenen Geldbeutel nahegelegt hat, hat die Pharmaindustrie mit dem Aufbau des Generikamarktes reagiert. Die Konkurrenz geht dabei um bewährte und viel verordnete Substanzen, deren Patentschutz abgelaufen ist, so daß die Marktdomäne des früheren Monopolpräparates gebrochen werden kann. Daß die aus diesem Zweck relativ niedrig gehaltenen Preise für ,Nachahmerpräparate" ebenfalls lohnend sind, beweist der rasante Aufschwung der Generika. Wenn sich die ,,Wirtschaftlichkeit" daran bemißt, was der durchschnitt der Kassenärzte eben so verschreibt, dann ist dies wandelbar, vor allem nach oben. Dafür sorgt schon das Preisgebaren der Pharmaindustrie, die mit jedem, in neuen Medikamenten dargestelltem therapeutischen Fortschritt auch die alten Behandlungskosten ganz praktisch für überholt erklärt, was der zuständige Sozialminister in Form eines .ungebremsten Anstiegs der Arzneimittelpreise" (Blüm) als ein zunehmendes Ärgernis ausgemacht hat.

Der durchaus gewünschte und eingerichtete Geschäftserfolg in Sachen Arzneimittel macht sich nämlich in der sozialstaatlichen Betrachtung als Kostensteigerung innerhalb des Reparaturbetriebs für Gesundheit bemerkbar. Hier fallen diese Erfolge - in Gestalt steigender Lohn(,neben")kosten - dem Sozialstaat als Unkosten für das allgemeine Geschäftsleben ins Auge, und ab solche werden sie permanent unter die Lupe genommen. Das jüngste Kind dieser kritischen Würdigung der Arzneimittelpreise ist die Festbetragsregelung im Gesundheitsreformgesetz: Für zunächst zehn der umsatzstärksten Medikamente, weitere sind vorgesehen, wurden vom Staat Preise festgesetzt, bis zu denen die Medikamente gebührenfrei zu haben sind. Überschreitet eine Firma bei einem dieser Präparate den Festpreis, muß der Patient die Differenz draufzahlen. Um dem Verlust von Marktanteilen vorzubeugen, haben die Marktführer, mit wenigen Ausnahmen, die Preise auf das Festbetragsniveau gesenkt. Andererseits hat die Pharmaindustrie auf die gesetzlich verordnete Änderung der Geschäftsgrundlage so reagiert, wie es der vom Minister beaufsichtigte Markt erlaubt: ,Preisabschlage im Festbetragsbereich wurden durch Preiserhöhungen im übrigen Produktsortiment kompensiert." (Süddeutsche Zeitung) Denn die Tatsache, daß für manche Arzneimittel, mehr oder weniger Höchstpreise staatlich festgesetzt werden, heißt nicht, daß damit die Freiheit des Geschäftemachens mit diesen verboten wird. Die Konkurrenz der beteiligten Kapitale findet unter einer neuen Bedingung statt, und welches Unternehmen daraus zusätzlichen Nutzen zieht oder Schaden erleidet, wird auf übliche Weise ausgetragen. Minister Blüm hat das Ganze den Ruf eines Kämpfers gegen die Profite der ,,übermächtigen Pharmakonzerne" eingetragen. Auch wenn ihm manche dabei mangelhaften Durchsetzungswillen attestieren wollen - allen voran der ,Spiegel" -, läßt er sich diesen Mantel eines Streiters für ,mehr Gerechtigkeit" in der .Solidargemeinschaft" gerne umhängen, hat er diese Attribute doch schließlich selber erfunden und in die Welt gesetzt. Mit einer Entlastung des Geldbeutels der Versicherten - wie Blüm behauptet - hat das staatliche Manöver einer Kostenbegrenzung für Arzneimittel nichts zu tun. Die finanzieren auch weiterhin den ganzen Laden, der den privaten Anbietern im Gesundheitswesen zur Nutzung freigegeben ist, egal, ob innerhalb schwankender Kassenbeiträge oder zunehmend außerhalb der Versicherungsleistungen. Für Aspirin und Hustensaft gehen auch ohne Rezept schöne Summen über den Apothekertisch.-