Die Soziale Arbeit ist hochqualifizierte gesellschaftliche Arbeitskraft


- doch in was für einer Gesellschaft -?

"Unsere" heutige Gesellschaft wird immer barbarischer, die Beziehungen unter den Menschen immer irrationaler, die Helfer immer hilfloser und die Verfassungsschützer immer fassungsloser!


"Trotz aller Sprachkosmetik (von der Wohlfahrtspflege zur Sozialarbeit/ - pädagogik) teilt Sozialarbeit bis heute zumindest ansatzweise das Image und das Schicksal armer oder abweichender Leute, ausgegrenzt und randständig zu sein" lernen wir in der ASFH im Fachbereich Sozialarbeit/Sozialpädagogik. Wollen wir also mal versuchen, ungeschminkt miteinander zu reden, da viele Menschen eh der Kosmetik bedürfen, um ihr eigenes Elend unter der Keep-Smiling-Charakter-Maske zu verstecken: Die Sozialarbeit ist im Umbruch und Krise. Die Krise der Sozialarbeit ist in Wirklichkeit eine Krise der gesamten Gesellschaft. "Bis heute fehlt S. eine einheitliche wissenschaftliche Disziplin als Wissensgrundlage (...)" steht jedoch in dem Reader zu Grundproblemen und Methoden der Sozialarbeit/Sozialpädagogik, den wir im 1. Semester erhalten haben (aus dem übrigens auch das obige Zitat stammt). Da stellt sich für mich die Frage, wie wir uns denn eine Grundlage erarbeiten sollen, wenn die wissenschaftliche Grundlage dafür fehlt... und wer unserer "Theoretiker" sie vermitteln kann, wenn sie gar nicht vorhanden ist? D.h.: zuerst einmal müssen also Lehrkräfte und StudentInnen der Sozialarbeit eine Grund-Lage für die Sozialarbeit schaffen!!! Versuchen wir es also, auch wenn es schwierig er-scheint: Sozialarbeit setzt sich aus zwei Begriffen zusammen:
  1. dem des "Sozialen", also der Gesellschaft
  2. dem der Arbeit
Das bedeutet also, daß wir uns zuallerst einmal Gedanken darüber machen müssen, was Gesellschaft heißt und was Arbeit bedeutet. Heißt "Sozialarbeit" demnach nicht, "gesellschaftlicher Arbeiter" zu sein?

In der Tat stehen Gesellschaft und Arbeit in direktem Zusammenhang, da sich der Mensch vom Tier dadurch unterscheidet, daß er sein Leben (bewußt produziert und damit sich und die Umwelt verändert, womit er erst überhaupt "Gesellschaft" schafft.


In der Genesis der Menschheit - vom Affenmenschen bis heute - entfaltete sich eine immer umfangreichere Arbeitsteilung, aus der heraus sich auch die Klassen (zuerst die Entfremdung im Geschlechtsakt zwischen Mann und Frau, die daraus resultierende Rollenteilung in Väter und Mütter [wobei die Frau in der ursprünglichen Gemeinschaft das Zentrum der Matrilokalität war], dann die Aufspaltung in geistige und körperliche Arbeit, Widerspruch zwischen Stadt und Land, zwischen besitzenden und nichtbesitzenden Klassen sowie imperialistischen Metropolen und "Randvölkern") entwickelten.
Dies, je mehr der Mensch die Natur bearbeitete, Rohstoffe sich nutzbar machte und gesellschaftlich anwandte. Damit verbunden entstanden immer umfangreichere und differenziertere Bedürfnisse, die aus den Produkten, die das menschliche Arbeitsvermögen der Natur entwandt entsprangen. Heute haben wir in den entwickelten Ländern die umfangreichste Spezialisierung der Weltgeschichte, die selbst das "Helfen" als Dienstleistung umfaßt Helfen wurde im Verlauf der bürgerlichen Gesellschaft immer mehr zur Dienstleistung und in die Ware-Geld-Beziehung integriert. Die Untersuchung über den Begriff des "Sozialen" erfordert deshalb eine Untersuchung über den Begriff der Gesellschaft. Darin enthalten wiederum: gesellschaftliche Produktion, Reproduktion und Austausch dieser Arbeitsvermögen und der durch dieses Vermögen hergestellten Produkte, die Warenform angenommen haben und in Geld bezahlt werden, wobei die Ware Arbeitskraft eine besondere Ware ist. Liegt nun die Entfremdung, die heute so viele bejammern in der ungeheuren Arbeitsteilung und Spezialisierung oder in der Warenbeziehung, die die Menschen funktionalisiert und verdinglicht, ja gleich-gültig (egal, ob Mann oder Frau - wir existieren nur noch als quasi-tote Ziffern) macht, was ein Wesensmerkmal der abstrakt vernutzten Arbeitskraft ist? Warum existiert heute eine erschreckende Armut, wo die Menschheit so reich an Erkenntnissen und produktiven und "helfenden" Kräften ist? Was sind Produktiv- und was sind Destruktivkräfte?

Der Psycholanalytiker W. Schmidbauer entdeckte im "Helfer ein verwahrlostes, hungriges Baby hinter einer prächtigen, starken Fassade". (Schmidbauer, W., Die hilflosen Helfer. über die seelische Problematik der helfenden Berufe, Reinbek: Rowohl 1977, S.15) Dies muss er sowohl bei sich selbst, als auch bei seinen Kolleg/innen festgestellt haben, da er ja bei sich selbst auch das "Helfersyndrom" entdeckte, was er durch sein Schriften versucht, loszuwerden. In der Tat sind Schmidbauers Bücher ein Hilfeschrei: "Helft mir, dieses Helfersyndrom loszuwerden!" Er richtet diesen Hilfeschrei in erster Linie an seine Zunft, da sie - ähnlich wie er leiden-: die helfenden Berufe, darunter zuvorderst die Psychoanalytiker. Dahinter steckt in der Tat: "Warum soll ich ständig anderen helfen müssen, wo ich doch selbst der Hilfe bedarf?" Aber da genau schließt sich der Teufelskreis: Wenn ein paar deprimierte Sozialarbeiter und Psychoanalytiker zusammen sind, machen sie "Supervision" oder bauen eine Therapiegruppe auf, um ihre Depressionen loszuwerden. Und da kommen wir auf ein ursächliches Phänomen, auf dem auch Niklas Luhmanns " Systemtheorie1)" aufbaut: das ständige Kreisen "um sich selbst": Ärzte verkehren in ihrer Freizeit (und natürlich auch in den mannigfachen Fortbildungsveranstaltungen) nur mit Ärzten (und auch das unterliegt einer nochmaligen Differenzierung: Internisten mit Internisten, Herzspezialisten mit Herzspezialisten, Dermatologen mit Dermatologen usw.), beruflich behandeln sie ihre Patienten als Objekte; Politiker verkehren nur mit Politikern und machen ihre Wahlbürger beruflich zu Objekten, Psychologen treffen nur auf Psychologen...; Sozialarbeiter suchen Sozialarbeiter auf, Verfassungsschützer Verfassungsschützer...., Professoren Professoren, die wiederum ihre StudentInnen zu Unmündeln er-klären usw.

Das gleiche Phänomen läßt sich empirisch unter dem Stichwort "Lebenswelten" auch bei allen anderen Wissenschaftszweigen, wie Naturwissenschaften; Geisteswissenschaften, der Kunst) und Berufen sowie Klassen und Schichten konstatieren. Ferner existiert natürlich auch nach wie vor die Geschlechtertrennung, die naturwüchsig aus dieser Gesellschaftform entspringt (d.h.: da in erster Linie immer noch die Frauen für die Kinderaufzucht zuständig sind, treffen sie "natürlich" zumeist wieder auf andere Frauen [auf Spielplätzen, in Kindergärten] und verhalten sich wie Mütter zueinander). Und selbst die sogenannt "Ausgegrenzten" bilden wiederum Subsysteme: wie die Obdachlosen. Eine Notgemeinschaft reiht sich klassen- und schichtspezifisch scheinbar an die andere!

Zusätzlich bürdet uns das Gesamtsystem noch spezifische Rollen auf, die wiederum mit dem jeweiligen gesellschaftlichen Stand auf's Engste verknüpft sind: wir sind MieterInnen oder EigenheimbesitzerInnen, Straßenverkehrsbenutzer, BVG-Benutzer, Mutter, Vater, (Eltern) Kind, KonsumentInnen verschiedener Waren, AbfallproduzentInnen und Abfallrecykler usw. In mentaler Hinsicht - und eben auch, weil die bürgerliche Gesellschaft so abstrakt und entleert ist, hält jede(r) an den starren und haßerfüllt-ängstlichen Rollen fest und will sich in diesen bestätigt sehen - und das geht halt nunmal nur, wenn man auf "seinesgleichen" trifft, statt auf "andere" Welten, die diese abstrakte Identität in Frage stellen könnten. Dadurch entsteht im Kern die Heimatsehnsüchtelei, die Angst vor dem Fremden, die Unterdrückung jeder Kritik: kurz und gut der autoritäre, ängstliche und duckende Charakter, der zu inneren Deformierungen und Charakterpanzerungen führt, lebenslustige Triebenergie hemmt und in Haß, Selbstzerstörung und Zerstörungswut gegen "das Andere", das Anders(un)artige und Fremde lenkt.

Wo sind wir bei all diesen abstrakten Rollen und ängstlichen Identitäten (die in Hausordnung, Straßenverkehrsordnung, BGB, Sozialversicherungsgesetzt und allerlei Umgangsformen etc.pp. festgelegt sind) überhaupt noch Mensch? Dies umso mehr, als daß wiederum die verschiedenen Berufsdisziplinen und Rollen in Widerspruch und Konkurrenz zueinander stehen? All diese Widersprüche soll der bürgerliche Staat versöhnen, wobei er ein immer bürokratischeres Monstrum wird, je mehr Entfremdung und Widersprüche auftreten. Er wird zum köpfefressenden Moloch. Deshalb bedarf es dringendst heute des menschlichen Austausches2) einer wirklichen Kommunikation verbunden mit der gegenseitigen Anerkennung als Mensch, um die Barbarei und Entfremdung, Not und gegen-seitige Ausbeutung positiv aufzuheben. Dazu wieder Schmidbauer: "Was wir über positive Veränderungen wissen, läuft darauf hinaus, daß sich der Klient (sein zum Objekt degradierter Mitmensch, d. Verf.) um so eher verändert, je mehr er sich gemocht fühlt und seinerseits den Therapeuten mag. Doch kann diese persönliche Beziehung nicht zustande kommen, wenn der Patient die Warenbeziehung verweigert, wenn er zum Beispiel seine Rechnungen nicht bezahlt oder seinen Krankenschein nicht abliefert, Termine nicht einhält oder zum Ende seiner Stunde nicht gehen will. Mit dieser Situation umzugehen, erfordert für beide Beteiligte Lernprozesse und setzt Vermeidungsstrategien in Gang. So kenne ich Kollegen, die einem Patienten die bereitliegende Rechnung nicht in die Hand geben, sondern sie ihm per Brief ins Haus schicken. Ich selbst habe schon oft "vergessen", einem Patienten die Rechnung zu geben, wenn es ihm nach einer Stunde schlecht ging. Es hat mich Mühe gekostet, meine anfänglichen Schwierigkeiten zu überwinden, für eine so persönliche Beziehung Geld anzunehmen und Rechnungen auszuteilen."

Was heißt denn bei Schmidbauer: "... wenn der Patient die Warenbeziehung verweigert"? Ist er nicht selbst Teil der Warenbeziehung in der Erwartungshaltung, daß Geld oder Krankenschein abgegeben werden müssen, weil sie zu den Sachzwängen des Kapitalismus gehören? Hier sehen wir, wie Schmidbauer selbst gegen diese Warenbeziehung rebelliert und er selbst sich nach einer wirklichen und unverfälschten "persönlichen" oder menschlichen Beziehung sehnt. Das ist ja auch kein Wunder in der heutigen, von Beziehungsarmut durchdrungenen funktionalen Gesellschaft. Und deshalb "vergißt" er manchmal dem Patienten, eine Rechnung zu schicken. Umgekehrt aber macht es auch der Patient, der manchmal das Geld oder den Krankenschein "vergißt", weil auch er als Patient gegen die Warenbeziehung (das verdinglichte Verhältnis) rebelliert! Doch genau dies problematisiert Schmidbauer nicht weiter, obwohl es wichtig wäre, gerade daran anzusetzen. Warum tut er das nicht? Ganz einfach: weil er damit die gesamte Gesellschaft in frage stellen müßte!
Leider ist es tatsächlich so, daß jede(r) einigermaßen "gut Gestellte" mit Zähnen und Klauen (also mehr tierisch denn menschlich) seine "Privilegien" verteidigt, obwohl er sie längst als Mangel und rohe, entfremdete Bedürftigkeit empfindet und sich nach einem besseren und liebevollerem Verhältnis oder Beziehung unter den Menschen sehnt!
Diese Sehnsucht aber muß endlich Realität werden!!!

Dies aber würde bedeuten, daß in der und mit der Sozialen Arbeit, der gesellschaftlichen Arbeit, die Ware-Geld-Beziehung aufgehoben werden müße und sich die Gesellschaft als Grundlage den naturalen Humanismus gibt: "Ein vollendeter Naturalismus = Humanismus, "er ist die wahrhafte Auflösung des Widerstreites zwischen dem Menschen mit der Natur und mit dem Menschen, die wahre Auflösung des Streits zwischen Existenz und Wesen, zwischen Vergegenständlichung und Selbstbetätigung, zwischen Freiheit und Notwendigkeit, zwischen Individuum und Gattung. Er ist das aufgelöste Rätsel der Geschichte und weiß sich als diese Lösung." (K. Marx) Die Produktion verläuft auf Grundlage folgender Kriterien: Wir produzieren als Menschen, indem wir uns in unserer Produktion doppelt bejahen, denn ich habe mich in meinem Produkt vergegenständlicht, daran erfreut - und einen Genuß in Deiner Freude, der Du meine individuelle Lebensäußerung genießt. Oder anders ausgedrückt: Ich liebe Dich und weil ich Dich liebe, will ich Dir nur das Qualitätsvollste produzieren, was es gibt. Und während ich für Dich produziere, produziere ich auch für mich, denn: meine Produktion ist Freude und Lustgewinn, da ich mich freue Dich zu beschenken und es für mich ein Genuß ist, wenn Du mein fertiges Produkt genießt! Ich weiß mich als Mensch bestätigt und an-er-kannt, weil ich Dich als Menschen bestätige und an-ER3)-sie - es- kenne, d.h. als konkretes Gattungswesen be-greife. Wir produzieren nicht mehr an-ein-ander vorbei, sondern füreinander. Dies sowohl im Denken, wie in unserer Liebe, wie auch in unserem wechselseitigen Genuß. Produkt und Prozess, Ziel und Bewegung gehören zusammen. Die einzelne Besonderheit, d.h. die Individualität des Menschen macht das allgemeine Wesen der gesellschaftlichen Beziehungen aus. Oh, was freue ich mich auf Dich, Dich Menschen! Dir werde ich die Welt zu Füßen legen und das Wertvollste, was die Menschheit hervorgebracht hat schenken und Dich beglücken. Ja, auch Beethovens 9. Symphonie 4), die Ode an die Freude und Freundschaft für alle Menschen der Welt gehört dazu und vieles andere mehr.....

und natürlich: kein Baby wird mehr hungern müssen!!!!

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