Krankheitsursache kapitalistische Umwelt



Luft, Wasser und andere Lebensmittel - im Kapitalismus ohne Gift nicht zu haben, dafür meist in "gesundheitsdienlicher Dosis".

Daß hierzulande Luft, Wasser, Gegend und Lebensmittel ziemlich versaut sind, ist kein Geheimnis, - nicht bloß anläßlich der ständig bekannt werdenden kleineren und größeren ,,Umwelt- und Lebensmittelskandale'. Nicht gerade wenig Leute erhalten den ärztlichen Rat, ihrer Lunge zuliebe aus einem ,,Ballungsgebiet' wegzuziehen, in manchen Gegenden nimmt man lieber Mineralwasser fürs Kaffeekochen oder die Kinderernährung, Schrebergartengemüse kann in manchen Regionen besser nur noch zur Zier, jedenfalls nicht für den Verzehr angebaut werden. Wie all der Dreck in Luft, Wasser und Boden gelangt, ist nicht unbekannt. Es handelt sich überwiegend um die Abfälle der kapitalistischen Industrieproduktion, die eben so ,entsorgt" werden, daß ein jeder sie an allen Ecken und Enden beim Atmen, Essen, Waschen in mehr oder minder verdünnter Form abkriegt. Und bei der Lebensmittelproduktion werden alle möglichen, nicht unbedingt bekömmlichen Sachen ganz absichtlich beigemischt und untergerührt.

Muß der Dreck sein?

Unternehmer, also diejenigen, die den Dreck durch die Gegend schleudern und in den Lebensmitteln unterbringen, erklären sich schlicht nicht zuständig für die schädlichen Folgen ihrer Produktionsmethoden auf die natürlichen Lebensbedingungen der Leute. Das ist nicht ihre Angelegenheit: Jeder einzelne von ihnen hat doch keinen Smog verursacht oder einen Fluß zum Umkippen gebracht. Jeder einzelne von ihnen nimmt ,,bloß" sein gutes Recht wahr, wenn er darauf achtet, daß die Geschäftsbilanz gesund bleibt. Was kann er dafür, wenn die gesellschaftliche Realisierung des geschäftlichen Wachstums die Ruinierung der Arbeitskräfte ebenso einschließt wie die Ruinierung von Luft, Wasser, Gegend und Lebensmitteln? Im Produktionsprozeß wird die menschliche Gesundheit verschwendet, 1. indem dem Gewinn zuliebe möglichst viel lohnende Leistung aus der Arbeitskraft herausgeholt wird und 2. indem am Arbeitsplatz außerdem jede Menge Gift und Dreck geboten werden; denn die Ausschaltung solcher Stoffe wird- marktwirtschaftlich korrekt - als Unkost verbucht, die daher besser unterbleiben soll. Aus dem gleichen Grund, d.h. weil vom kapitalistischen Standpunkt aus nur der Überschuß über die eingesetzten Kosten zählt, kriegen die Leute auch nach der Arbeit die ungemütlichen Folgen dieser Produktionsweise mit.

Die Natur - ein billiger kapitalistischer Mülleimer

- Gewässer sind vom Gewinn-Standpunkt der Unternehmen aus billige Müllschlucker für all die Stoffe, die beim Produzieren als Abfall anfallen. Genau aus diesem Grund zählt es als ,Standortvorteil' für Chemie- und andere Fabriken, sich an einem Fluß niedergelassen zu haben. Die Dreck- und Giftbrühe einfach wegzukippen, ist vom Profitstandpunkt aus eben die kostengünstige Methode. Und so kommt es, daß z.B. das Trinkwasser, welches aus dem ,Uferfiltrat" solcher Flüsse gewonnen wird, außer schlichtem Wasser noch alle möglichen, eher ungenießbaren Beimengungen enthält-- Eher gasförmige Abfälle werden der -- früher mal -frischen Luft überantwortet, die ja zur Freude der Unternehmen ganz ohne Standortvorteil überall zu haben ist. So daß die Arbeiter die guten, an ihrem Arbeitsplatz bekannten Sachen in etwas verdünnter Form, dafür aber ergänzt um die feinen Ausdünstungen anderer Unternehmen, am Feierabend einatmen dürfen.-- Allerhand Abfälle werden auf Halden geschüttet, wo sie Gelegenheit haben, mit der Zeit im Boden zu versickern. so daß dieser mit allen möglichen Giften angereichert wird. Ferner gelangt das Zeug auch ins Grundwasser, so daß für eine weitere allmähliche Verbreitung des giftigen Abfalls gesorgt ist.

Geschäfte mit der Armut

Daß alle möglichen Stoffe wegen der billigen ,,Entsorgung" über Luft, Wasser und Boden in den Lebensmitteln auftauchen, ist somit klar. Cadmium im Gemüse, Quecksilber in Flußfischen usw. usw. Zusätzlich werden die Lebensmittel aber auch absichtlich mit allem möglichen Kram versetzt. Die Nahrungsmittelproduktion wird schließlich wie alle andren Produktionszweige dem Geschäft zuliebe betrieben. Dabei konkurrieren die Hersteller all der Lebensmittel, die da profitlich an den Mann gebracht werden sollen, um eine begrenzte Zahlungsfähigkeit. Die kommt daher, daß ihre Kunden zum großen Teil aus Lohnarbeitern bestehen, aus Leuten also, die nur eine beschränkte Geldsumme zur Verfügung haben, aus der sie ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen. Der Lohn zählt schließlich als Kost und soll deshalb so niedrig wie möglich sein. Das Interesse, auch noch aus der Armut der lohnarbeitenden Menschheit ein Geschäft zu machen, beflügelt die Kapitalisten zu allen möglichen Lebensmittelverfälschungen.- In der kapitalistischen Agrarproduktion kommt es darauf an, aus dem Boden möglichst viel Produkt herauszuholen. Je höher der Ertrag pro Fläche, desto billiger das einzelne Produkt, wobei der Agrarunternehmer seinen Schnitt über die Masse macht. Die Ertragssteigerung wird durch entsprechende Mengen von D ünger, lnsekten- und Unkrautvertilgern erreicht. Und so kommt es, daß dann erschwingliche Kartoffeln mehr von diesen Stoffen als Vitamine enthalten.-- Bei der Fleischproduktion legen es die Unternehmen darauf an, die dazu nötige Zeit abzukürzen . Je kürzer ihr Kapital im natürlichen Rohstoff gebunden ist, desto besser Für den Gewinn. Wenn ein Tier in der Hälfte der Zeit schlachtreif gemästet werden kann, lohnt es sich doppelt. Erreichen läßt sich dies mit allerlei Medikamenten, die dann eben auch im Wurstbrötchen und im Sonntagsbraten auftauchen.- Bei der Weiterverarbeitung tierischer und pflanzlicher Produkte geschieht ein Übriges. Der unternehmerische Erfindungsreichtum ist schier unerschöpflich: Da werden Fischbrötchen verkauft, die zwar nach Fisch schmecken, aber kein Gramm dieser Tiersorte enthalten, weil Einkauf, Lagerung und Frischhaltung des Naturstoffes viel kostspieliger wäre als die Zubereitung der künstlichen Fischpampe. Würstchen bestehen zum geringsten Teil aus Fleisch, enthalten dafür aber dem Kostpreis zuliebe alle möglichen Fleischersatzstoffe, Geschmacksaromen, Farbstoffe und Konservierungsmittel. Aus Oliven läßt sich mehr Öl gewinnen, wenn man einen Fettlöser verwendet (das - giftige - Perchlorethylen, sonst aus chemischen Reinigungen bekannte usw.usw. Der Staat organisiert die zweckmäßige Zer- störung der natürlichen Lebensbedingungen

Wegen ihrem Geschäftsinteresse gehen Kapitalisten rücksichtslos mit Luft, Wasser, Land und Leuten um. Und die demokratische Staatsgewalt gibt ihnen darin zunächst einmal völlig Recht. Der Staat hat die kapitalistische Profitmacherei s(, gründlich als oberstes Prinzip seiner Wirtschaft eingerichtet, daß er anschließend auch noch selber darauf aufpassen muß, daß die dabei ange- richteten Gesundheitsschädigungen nicht ein Ausmaß annehmen, welches die Fortführung der einträglichen Geschäfte mit Mensch und Natur womöglich selber gefahrdet. Die Kriterien dafür freilich, wann das zuträgliche Maß an Zerstörung der natürlichen Geschäfts- grundlagen überschritten ist und der Staat mit Reglementierungen einschreiten muß, sind notwendigerweise strittig. Denn soviel ist ja klar: So sehr dem Staat daran gelegen ist, daß Land und Leute für die kapitalistische Vernutzung tauglich bleiben, so will doch jedes Stück staatlicher Umweltschutz genau abgewogen sein. Also wird bei allen Maßnahmen zur ,,Erhaltung unserer natürlichen Lebensgrundlagen", mit denen dem kapitalistischen Geschäftssinn Grenzen gezogen werden, genauso gut darauf geachtet, daß sie das Florieren der Geschäfte nicht ,,über Gebühr" und ,,unnötig" mit ,,Auflagen" behindern. So kommt allemal heraus, daß der Gesundheitsschutz, der dabei zustandekommt, sich bestens mit dem Ausstoß stattlicher Mengen krebserregender und sonstwie schädigender Stoffe verträgt. Ur die betroffene Menschheit darf sich damit trösten, die ihre Vergiftung unter strenger öffentlicher Kontrolle steht: Die zuständigen Stellen bilanzieren fleißig den durchschnittlichen Gesundheitsverschleiß des Volk und lassen Experten allerlei Hochrechnungen über d Gesundheitsgefahr aufstellen, denen die Menschen ,,möglicherweise" ausgesetzt sind, wenn sie soundsoviel Stickoxid einschnaufen sowie Hormone und Schwermetalle verspeisen.

Wieviel Gift darf's denn sein?

Das Ausmaß der zulässigen Verseuchung erläßt der Staat mit sogenannten Grenzwerten. Mit solchen Werten gibt er bekannt, wieviel als ungesund bekanntes Zeug in welcher Dosis, in welcher Verdünnung und in welcher Weise an Luft, Wasser, Gegend und Leute abgegeben werden darf und welche Zumischungen aller möglichen Stoffe in Lebensmittel erlaubt sind. Und wie findet man diese Grenzwerte? Vom Standpunkt eigener Unversehrtheit käme man ja wohl einzig darauf, die Finger von Giften zu lassen. Jedenfalls läßt sich aus der Kenntnis der giftigen Wirkung nie und nimmer ,,ableiten", daß ein bestimmtes Maß an Gift ohne Gesundheitsgefahr geschluckt werden kann. Für die Fixierung eines Grenzwertes ist also der Entschluß unterstellt, Land und Leuten alle möglichen Schadstoffe zumuten zu wollen. Also legt der Staat die Grenzwerte einfach fest. Dabei fällt gleich auf, daß dort, wo es dem Geschäft nützt, in gewissen Betrieben nämlich, die zulässige !und deshalb angeblich unschädliche ! ) ,,Konzentration von Schadstoffen" viel höher ausfällt als draußen, wo das Volk ja bloß ganz unproduktiv vergiftet wird. Aber auch in freier' Wildbahn kriegt die Menschheit noch genug ab, so daß auch die ,,frische Luft" aus lauter staatlich erlaubten Giftportionen der verschiedensten Art besteht. Bei der Festlegung dieser schönen ,,Werte" macht der Staat den eigentümlichen Standpunkt der ,,Volksgesundheit" geltend, d.h. er will ein durchschnittliches Maß der bei der kapitalistischen Benutzung des Volkes anfallenden Schädigungen ermitteln, die von den Leuten erfahrungsgemäß und im Durchschnitt ein Arbeiterleben lang ausgehalten werden können. Damit ist klar, daß bei dieser Rechnungsart 1. von Haus aus jede Menge Individuen auf der Strecke bleiben, und 2. ist damit dem Durchschnitt eben die Durchschnittsruinierung als normales ,,Lebensrisiko" verordnet. Und beides ist schon dann der Fall, wenn die Unternehmer sich an die staatlichen Grenzwerte halten, die allerdings ebenso oft von ihnen auch überschritten werden. Das führt dann - sofern der Verursacher (angesichts der vielen, die da in Frage kommen) überhaupt eindeutig ausgemacht und ihm der Ausstoß unerlaubter Gift- und Dreckmengen nachgewiesen werden kann - zu einem Bußgeld, für das ein modernes Unternehmen schon längst einen Posten in seiner Kalkulation eingerichtet hat.

So ist mit dieser fürsorglichen staatlichen Überwachungstätigkeit jedenfalls ,unsere' Marktwirtschaft gründlich aus der Schußlinie gebracht: Für das Asthma und ähnliche Krankheiten ist das ,,Wetter" verantwortlich, das hin und wieder ,,Smog' verursacht; oder es ist die schwache überdurchschnittlich anfällige ,,Konstitution', die nicht wenige zu Frühinvaliden macht. Und wenn sich einer an irgendwelchen Lebensmitteln vergiftet, dann ist er eben Opfer einer skandalösen ,,kriminellen Machenschaft" geworden, oder er hat sich halt nicht an die staatliche Unterstellung bei der Festlegung der Grenzwerte gehalten, wonach die Leute ja nicht täglich das gleiche essen, weshalb das Gift in dem einen oder anderen Gut ruhig etwas höher bemessen werden darf usw.

Das Ergebnis: Ein riesiges biologisches Massenexperiment

Die BRD - eine große Versuchsanstalt. Die Resultate dürfen Mediziner täglich begutachten. Na, wieviel Dreck, Gift, Oberbeanspruchung etc. hält denn die Spezies Mensch aus? Und siehe da, eine erkleckliche Anzahl steht ihre kapitalistische ,Umwelt" - mit diversen Krankheiten zwar, aber da macht sich ja auch die Medizin noch nützlich ein Durchschnittsleben lang durch; besser jedenfalls als Robbenbabies und andere Tierchen und Unkräuter.