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Kolumne September:

Gewalt gewaltfrei

"Ich bitte Sie noch einmal eindringlich um Gewaltfreiheit", so die friedlichen Bürger der Zivilgesellschaften verdiSPDPDSusw. in Moers, anläßlich einer Gegenkundgebung zu einem Naziaufmarsch im Juli dieses Jahres. Man solle sich nicht auf das gleiche Niveau der Neonazis herablassen, also nicht zu einem solchen werden. Und so ging die Sache, wie so oft zuvor, ihren geordneten Lauf. Ein bißchen phantasievoll, nicht direkt in Reih und Glied, aber in jedem Fall gewaltfrei, wurde gepfiffen, gehupt und natürlich ganz multikulti, Bongo getrommelt. Längst hat sich die Antifabewegung eingereiht, will zwar noch nicht mit den Nazis diskutieren aber gegen sie demonstrieren, anstatt in die einzig vernünftige Diskussion einzusteigen: Eine schnelle und harte Kombination von Faustschlägen. Nein, man will die Bürger überzeugen mitzumachen, "Bürger laßt das Glotzen sein, reiht euch in die Demo ein", eine Gemeinschaft der Wohlfühldeutschen. Zwar mit Abschiebeknast, aber ohne Naziprovokation. Buisness as usual. Im Gegensatz dazu schrieb Maurice Merleau-Ponty: "Sich den Gewaltätigen gegenüber der Gewalt zu enthalten heißt sich zu ihrem Komplizen zu machen." Herbert Marcuse sah dies in der "Repressiven Toleranz" ähnlich: "Wenn sie Gewalt anwenden, beginnen sie keine neue Kette von Gewalttaten, sondern zerbrechen die etablierte. Da man sie schlagen wird, kennen sie das Risiko, und wenn sie gewillt sind, es auf sich zu nehmen, hat kein Dritter, und am allerwenigsten der Erzieher und Intellektuelle das Recht, ihnen Enthaltung zu predigen." Jean-Paul Satre schrieb 1961: "Seht doch endlich folgendes ein: wenn die Gewalt heute abend begonnen hätte, wenn es auf der Erde niemals Ausbeutung noch Unterdrückung gegeben hätte, dann könnte die demonstrative Gewaltlosigkeit vielleicht den Streit besänftigen. Aber wenn das ganze System bis zu euren gewaltlosen Gedanken von einer tausendjährigen Unterdrückung bedingt ist, dann dient eure Passivität nur dazu, euch auf die Seite der Unterdrücker zu treiben." Es ist eine bloße Unterstellung, dass es so etwas wie "gewaltfreie Politik" geben könne. Politik hat als Adressat und als Ziel, dass sollte jedem kritischen Kommunisten bewußt sein, den Staat. Den Souverän, der aus einem einzigen Grund als Vermittler auftreten kann: er ist allein im Besitz der Gewalt. Er kann als einziger seinen Entscheidungen Nachdruck verschaffen. Er ist für Warentausch und Vertragsabschluss der Garant, ohne den das Kapital nicht existieren könnte. Nun stellt sich die Sache in Deutschland anders dar. Mit der Suggestion, dass es eine Entscheidung in der Wahl der politischen Mittel gäbe, nämlich die zwischen Gewaltfreiheit und Gewalttätigkeit, wird die Volksgemeinschaft manifestiert. Als ob nicht die Politik per se sich der Gewalt bedienen müsse, um ihren Entscheidungen den nötigen Nachdruck zu verschaffen, wird die bürgerliche, also antagonistische Gesellschaft, in eine organische Gemeinschaft transformiert. In dieser stellt sich das Zusammenleben der Mitglieder als ein natürlicher Prozess dar. Die Gewerkschaftskonzerne, Volksparteien und Sozialpartnerschaften sind eben Ausdrücke der gewaltfreien Gesellschaft, also der Volksgemeinschaft. Zu freiwilligem Gehorsam bereit, sind die Subjekte, natürlicher Teil des organischen Ganzen. Jede Störung gilt als Krankheit.

Die Gewaltfreiheit ist das Einverständnis mit den gewalttätigen Zuständen, die eben auch Aufmärsche der Neonazis hervorbringen. Die PDS & Co, haben sich längst mit diesen arrangiert, schließlich sind sie Anwärter, die es besser, anders, aber auf jeden Fall machen wollen. Sie haben nur ein Ziel, Deutschland mit zu regieren. Nichts graut ihnen mehr, noch nicht einmal ein Naziaufmarsch, als die praktische Absage an die Staatsgewalt. Eine Absage, die im geschilderten Fall, die Nichtbeachtung der Polizei und die gewalttätige Auflösung der Nazidemo bedeutet hätte. Das darf nicht das Ziel sein. Das würde die Volksgemeinschaft durcheinander bringen. Dann schon lieber Nazidemos mit Polizeischutz. Gewalt kann man ja auch anderswo kritisieren. Der lüsterne Blick eines Mannes: Sexistische Gewalt! Der Tabakgenuss eines Cafébesuchers: Körperverletzung! Der Biss in den Burger: Mord!

Horst van Houweninge (Antifa Duisburg)