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Alfred Schröder

Von Gespenstern und gescheiterten Theorien

Zur Debatte um Antisemitismus und Imperialismus heute

Im Forum der Onlinezeitung Kalaschnikow hat sich in den letzten Wochen eine Debatte zu Heiner Karuscheits Artikel "Kein Sturm im Wasserglas" entwickelt. Die Zuschriften werfen ein bezeichnendes Licht auf die politische Befindlichkeit und das theoretische Rüstzeug der deutschen Linken. Um beides ist es traurig bestellt. Mit Gespenstern von gestern soll die Kritik der israelischen Siedlungspolitik verboten werden, und mit Theorien, die ein ganzes Jahrhundert in Theorie und Praxis ihre Fehlerhaftigkeit dokumentiert haben, soll die politische Realität von heute erfasst werden.

Beginnen wir mit dem Gespenst von gestern, dem Bannfluch des "Antisemitismus". Ein zweiter Teil zur Imperialismustheorie folgt demnächst.

Der "Antisemitismus"

"Obgleich der Antisemitismus in großen Teilen der Bevölkerung Zustimmung findet und überall rechtsextreme Kräfte im Aufwind sind, wird die Gefahr des Antisemitismus schlicht bestritten" schreibt Uwe in seiner Kritik an Karuscheits Artikel. Diese Kritik teilt Max Brym in seinem Beitrag für das Diskussionsforum und in einem zusätzlichen Artikel für die Onlinezeitung mit den Worten: "Der Antisemitismus ist in Deutschland entgegen anders lautender Aussagen nach wie vor ein Massenphänomen." Diese "anders lautenden Aussagen" stammen von Heiner Karuscheit, der in oben genanntem Artikel schrieb:

"Der Antisemitismus hat in der gesellschaftlichen Realität des heutigen Deutschland keine Wurzeln mehr, weder politisch noch sozial. Mit der Niederlage des Nationalsozialismus ist er politisch diskreditiert, und mit dem massiven Rückgang der ihn tragenden, kleinbürgerlichen Schichten in der Nachkriegszeit ist auch seine soziale Quelle versiegt. Was übrig bleibt, sind ideologische Relikte, die in der bürgerlichen Gesellschaft von heute keinen Nährboden mehr finden."

Für Karuscheit hat sich der Antisemitismus in Deutschland von einer politischen Bewegung mit sozialen Wurzeln im Kleinbürgertum zu einer ideologischen Strömung in der BRD - ohne politische und soziale Grundlagen und damit auch ohne Masseneinfluss - gewandelt. Für seine Kritiker ist er dagegen weiterhin ein "Massenphänomen", welches sich seit den 90er Jahren "aus der Mitte der Gesellschaft (wiederbelebt)", so Max Brym. Konsequenterweise fordert Brym dann auch die Verteidigung der bürgerlichen Demokratie in Deutschland gegen den "fundamentalen Angriff" des Antisemitismus.

Hier haben wir es auf den ersten Blick mit zwei fundamental unterschiedlichen Wahrnehmungen der heutigen Realität zu tun, so unterschiedlich, dass man glauben könnte, die Beteiligten lebten in unterschiedlichen Staaten. Schaut man allerdings etwas genauer hin, so gibt es durchaus Erklärungen für diese völlig unterschiedliche Betrachtung der deutschen Wirklichkeit.

Ausgangspunkt dieser Differenzen ist die unterschiedliche inhaltliche Füllung des Begriffs Antisemitismus. "Der Begriff 'Antisemitismus' wurde 1879 von Wilhelm Marr geprägt. In diesem Jahr erschien seine Hetzschrift 'Der Sieg des Judentums über das Germanentum'. Wörtlich übersetzt bedeutet der Begriff 'Semitenfeindschaft', diese Feindschaft richtet sich aber ausschließlich gegen Juden." [1] Diese Interpretation entspricht auch der des Duden, der Antisemitismus als "Abneigung oder Feindschaft gegenüber Juden" definiert.

Bedeutende Teile der heutigen Linken, allen voran ihr "antideutscher Flügel", aber auch Karuscheits Kritiker, haben eine andere Definition des Antisemitismus-Begriffes. Diese Definition ist deutlich weiter gefasst als die bisher allgemein gültige und, wie ihre Verfechter unterstellen, ist sie auch aktueller: "Der aktuelle Antisemitismus beruft sich in weiten Teilen auf das Schriftgut der 'Völkischen Bewegung' und des Nationalsozialismus. Dabei sind antisemitische Ressentiments nicht nur aus rechten Kreisen zu vernehmen. Der linke Antisemitismus benutzt dafür gerne die Vokabel 'Antizionismus'. Unterzieht man die Vorhaltungen einer näheren Untersuchung, so wird offenbar, dass sich die Kritik gegen alle Juden richtet und vor allem gegen das Existenzrecht der Juden in Israel." [2]

Es gibt also einen "rechten" Antisemitismus, der sich auf das Schriftgut der "Völkischen Bewegung" stützt und damit der klassischen Definition des Antisemitismus als "Feindschaft gegenüber Juden" entspricht. Damit aber nicht genug, gibt es auch einen "linken" Antisemitismus. Dieser zeichnet sich dadurch aus, "vor allem gegen das Existenzrecht der Juden in Israel" aufzutreten. Der linke Antisemitismus "benutzt dafür gerne die Vokabel Antizionismus".

Durch diese vorgenommene Erweiterung des Begriffs Antisemitismus werden alle Kritiker der israelischen Siedlungspolitik in Palästina zu Antisemiten. Dem politischen Kritiker des Staates Israel und der Siedlungspolitik dieses Staates wird damit die weltanschauliche Position eines rückständigen Kleinbürgers aus dem ausgehenden 19. und dem beginnenden 20. Jahrhunderts unterstellt, und wohlgemerkt auch ohne dass der Kritiker sie jemals geäußert hätte. Es reicht völlig, dass er die auf dem Zionismus beruhende israelische Siedlungspolitik kritisiert, um als Geistesverwandter des Nationalsozialismus erkannt und geoutet zu werden.

Diese Sprachregelung ist ein außenpolitisches Instrument des Staates Israel, der damit jegliche Kritik an seiner Existenz wie auch seiner Politik zurückweist. Sie wurde in der Möllemann-Debatte umstandslos von Herrn Spiegel, dem Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland übernommen und wird von bestimmten Teilen der Linken ebenso ungefragt akzeptiert. Der Sinn dieser Sprachregelung besteht in der Denunziation und moralischen Abqualifizierung jeglicher grundsätzlichen Kritik an dem Staat Israel und seiner Siedlungspolitik. Die Kritik an Israel darf nicht die Existenz des Staates und seiner Siedlungspolitik berühren, dann überschreitet sie die Grenze zum Antisemitismus. Das ist die neue Definition eines alten Begriffes und es ist der aktuelle Sprachgebrauch des Begriffs Antisemitismus in der politischen Debatte der letzten Jahre.

Inzwischen hat es eine weitere Ausweitung des Antisemitismus-Begriffes gegeben. Der Übergang der US-Administration zur Kriegspolitik und zur Destabilisierung ihrer arabischen Bündnispartner hat die Politik der USA gegenüber Israel verändert. Suchten die früheren US-Administrationen einen Ausgleich zwischen ihren arabischen Verbündeten und Amerikas wichtigster Stütze im Nahen Osten, Israel, so unterstützt die Bush-Regierung zur inneren Destabilisierung ihrer verbündeten Regimes in der arabischen Welt nur noch die israelische Politik [siehe hierzu meine Thesen zu Afghanistan]. Im Kampf gegen den "Terror" stehen Bush und Scharon nicht nur Schulter an Schulter gegen die arabische Welt und die europäischen Kritiker der amerikanischen und israelischen Kriegspolitik. Nun wird auch jeglicher Versuch der Legitimierung des palästinensischen Widerstandes gegen die zionistische Besatzung mit dem Begriff des "Antisemitismus" gebrandmarkt.

Bleibt es bei diesem Tempo der politischen Begriffserweiterung, ist es für jeden leicht erkennbar, dass der "Antisemitismus" ein "Massenphänom" nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa wird. Allein, diese Begriffserweiterung im Schatten der amerikanischen und israelischen Kriegspolitik ist nichts anderes als der auf Dauer hilflose Versuch, die Kritiker dieser Kriegs- und Besatzungspolitik moralisch zu diskreditieren und politisch mundtot zu machen.

Der "Antisemitismus" ist ein "ideologisches Relikt", das in der "gesellschaftlichen Realität des heutigen Deutschland keine Wurzeln" mehr hat, ein Gespenst von gestern, das heute von jenen politischen Kräften beschworen wird, die eine öffentliche Kritik an der amerikanischen und israelischen Kriegspolitik in der BRD unterbinden wollen. Und dies sind nicht wenige in Deutschland. Angeführt von der Springer-Presse, von Welt und Bild, bis hin zu bahamas und konkret, reicht die Front dieser Gespensterbeschwörer, mit durchgängig unlauteren, weil kriegstreiberischen Absichten [3]. Max Brym fühlt sich nicht wohl in dieser Gesellschaft; das machen seine Artikel deutlich. Allein, er bedient sich ihrer Argumentation und wird sich der politischen Logik nicht entziehen können. Sie führt schnurstracks an die Seite der staatstragenden Kräfte und der "transatlantischen Allianz".

Der Antizionismus

Max Brym dürfte der Kunstgriff mit der erweiterten Nutzung des Antisemitismus-Begriffes "im Magen" gelegen haben. Dies erklärt, warum er wenige Tage nach seinem ersten Artikel einen zweiten nachlegte. Der bezeichnende Titel: "Wider die kenntnislose antizionistische Agitation". Die Überschrift beruhigt. Die Kritik des Zionismus bleibt erlaubt, sie muss nur kenntnisreich sein. Dem ist nicht zu widersprechen.

Der Artikel hält leider nicht das Versprechen der Überschrift. In seinem "Resümee" kommt Brym zu dem Ergebnis: "Die Diskussion über den Zionismus hat in Seminaren stattzufinden und wissenschaftlich auch die Probleme der Bewegung in ihrem historischen Rahmen zu analysieren. Keinesfalls darf eine hirn- und kenntnislose antizionistische Agitation auf der Straße hingenommen werden. Denn häufig ist dies aufgrund des Kenntnisstandes der selbsterklärten deutschen 'Antizionisten' nichts anderes als Antisemitismus."

Die Diskussion "auf der Straße" darf "keinesfalls (...) hingenommen werden". Sie sei "aufgrund des Kenntnisstandes der selbsterklärten deutschen 'Antizionisten' nichts anderes als Antisemitismus". So hat Max Brym in seinem Artikel einige Erläuterungen zur Geschichte des Zionismus dem Leser zur Kenntnis gebracht, um zum Schluss seiner Ausführungen zu seinem eigentlichen Anliegen zu kommen: der Unterbindung der öffentlichen Kritik an dem staatgewordenen Zionismus, an Israel und seiner Siedlungspolitik. Wer sich nicht daran hält, ist - wir haben es geahnt - ein Antisemit.

Max Brym versucht in seinem Aufsatz, dem Leser die Differenziertheit der ideologischen und politischen Strömungen des Zionismus näher zu bringen. Dass er in seiner Darstellung die linken, die sozialistischen, die liberalen - und wie ich sie nennen würde - philantropisch-mystischen Strömungen stärker in den Vordergrund rückt als die politische Rechte um V. Jabotinsky - dieser Strömung widmet er ganze drei Zeilen -, mag seinem Anliegen und seinen Vorlieben geschuldet sein. Unseriös werden diese "kenntnisreichen" Ausführungen in dem Moment, wo Brym dem "kenntnislosen" Antizionisten vorenthält, dass eben die Strömung um Jabotinsky bereits 1935 die Mehrheit im internationalen Zionismus verkörperte. [4] Was war an dieser politischen Strömung [5] im Zionismus so wichtig, und was machte sie innerhalb kürzester Zeit mehrheitsfähig?

Um dies zu verstehen, müssen wir zurück zu den Anfängen der zionistischen Bewegung. Herzl, einer der Begründer der zionistischen Bewegung, bezeichnete Palästina als "ein Land ohne Volk", was sich deshalb für die zionistische Besiedlung eigenen würde, da ja die Juden "ein Volk ohne Land" seien. Dass dies falsch war, ist auch Brym klar. Nur weigert er sich wie alle jene Strömungen des Zionismus, die er in seinem Aufsatz mit einer gewissen Sympathie vorstellt, daraus die politischen Konsequenzen zu ziehen. Die Gruppierung um Jabotinsky machte diesen Schritt und gewann damit ihre Massenbasis in der zionistischen Bewegung. Hören wir Jabotinsky selbst:

"Dass die palästinensischen Araber ihre Zustimmung zur Verwirklichung des Zionismus äußern sollen, davon - solange wir dort in der Minderheit sind - kann nicht einmal die Rede sein. Ich spreche diese Überzeugung in so greller Form aus, nicht weil es mir angenehm ist, braven Menschen eine Enttäuschung zu bereiten, sondern einfach deshalb, weil sie das nicht enttäuschen wird: alle diese braven Menschen, mit Ausnahme Blindgeborener, haben längst begriffen, dass es absolut unmöglich ist, eine gütliche Zustimmung zur Umbildung Palästinas aus einem arabischen Land in ein Land mit jüdischer Mehrheit von den palästinensischen Arabern zu erlangen. Jeder Leser hat einen gewissen Begriff von der Geschichte der Kolonisation in anderen Ländern. Ich stelle den Antrag, dass er sich an alle bekannten Beispiele erinnere, er soll nach Durchsicht ihrer Liste versuchen, einen Fall ausfindig zu machen, wo eine Kolonisation mit Zustimmung der Eingeborenen vor sich ginge. (...) Es gab keinen solchen Fall." [6]

Was Jabotinsky hier anführt, sind die Ergebnisse der europäischen Kolonisationspolitik. Überall dort, wo Europäer Siedlungskolonien in Amerika oder Afrika gründeten, führte dies zur Vertreibung oder Ausrottung der einheimischen Bevölkerung. Dies war relativ unabhängig von den guten oder schlechten Absichten der Kolonisatoren oder der jeweiligen Urbewohner. Der Ursprung der Konflikte liegt in der Tatsache, dass Grund und Boden, ebenso wie die gerade in Palästina so wichtigen Wasserrechte, "natürliche Monopole" darstellen, also nicht beliebig vermehrbar sind. Wer siedeln will, braucht das Land und das Wasser. Friedlich ist dies nur in den Anfangsphasen eines Kolonisationsprozesses zu erlangen, solange die ansässige Bevölkerung auf Grund eines Überflusses an Land und Wasser die Okkupation oder den Verkauf hinnimmt. Mit dem Anwachsen der Besiedlung, mit der damit notwendigen Verknappung der natürlichen Ressourcen, hatte das friedliche Nebeneinander zwischen Kolonisatoren und europäischen Siedlern überall ein Ende.

Die Besiedlung Palästinas durch europäische und amerikanische Juden war nichts anderes als der Versuch, eine Siedlungskolonie auf arabischem Boden im 20. Jahrhundert zu entwickeln, zu einem Zeitpunkt also, wo - durch Weltkrieg und Oktoberrevolution bedingt - überall in Arabien und Asien die nationalen Bewegungen gegen die europäische Vorherrschaft entstanden. Jabotinsky begriff dieses Problem. Er wollte Herzls Fehleinschätzung vom "Land ohne Volk" korrigieren, indem er die arabische Bevölkerung Palästinas zu einem "Volk ohne Land" machte und ihr den Rest der arabischen Welt als Heimstaat empfahl.

Dass dies die spätere Realität im zionistischen Siedlerstaat Israel wurde [7], liegt in der Logik der Dinge. All jene realitätsfernen sozialistischen, philanthropischen und liberalen Strömungen des Zionismus, die einer friedvollen Zusammenarbeit mit der arabischen Bevölkerung das Wort redeten, hatten dauerhaft nie die Möglichkeit, massenwirksam zu werden. Dies lag weder an der Verschlagenheit der arabischen Bevölkerung oder ihrer Führer, wie es in einigen beschönigenden prozionistischen Werken zu lesen ist, noch an der Bösartigkeit der jüdischen Siedler. Es lag in der Logik der Siedlungskolonie, die nur dann erfolgreich sein kann, wenn sie die einheimische Bevölkerung unterwirft, vertreibt oder tötet. Eine andere Entwicklung hat die Geschichte bisher nicht hervorgebracht, und Israel ist keine Ausnahme.

So endet auch Max Bryms "Kurzer Lehrgang" über die Geschichte des Zionismus weit über ein Jahrzehnt vor der Entstehung des Staates Israel. Der staatgewordene Zionismus, Israel und seine Siedlungspolitik, kurz jener Zionismus, der "auf der Straße" das Thema ist, wird von ihm wohlweislich nicht behandelt. Die heutige Gestalt des Zionismus, die israelische Politik, ist aber Anlass und Grundlage der Kritik am Zionismus. Welcher vernunftbegabte Mensch kritisiert die heutige katholische Kirche anhand der ersten frühchristlichen Gemeinden oder die Spielweise des FC Bayern anhand seiner Jugendmannschaften?

Theodor Herzl formulierte in seinem Werk "Der Judenstaat", einer Schrift in der Max Brym "nicht eine einzige rassistische Passage finde(t)", folgendes Angebot an die europäischen Großmächte, speziell an Großbritannien: "Für Europa würden wir dort (gemeint sind die Juden in Palästina, A. S.) ein Stück des Walles gegen Asien bilden; wir würden den Vorpostendienst der Kultur gegen die Barbarei besorgen." [8] Den dort angebotenen "Vorpostendienst" hat Israel in der Tat übernommen, nur die Großmächte haben gewechselt. Heute leistet Israel den "Vorpostendienst" - nicht für die "Kultur gegen die Barbarei" - sondern für die amerikanische Vorherrschaft in der arabischen Welt. Dort wo sich die Ideen und politischen Programme Jabotinsky und Herzls treffen, dort liegt auch der politische Kern des Zionismus, dort findet sich auch das Wesen des Staates Israel: Europäische Siedlungskolonie und ausländischer "Vorposten" in der arabischen Welt zu sein.

Bryms Geschichte des Zionismus ist in der Tat nur für Universitätsseminare geeignet, weil sie vollständig unpolitisch ist, den Zionismus allein in seiner Periode als ideologische Strömung und bei der Formierung in politische Parteien behandelt. Dort wo er geschichtswirksam wird und die Formierung des israelischen Staates beginnt, dort schweigt er, vermutlich aus Kenntnis. Dieser unpolitischen Geschichte des Zionismus gewinnt er aber eine politische Schlussfolgerung ab. Wer "auf der Straße", also öffentlich, die Siedlungs- und Vertreibungspolitik Israels kritisiert, ist "Antisemit". Damit aber sind wir zu unserem Ausgangspunkt zurückgekehrt. Die "kenntnisreiche" Einführung in die Geschichte des Zionismus diente keineswegs der theoretischen oder politischen Belehrung der "Hirn- und Kenntnislosen" (wie Brym die "Hirnlosen" belehrt, verrät er uns sicher in einer späteren Arbeit), sondern, wie bereits im ersten Artikel, der moralischen und politischen Denunziation der Kritiker der israelischen Siedlungspolitik als "Antisemiten".

Wäre es nicht an der Zeit, das Gespenst des Antisemitismus zu begraben und sich der Realität der amerikanischen, der israelischen und auch der deutschen Politik zuzuwenden? Diese heutige Politik und die sie betreibenden Kräfte sind finster genug.

Anmerkungen

  1. Siehe zu diesen Definitionen im Internet die Seiten des IDGR (Informationsdienst gegen Rechtsextremismus) unter dem Stichwort "Antisemitismus" oder unter Antisemitismus-Info .
  2. ebenda
  3. Hier wird gemeinsam der Irakkrieg propagandistisch vorbereitet, als Schutz und Verteidigung Israels.
  4. Gudrun Krämer, Geschichte Palästinas, München 2002, S. 283.
  5. 1922 war durch ein Völkerbundmandat der Jordan als Besiedlungsgrenze der "jüdischen Heimstätte" definiert worden. Jabotinskys Gruppierung forderte die "Revision der Jordangrenze" sowie die Errichtung eines jüdischen Staates und nicht nur einer "jüdischen Heimstätte".
  6. Vladimir Jabotinsky, Die palästinensischen Araber, in: Zionismus. Herausgeber. Julius Schoeps, München 1973, S. 278/279.
  7. Dass Jabotinsky hierbei andere Staatsgrenzen anstrebte, als sie das heutige Israel besitzt, und dass sich der Parteiname seiner Gruppierung von der "Revision" der Jordangrenze herleitet, tut hier nichts zur Sache.
  8. Theodor Herzl, Bd. 1, S. 45.