Allergie - Grund und Pflege einer Überempfindlichkeit



1. Eine Volkskrankheit wird ernstgenommen-wem hilft das wobei ?

Vermehrt klagen gesundheitlich bislang wenig auffällige]- Menschen darüber, daß sie mit einmal auch schnie-fen und rotzen, wenn im Radio tieffliegende Blütenpollen oder das Reifestadium harmloser Gräser bekanntgegeben wird. Noch ganz unschuldige Kleinkinder werden mit Asthma und Ekzemen geplagt, die einigermaßen unerklärlich, gleichwohl aber jedenfalls "allergisch" sein sollen. Anderen schwellen beim Kopfschmuck mit ihrem gewohnten Lidschatten oder Ohrringen alle Löcher zu, andere kriegen beim bloßen Anfassen von Erdbeeren, Äpfeln, ... Hautausschlag und ähnliches, wobei es durchaus sein kann, daß sie die bislang genauso gerne verputzt haben wie wieder andere Haselnüsse, vor denen es diese nunmehr aus wiederum denselben Gründen graust, usw. . usw. Daß Allergien der verschiedensten Art seit einiger Zeit progressiv auftreten, ist ein Faktum, das man nach seinem Grund erklären soll und auch kann. Ob es sich bei diesem Faktum um eine - und noch dazu: - "neue Volkskrankheit handelt, ist hingegen eine irreführende Fragestellung und wirft einen Streit auf, der zur Klärung wenig beiträgt, weil er gar nicht um die Sache selbst geht, sondern darüber, für wie wichtig diese von den öffentlich bestallten oder freiberuflichen Hygienikern der Volksgesundheit genommen wird, die in einschlägigen Gremien und Medienrubriken über die Verbreitung eines "problematischen Leidens" Bilanzen ziehen. Und wenn dann von einem mit hochkarätigen Fachleuten bestückten "Gesundheitsforum" zusammenfassend vermeldet wird -

"Allergien sind eine Volkskrankheit, die noch nicht ernst genomrr.en wird." (SZ-Dokumentation vom 31.10.86) -,

so kündigt sich in dieser offiziellen Anerkennung des fraglichen Leidens auch überhaupt nicht ein Beitrag zur Abschaffung dieser Krankheit an.

Sicher- ein wenig zynisch mag es schon anmuten, wenn die Gegenposition - auch Ärzte vom Fach, die es also besser wissen - die "Frage" aufwirft, wieviele von den 40% aller über Allergie klagenden Bundesbürger ihre Leiden wohl bloß herbeiphantasieren. Und ob denn von einer Volkskrankheit geredet werden könne ohne dickes Fragezeichen, wo doch in unterschiedlichen Landstrichen der Republik ganz unterschiedlich viele - angebliche -Allergiker an ganz unterschiedlichen Allergien leiden wollen. Aber was heißt es denn andererseits, wenn die Ärzteschaft bekundet, sie wolle die gar nicht normalver-teilte Häufung dieses Leidens gebührend ernst und medizinisch nicht auf die leichte Schulter nehmen? Es ist eben bloß der bornierte Eifer eines Medizinmannes, der sich auf den folgenden Verdacht" hin -

"Umweltverschmutzung, immer neue Chemikalien und Nahrungsmittelzusätze sind in Verdacht geraten, immer andere und immer mehr Allergien auszulösen." (Süddeutsche Zeitung) -

verantwortungsvoll in Pose wirft und für seinen Dienst am kranken Kunden Nachrüstung in Theorie und ärztlicher Praxis einverlangt:

"Aufgestellt wurde die Forderung nach einer intensiveren Forschung, nach genauen Untersuchungen über den Einfluß von Umweltstoffen und nach einer Verbesserung der Ärzteausbildung-

Borniert ist dies deswegen, weil der bezogene Standpunkt der medizinischen Fachkompetenz - hier wie überhaupt - eine neue Errungenschaft moderner Gesundheitsschädigung bloß als Auftrag wahrnimmt, sich fit zu machen für die Wiederherstellung des geschädigten Gutes: Das viele Forschen über die Einflüsse von "Umweltstoffen" braucht es nur deswegen, weil für Mediziner feststeht, daß die Leute mit diesen schädigenden Einflüssen zu leben haben und die Medizin zuständig ist wenn die Wirkungen am Organismus Manifest werden. Von ihrer handwerksmäßigen Auffassung der Allergie als zu kurierendes "Symptom" wollen Mediziner selbst dann nicht lassen, wenn sie selber ziemlich gut wissen, daß sie mit Pillen und Tinkturen so manchen "Auslöse-prozessen" einigermaßen hilflos gegenüberstehen. Sie sehen sich nur bestärkt in ihrer Forderung, die Untersuchungs- und Therapiemethoden zu verbessern und stellen sich so darauf ein, daß auch in Zukunft ihre Praxis von Patienten bevölkert wird, die "immer andere und immer mehr Allergien" vorzuweisen haben. Man merkt, daß Mediziner mit der Notwendigkeit dieser Krankheit rechnen und ihr Wissen um den Ablauf allergischer Reaktionen durchaus zu mehr reicht, als nur zur Erhebung eines Verdachts, von dem im Zitat oben die Rede war. Auch wenn es nicht immer gleich ein Asthma sein muß oder ein Pseudo-Krupp, um auf die sattsam bekannten Giftstoffe Rückschluß ziehen zu können - auch mancher Pollenallergiker hat doch tatsächlich denen seine gereizten Schleimhäute zu verdanken.

2. Allergie - wie funktioniert das?

a) Die wissenschaftliche Definition der Allergie ist für sich genommen noch nicht besonders aufschlußreich, geht aber in Ordnung. Hiernach handelt es sich bei der Allergie um

eine spezifische Änderung der Immunitätslage des Organismus im Sinne einer krankmachenden Überempfindlichkeit" (Der Internist(1986)27,S. 321),

wobei sich die Erkrankungen insbesondere an Haut und Schleimhäuten manifestieren.

Ob das körpereigene Immunsystem auf einen in den Organismus eingedrungenen Fremdstoff mit "Immunität" oder in Form einer "allergischen Reaktion" reagiert, wird als Frage seiner "Empfindlichkeit" behandelt: Der Reaktion des Immunsystems auf ein Antigen (Allergen) zugrunde liegt eine Reaktion von lymphatischen Zellen (B- oder T-Zellen), allergisch wird diese Reaktion durch überschieBende Stimulierung" KELLER, R, Inlrn@rlo-logie und Immunpathologie, Stuttgart 1981, S. 165) der normalen Effektormechanismen der zellvermittelten und humoralen, d. h. im Blutplasma befindlichen Immunität-

"Eine überschießende Stimulierung dieser Effektormechanis-men durch Antigene bei einem sensibilisierten Wirt kann zu pathologischen Zuständen führen: Wir sprechen von Über empfindlichkeitsreaktionen." (ROIIVr, I. M., Allergie-Leitfa-denderImmunologie, [)Darmstadt 1984, S. 215)

Die normalen Effektormechanismen des Immunsystems zeichnen sich hierbei durch eine "Primär- und Sekundärreaktion" aus: Ein erster Kontakt mit einem einschlägigen Fremdstoff induziert eine Primärreaktion mit Bildung von Zellen, die einen späteren Kontakt mit demselben Stoff im Zuge der "Sekundärreaktion""rasch, intensiv und präzis beantworten können". (KELLER a.a.O., S. 164)

Dies dient der Eliminierung eingedrungener Bakterien und Viren, deren Außenhüllen als großmolekulare Proteine stark antigenisch wirken. Mit der Zerstörung der körperfremden Substanzen ist im Normalfall die Sache abgelaufen. "überschießend" hat das Immunsystem dann reagiert, wenn aus seiner Aktion pathologische Zustände resultieren - wofür allerdings das Immunsystem mit seinen Zellen im Gewebe, auf Schleimhäuten, /,inneren Kontaktflächen" (Bronchien, Magen-Darm-Trakt) und im Blut nichts kann: Seine Effektormechanismen bei der Ausschaltung von Antigenen bleiben stets die gleichen, das heißt die T- und B-Lymphozyten bzw. Antigen-anliefernden Makrophagen reagieren stets gleich und der Unterschied der Qualität - Immunität/Überempfindlichkeit - liegt zunächst in der Quantität der Reaktion..

b) Ausschlaggebend für die allergische Reaktion ist die "Sensibilisierung" der immunkompetenten Zellen: Nach dem erstmaligen Kontakt mit einem Antigen sind die Zellen darauf vorbereitet, beim nächsten Kontakt verstärkt zu reagieren. Wie stark ausgeprägt die Zweit- und Mehrantwort dann im Einzelfall ist, hängt von der Art des Antigens, d. h. seiner molekularen Beschaffenheit und der Häufigkeit seines Einwirkens ab. So eliminiert beispielsweise das Immunsystem aufgrund einer v. a. in der Kindheit und Jugend stattfindenden Sensibilisie-rung gegenüber Mikroorganismen (Bakterien, Viren) selbige Antigene durch eine überwältigende Antikörperbildung, während anderen Antigenen gegenüber die Immunantwort so abläuft, daß das pathologische Resultat entsteht. Hierbei allerdings verändert sich nun auch die Qualität der Vorgänge - im wesentlichen dadurch, daß die Immunreaktion zu einer Entzündung führt. Hierbei lassen sich fünf Weisen der Überreaktion voneinander unterscheiden - nach der Lokalisation des An-tigeneindringens, Menge der Antikörper/Antigene usw. -, die untereinander auch kombiniert auftreten können und für die das Hinzutreten von Mediatorstoffen charakteristisch ist, die zusätzlich zu den Immunvorgängen die Entzündungsreaktion erzeugen. Der Ablauf der Ereignisse sei am Beispiel der Typ I-Überempfindlichkeit vom anaphylaktischen Typ dargestellt:

"(1) Das Antigen (Allergen) dringt durch die Schleimhaut der Atemwege oder des Verdauungstraktes in den Organismus ein. (2) Die entsprechenden Antikörper der IgE-Klasse binden das Antigen (.. .) und verbinden sich (. . .) mit den Rezeptoren der Mastzellenoberfläche. (3) Wenn zwei auf der Mastzelle fixierte IgE-Moleküle durch ein bivalentes Allergen gebunden werden,wird die Zelle aktiviert; dadurch werden verschiedene Mediatoren freigesetzt. Die meisten dieser Mediatoren sind sofort wirksam. (4) Die Wirkungsmechanismen dieser Mediatoren erklären die verschiedenen Aspekte der allergischen Reaktion, d.h. die Hyper-sekretion der exokrinen Drüsen, die Vasodilatation (Oedem) die Konstruktion der glatten Muskulatur und die Entzündung." (Der Internist a. a .O . . S. 339)

Die Antikörper der IgE-Klasse spielen bei allen, vornehmlich von Pollen, Hausstaubmilben, Schimmelpilzen oder Tierhaaren ausgelösten Allergien diese Rolle: Sie binden sich zusammen mit den Pollen etc. an Mastzellen an, welche Mediatoren (etwa Histamine) freisetzen und die allergische Reaktion hervorrufen.

c) Bei der Frage nach den Unterschieden in der Sensibili-sierung des Immunsystems - was dasselbe ist wie die Frage, warum nicht alle in gleicher Weise auf einen Stoff allergisch sind - hat man sich die besonders hart Getroffenen näher besehen. Das sind diejenigen, die schon von Kindesbeinen an auf alles Mögliche allergisch reagieren, die sog. "Atopiker". Bei denen liegt es an den Genen, bzw. an einer sog. "genetischen Disposition":

"Bei der Pathogenese der sog. atopischen Erkrankungen, unter die neben der atopischen Dermatitis die Rhinokonjunktivi-tis allergica sowie das durch Allergene ausgelöste Asthma bronchiale und Nahrungsmittelallergien gerechnet werden, spielt die allergische Sofortreaktion eine besondere Rolle. Man kann davon ausgehen, daß etwa 10 - 15 % der Menschen industrialisierter Länder dazu neigen, sich auf der Grundlage einer genetischen Disposition gegenüber natürlichen Umweltaller-genen zu sensibilisieren." (Ebda., S. 381)

Vermittelt werden diese Sensibilisierungen durch die oben schon erwähnten Antikörper der IgE-Klasse, wobei die Produktion von Immunglobulin E einer genetischen Kontrolle unterliegt und vermutet wird, daß die globale IgE-Antwort durch ein einziges Gen rezessiv vererbt wird (vgl. ebd.). Das mag so sein oder nicht, festzuhalten jedenfalls bleibt, daß auch bei den "Atopi-kern" ein Kontakt mit Allergenen erfolgen muß, die den fatalen Ablauf in Gang setzen.

d) Verbleiben die Nicht-Atopiker, die trotzdem auf diesen oder jenen Stoff allergisch sind. Bei denen liegt es daran, daß ihr "natürlicher Lebensraum" für sie eine gewisse Reizüberflutung parat hält, der sogar ihr schon auf so manches hin ausgelegtes Immunsystem nicht mehr gewachsen ist:

im Gegensatz zu den geläufigen Modi einer ,Aggression von außen' durch akute oder chronische Einatmung toxischer Substanzen sind die durch exogenei nha inhalative A Allergene hervorgerufene- Krankheitserscheinungen der Atemwege vorwiegend Folgen e ner Einwirkung von nicht-aggressiven, primär a-pathogenen Stoffen unseres ,natürlichen' Lebensraumes. Diese primär a-pathogenen Stoffe werden erst aggressiv, wenn nach - Ablauf einer ,Umstimmung' des Organismus (Sensibilisie-r rungsperiode) eine spezifische Antikörperbildung erfolgt ist und sie hierdurch Antigen- bzw. Allergenfunktion entwickeln. L lm allgemeinen ist die durch Sensibilisierung erlangte Allergenpotenz eines Stoffes nur für solche Individuen pathogen die genotypisch durch eine diesbezügliche Konstitution (Ato-r- pie) ausgezeichnet sind. Diese Regel wird nur überspielt, wenn t unter besonderen Bedingungen die Allergenanflutung und damit die ,natürliche' Exposition nicht mehr der des normalen Lebensraumes entspricht, z. B. bei außergewöhnlicher Exposition an speziellen Arbeitsplätzen (,aufgezwungene' Sensibili-n sierung). Der Massivität wie auch der Kontinuität der Exposi-r tion erliegt dann auch der ,Normale'. " (Ebd, S. 344)

Menge des aufgenommenen Allergens bzw. Dauer der Allergenaufnahme können mithin auch eine pathologische, d.h. allergische Reaktion hervorrufen, ohne daß es hierzu einer individuellen "Disposition" bedürfte. Krankheitsursache ist die massive "Anflutung" des allergenen Stoffes, die dem Körper die beständige Abwehrleistung abverlangt und die feine Grenze zwischen "normalem" Lebensraum und "außergewöhnlicher" Exposition zeigt sich schlicht daran, wie lange der Körper dies aushält. Was der Mediziner übrigens so dezent in Anführungszeichen setzt, die sog. "natürliche" Exposition in Gestalt der "aufgezwungenen" Sensibilisierung an speziellen Arbeitsplätzen, ist zudem beileibe nicht auf ein Allergen beschränkt, so daß bei nicht wenigen berufstypischen Allergien gar nicht auszumachen ist, welcher Wirkstoff die pathologische Reaktion hervorruft -bei der Bäckerallergie beispielsweise ist soviel bekannt, daß die Möglichkeiten vom Eiweiß bis zu den jeweiligen Enzymen reichen, die dem Mehl beigemischt werden.

Ganz unabhängig von der Quantität der aufgenommenen Allergene und der Regelmäßigkeit der Kontaktaufnahme kann eine Sensibilisierung auf Allergene auch schlicht darüber erfolgen, daß eine stinknormale Infektion als "Schrittmacher" fungiert:

"Eine weitere Möglichkeit für eine Sensibilisierung ist gegeben, wenn die resorptiven Grenzflächen für allergene Schwebestoffe der Luft vorübergehend durch Infekte, insbesondere durch virale Infekte in ihrer Barrierenfunktion geschwächt sind: ,Infekt als Schrittmacher der Sensibilisierung'." (Ebda.)

Selbstverständlich schaffen auch viele andere Formen von Entzündungen - hervorgerufen durch Gifte, radioaktive Strahlung, mechanische Reize - genauso wie der harmlose Schnupfen eine solide Grundlage für allergische Reaktionen.

Es versteht sich, daß auch bei diesem erfolgreichen Zusammenwirken von Allergenen und den infektbelaste-ten Resorptionsorganen wiederum die Quantität erste-rer zu ihrem Recht kommt und einen möglichen Übergang vom Husten zum Asthma sollizitiert.

Doch damit ist es noch längst nicht vorbei mit der "Disposition" der Normalen, sich über etliche Reizstoffe pathologisch zu erregen. Der nächste Übergang hierzu liegt im Ablauf der allergischen Reaktion selbst begründet und hier in der oben bereits ange6prochenen Entzündung Einmal die allergische Reaktionskette in Gang gesetzt, verschlechtern sich die Ausgangsbedingungen beim nächsten empfundenen Reiz. Die durch die Media-toren erzeugte Sofortreaktion ruft eine Entzündung her@7@r. die das erkrankte Zielolrgan der Allergie dauerhaft In Form einer erhöhten Empfindlichkeit schädigt. Am Beispiel des aufgrund seiner Häufigkeit des Auftretens und dem Kaliber der Erkrankung vergleichsweise umfänglich erforschten Asthma erläutert heißt dies, daß die durch inhalativ aufgenommene Allergene hervorgerufene Sofortreaktion eine Entzündung der Bronchien erzeugt, die ihrerseits Ursache des steigenden Reizes der Bronchien ist, der dann das Krankheitsbild des Asthmas bestimmt: Diese verzögerte Phase der allergischen Reaktion - beim Asthma entsteht die dauerhafte Reizung möglicherweise "durch die Freilegung von Nervenrezep-toren auf der Oberfläche der Bronchienschleimhaut" (Ebd., S. 342) - wird infolgedessen als der Hauptbestandteil der durch das Allergen ausgelösten bronchialen Entzündung betrachtet. Es wurde gezeigt, daß Individuen, bei welchen eine verzögerte Phase ausgelöst werden kann, diejenigen sind, die eine bronchiale Hyperaktivität entwickeln, welche mehrere Tage nach Allergenaussetzung noch besteht." (Ebda.)

e) Damit sind alle Voraussetzungen für einen weiteren und vorläufig letzten Übergang komplett: Wenn auf

grund einer erfolgten allergischen Reaktion die betreffenden Zielorgane vorgeschädigt sind. genügen ln der Folgezeit auch sog. ,.unspezifische Noxen,auf daß die "allergische" Reaktion in Gestalt der Allergie-typischen Entzündung hervorgerufen wird. So vermag der Asthmakranke auch noch "pseudoallergisch" zu reagieren, wobei das "pseudo-" darin seinen Grund hat, daß sein Bronchospasmus gar nicht mehr allein durch das Tatigwerden seines körpereigenen Immunglobulin E vermittelt wird, sondern häufig genug bei ihm "unmittelbar durch reizende inhalierte Stoffe, physikalisch-auslösende Gründe (wie Kälte, Wärme, Anstrengungen ...) oder durch chemische Substanzen wie Nahrungsmittel- oder Medikament-Zusatzstoffe) verursacht werden kann." (Ebd., S.)

Diese sog. "asthmatische Bereitschaft" bleibt auch dann bestehen, wenn ein Kontakt mit dem primären Allergen gar nicht mehr zu befürchten ist, und in der Folgezeit lösen aufgrund der beständig herabgesetzten Toleranzschwelle der "bronchomotorischen Erregbarkeit" auch gänzlich "unspezifsche Reize"- wie atmosphärische Einflüsse, Temperaturschwankungen, Kaltluft, TabakRauch, usw. usw. - in gewöhnlicher Dosierung die asthmatische Reaktion aus.

3. Das Symptom packen" (SZ) - und warum nicht den Grund?

a) Es gehört zu den Eigentümlichkeiten der allergischen Reaktion, daß bei aller physiologischen Notwendigkeit, die in ihr waltet, auch der Zufall ordentlich zu seinem Recht kommt. Das geht schon bei den genetischen Pechvögeln los, die in der Tat besser nicht die Raumanzüge und Käseglocken verlassen, unter denen sie ein keimfreies Leben fristen, weil für sie so ziemlich jeder Stoff ein Reizstoff ist, der sie umhaut. Auch manche "Atopiker" können nichts dafür und sich für den Umstand ihrer höchst sensiblen Reaktion auf so manches Allergen bei ihrem Erbgut bedanken. Hinzu kommt allerdings auch schon bei denen - sie leben ja nicht in Plastikzelten unter Sauerstoff - daß sie auf Allergene, wirkende Antigene reagieren. Und womit sie es hierbei zu tun haben, nivelliert wieder jeder Unterschied zwischen ihnen als der Elite und dem Rest der - potentiellen - Allergiker: Es ist jene bunte Welt von Reizstoffen verschiedenster Art und Provenienz, die von den überall vorfindlichen Exkrementen der Hausstaubmilbe, über Tierhaare, Tulpenzwiebeln, anderen Kontaktstoffen bis hin zur Palette der metallischen Ionen und der chemischen Substanzen reichen, deren Hinschreiben sich nicht lohnt, weil es so viele davon gibt. Mit denen man prinzipiell und dauerhaft zu tun hat, vom ersten Schnaufer am Morgen über die diversen Mahlzeiten, die mit besagten Stöffchen angereichert sind, - von denen ganz zu schweigen, mit denen der "natürliche Lebensraum" in seinen Hauptformen - Arbeitsplatz und die sog. "industriellen Ballungszentren" - aufwartet. Die zivilisierte Welt ist durch den Ausstoß aller möglichen Stoffe so gründlich durchseucht, daß man schon im Normalfall und ganz ohne Hinzutreten verschärfter Bedingungen, die nötige Menge der Allergene verabreicht bekommt, und dies nicht nur zur Sommerzeit: Zufall ist dann nur noch, wer ein bißchen mehr oder weniger von den Stoffen erwischt und bei welchem bzw. welchen Stoff(en) die "andersartigen Reaktionen" manifest werden, bzw. welche Wandlungsformen die gesteigerte Empfindlichkeit nun durchmacht: Von den Pollen zur Hausstaubmilbe und/oder Chemie, und man hat nicht nur im Frühjahr ausgesorgt.

Das heißt nicht, daß jeder mit Notwendigkeit sich diese oder jene Allergie einfangen müssen wird - die Guten halten ja bekanntlich viel aus, aber trotzdem Vorsicht: Eine schlechte Tagesform, Grippe zur Unzeit - und schon werden einem typische "Unverträglichkeiten" von ... zur Dauergewohnheit! Es hat also seine Notwendigkeit, wenn die Fälle zunehmen, in denen die Immunitätslage des Organismus von der gewohnheitsmäßigen Dauerverrichtung der Antigen-Antikörper-Reaktion zur pathologischen Reaktion übergeht, welche Allergie heißt.

b) Hat man selbige, empfiehlt sich in den meisten Fällen - von den Ausnahmen war oben schon die Rede -, das fragliche Allergen zu meiden. Auf Erdbeeren kann man verzichten, auf Katzen ja ohnehin, und wer das Kobalt im Lidschatten nicht verträgt, kann auf Chrom setzen und es mit Gelb probieren.

Anders sieht die Sache naturgemäß dort aus, wo die Devise: "Noxen meiden!" sich hoffnungslos daran blamiert, daß man entweder nicht weiß, welche man zu meiden hat, oder die bekannten nicht meiden kann--oder wo beides zugleich der Fall ist, wie bei der vorhin erwähnten Bäckerallergie. Dies ist die eine Seite, nach der hin der medizinische Standpunkt des Helfens & Heilens durch die Ingriffnahme des "Symptoms" schnell albern wird: Mit Pasten & Pastillen mag ja so manches gehen, wenn man solides Wissen darüber hat, eine indizierte radikale Schonung in Gestalt eines gemütlichen Arbeitsplatzes aber ebensowenig wie ein - gleichfalls angesagter- gründlicher Ortswechsel, wenn einem saisonal die Pollen zu schaffen machen oder andere marktwirtschaftliche Schwebstoffe und Ingredenzien von Geschäftsartikeln, mit denen man das ganze Jahr über zu tun hat.

Nicht mehr albern, weil unerträglich ideologisch wird die Angelegenheit nach einer anderen Seite hin. Es mag gut sein, daß Mediziner in sehr vielen Fällen nicht wissen, wie sie einem Allergiker "helfen" sollen - bei der Neurodermitis empfehlen einige Soja-Diät, andere warnen vor der Soja-Allergie, die dann auf dem Fuß folgen kann; hinter der von einigen favorisierten "Hypo-Sensibilisierung" durch gezielte Verabreichung des betreffenden Allergens lauert der "allergische Schock", und wieviel Allergien durch die Medikamente ausgelöst werden die sie permanent verschreiben, weiß sowieso keiner genau, usw. usw. - wobei sie dabei "helfen" wollen, wissen sie selbst dort ganz genau, wo sie Gegenteiliges behaupten.

In Beweisnot versetzen Mediziner sich mit Vorliebe dann, wenn es darum geht, die Ursachen der Erkrankung und ihre sprunghafte Verbreitung zu erklären. So gibt die medizinische Fachkompetenz damit an, schon ganz viele und immer neue Erregerstoffe der Allergie namentlich benennen, Verbreitungswege und Varianten der körperlichen Reaktion angeben zu können, und nimmt gerade dieses Wissen zum Argument, daß man sich vor "vorschnellen Urteilen hüten müsse. Ganz sicher ist sich die Medizin nur über die Schädlichkeit des Zigarettenrauchens, weshalb sie die Frage nach Grund und Herkommen der Allergien nur mit tiefer Skepsis beantworten will:

"Nicht einig waren sich die Diskussionsteilnehmer, ob Allergien durch die Verschmutzung der Umwelt, durch ein Ubermaß an immer neuen chemischen Stoffen zunehmen. Während Betke die Ansicht vertrat, daß sich die Zahl der Allergiker nicht verändert habe, sondern nur die Struktur der Bevölkerung glaubt Ring, daß Allergien häufiger werden. Doch fehle statistisches Material, gebe es keine Untersuchungen, ob etwa auf dem Land weniger Allergiker lebten als in den Städten und Industriegebieten. Bewiesen sei bisher wenig. So wisse man, daß der Zigarettenrauch auch bei den Mitrauchern die Neigung zu Allergien fordere. Düngemann verwies außerdem auf Veränderungen bei allergischen Reaktionen: Bekannt sei beispielsweise die Ilmensee-Krankheit in den USA, wo in einem kleinen Gebiet Tausende von Menschen an Asthma erkrankten. Eine solche Reaktion in der Natur habe man in den Anfangszeiten der Klimaanlagen in Häusern beobachten können, als Schimmelpilze oder Staubteilchen über die Klimaanlage verbreitet wurden. Nicht die Rolle, die man ihr zumißt, spielt nach Ansicht von Bethke und Behbehani die Luftverschmutzung beim Pseudo-Krupp." (SZ, Dokumentation)

Jetzt ist "Verschmutzung der Umwelt" ohnehin eine euphemistische und irreführende Redeweise für den rücksichtslosen Gebrauch der Gesundheit durch die anerkannten und geforderten Interessen einer lohnenden Geschäftemacherei in Produktion und Konsumtion -und selbst zu diesem höchst billigen Gemeinplatz wollen sich Mediziner nicht durchringen: Das Mißverständnis, von ihnen wären hier - zwar falsche, aber doch: - vor- . wurfsvolle Töne zu vernehmen, wo sie sich doch ganz ernst einer neuen Volkskrankheit" widmen, wollen sie erst gar nicht aufkommen lassen, weswegen sie gleich noch eine faustdicke Lüge zum Pseudo-Krupp dranhängen, damit jeder versteht, wie's gemeint ist. Statt dessen faseln sie Von veränderten Strukturen in der Bevölkerung, von "psychischen Faktoren", die eine überhandnehmende Rolle spielen sollen, um dann im nächsten Atemzug wieder zu erzählen, daß eine Haselnuß-Aller-gie selten alleine bleibt, daß auch bloß Farbstoffe in Arznei- und Lebensmitteln ihre pathogene Wirkung zeitigen können, usw. Das bezeugt ein weiteres Mal, wie ausgesprochen gut sich die Ignoranz der Mediziner gegenüber den Gründen ihres bleibenden Heilungsauftrags mit einer parteilichen Einverständniserklärung mit ihnen verträgt und wobei sie einem helfen, wenn sie ihn heilen.