home | aktuell | archiv | newsflyer | kontakt
[95][<<][>>]

Die unheimliche globale Allianz


und der notwendige Bruch mit alten Gewissheiten und Gewohnheiten. Für ein neues antifaschistisches Grundverständnis auf der Höhe der Zeit.


    „Was wir uns vorgesetzt hatten, war tatsächlich nicht weniger als die Erkenntnis, warum die Menschheit, anstatt in einen wahrhaft menschlichen Zustand einzutreten, in eine neue Art von Barbarei versinkt.“
    (Horkheimer/ Adorno: Dialektik der Aufklärung)

    „Eines ist doch sicher: Eins zu eins ist jetzt vorbei“
    (Tocotronic)

Nochmals: der 11. September

Mit dem 11. September ist tatsächlich ein neues Kapitel der Barbarisierung der Welt aufgeschlagen worden. Flugzeuge, mit Menschen besetzte Bomben, rasen in Hochhäuser, aber nicht in irgendwelche, sondern in die „Zentren des Mammons“. Besonders in deutschen Landen/Gehirnen und befreundeten Regionen haben diese Taten wohl eher Wohlgefallen, denn Abscheu erzeugt. Doch das soll hier nicht weiter interessieren, ist dazu doch einiges gesagt worden.
Insbesondere die unermüdlichen Nörgler und Gemeinschaftszersetzer linker Wohlfühlbiotope: die Antideutschen, allen voran Bahamas und Co., haben die Auschwitzkeule ausgepackt und seitdem spinnt es in der Linken, denn man könne sich nun nicht mehr den wirklich wichtigen Themen, die sich aus den jeweiligen Teilbereichspolitiken und -bewegungen ergeben – sei es nun Anti-Ra, Anti-Atom und eben auch Anti-Faschismus – zuwenden, sondern müsse mal wieder einen Abwehrkampf für das linke Wohlfühlen und die „mal-drüber-reden-Atmosphäre“ führen: denn die Antideutschen haben mal wieder die Linke als den Hauptfeind entdeckt und ergötzen sich in Faschismusvorwürfen ohne Ende. Ja sogar den „globalen Faschismus“ hat man ausgemacht, ein „neuer (!) Hauptwiderspruch“ werde postuliert (vgl. phase 2.05).
Nun ist die Verwirrung tatsächlich perfekt: war da nicht was mit Deutschland und Auschwitz als singulärem Ereignis? Gab es nicht die Kritik an der Antifa eben aus diesen Reihen? Muß man jetzt auf einmal Kapitalismus verteidigen? Man gibt den Bewegungslinken ja ungern recht, aber ihre Verwirrung hat durchaus Berechtigung, denn tatsächlich ist nichts mehr wie es war oder besser: wie es schien zu sein!
Eine kommunistisch orientierte Linke hat sich tatsächlich den veränderten Bedingungen seit dem 11. September anzupassen und kritisch einige Entwicklungen zu konstatieren, die zur Zeit noch unter dem Label des „globalen Faschismus“ firmieren. Zur Zeit meint hier, daß es mit dem ursprünglichen Begriff des Faschismus wohl nicht getan ist und das es demzufolge einen neuen Begriff bzw. eine Begriffserweiterung/-konkretisierung und demzufolge ein neues Verständnis von Antifaschismus zu geben hätte.
Es soll jetzt hier kein großer Exkurs zu Faschismustheorien oder -definitionen folgen. Ausgehend von einem Verständnis des Nazifaschismus als Exempel, welches von der Kritischen Theorie geprägt ist und diesen (deutschen) Faschismus eben nicht als Unterdrückungsmoment einer herrschenden Elite über die klassenantagonistischen Gegensätze begreift oder als besonders abscheuliche diktatorische Form von Antidemokraten, sondern als volksgemeinschaftliche Veranstaltung mit pseudoantikapitalistischer Rhetorik, die sich letztlich über den Antisemitismus konstituiert und austobt, muß angesichts der neueren Entwicklungen gefragt werden, welche Parallelen es gibt und vor allem was daraus an Erkenntnis zu gewinnen ist. Das heißt, gibt es tatsächlich Hinweise, daß es für Auschwitz eine akute Wiederholungsgefahr gibt? Von wem geht die aus? Und was ist zu tun?
Haben wir es mit einer Veränderung der Welt zu tun, die dem Exempel allen faschistoiden Krames, dem NS als antiaufklärerischen Versuch der negativen Aufhebung des Kapitals auf dessen eigener Grundlage mit dem Antisemitismus als Geschäftsgrundlage ähnelt? Wenn ja, wie zeigt sich das und welche Modifizierungen sind zu beobachten?

Globaler Faschismus?

Insbesondere das antideutsche Spektrum um die Zeitschrift Bahamas und das Arbeitstreffen für eine Kampagne für Israel haben in der Vergangenheit in Reaktion auf ein Zusammenkommen von sonst eher gegenteiligen Interessengruppen und Bewegungen darauf verwiesen, daß man es insbesondere seit dem magischen Datum des 11. September, der als Startschuß für einen wohl schon längst in den Startlöchern hockenden globalen Aufbruch gegen das „jüdische Prinzip“ zu verstehen ist, mit einem „globalen Faschismus“ zu tun hätte.
Um Mißverständnissen vorzubeugen: nicht diese Diagnose soll hier zur Disposition stehen, sondern deren begriffliche Fassung – was ist heute eigentlich Faschismus? – und damit auch die Kennzeichnung dessen, was man gemeinhin als Widerstand gegen diese Entwicklung bezeichnen würde und mit dem altehrwürdigen Begriff des Antifaschismus wohl bestens umschrieben werden kann.
Das Berliner Bündnis gegen IG Farben fordert diesbezüglich einen antifaschistischen Neuanfang, dessen Ausrichtung konsequent antideutsch und kommunistisch sein müsse. Nun, ich denke, die Brötchen sollten/müssen im Falle der Ausrichtung eines Antifaschismus kleiner gebacken werden, wenngleich ein antifaschistischer Neuanfang tatsächlich zur Debatte stünde; und zwar einer, der der Situation gerecht wird und der vor allem von den Widersprüchen, die die Antifa ständig ausmacht, die Finger läßt und der fähig ist, die gesellschaftliche Situation einzuschätzen, um gegensteuern zu können.

Die antisemitische Internationale als Faschismus 2002 im globalen Maßstab

Da meiner Meinung nach der ursprüngliche Begriff des Faschismus hier eher verharmlost, als daß er Klarheit schafft, plädiere ich für den Begriff der „Antisemitischen Internationale“, als erweiterten Begriff von Faschismus auf der Höhe der Zeit, der bereits von Jochen Bruhn (ISF Freiburg) in Anschlag gebracht wurde und der den zu kritisierenden Gegenstand meines Erachtens nach wesentlich besser trifft. Wesentlich treffender einfach aus dem Grund, weil man hier bezüglich des Islam mit einem antiquierten Faschismusbegriff, der bestenfalls die italienische oder spanische Variante des Faschismus umschreibt, aber keinesfalls die Dimension und den exemplarischen Gehalt des deutschen Faschismus als Krisenlösungsoption mit Volksgemeinschaftscharakter erfasst, die nur über den eliminatorischen Antisemitismus funktionieren konnte und für den Islam „Vorbild“ ist, einfach untertreibt. Auf der anderen Seite übertreibt man mit einem inflationären Faschismusvorwurf im traditionellen Verständnis, da eben mit dem althergebrachten Begriffsinstrumentarium nicht ganz durchsichtig erscheint, warum bspw. eine EU etc. jetzt mit dem Label des Faschismus bedacht werden sollte. Weiterhin: stimmt die Diagnose von den Thomassen Uwer und von der Osten-Sacken, wonach eine irakische Opposition nur auf einen Befreiungsschlag wartet, so wäre die deutsche Form von Faschismus schon aus diesem Grunde nicht treffend, gab es doch in Deutschland keinen ernstzunehmenden Widerstand und im Irak gibt es demnach keine Volksgemeinschaft.
Ist Faschismus nun als begriffliche Darstellung der Zustände in Diktaturen gemeint; ist Faschismus die Kennzeichnung deutscher Ideologie; kann der Faschismus eine demokratische Variante annehmen? Schließen sich diese jeweiligen Verständnisse aus? Oder: haben wir es auf der Höhe der Zeit mit einer Fusion dieser verschiedenen „Systeme“ und Verständnisse von Faschismus zu tun, die sich auf einen Feind einigen können und ansonsten bestehende Divergenzen somit unter den Tisch fallen? Ist deutsche Ideologie in diesen Zeiten eine Exklusivität kahlgeschorener Prollfaschos; oder sind rastageschmückte Gutmenschenhirne von Leuten, die sich auf den Vokü-Veranstaltungen gegen den Mammon weltweit ein Stelldichein geben, dafür ebenso anfällig?
Sollte eine Feindbestimmung innerhalb der angedeuteten Allianz, die alle anderen Differenzen negiert, der Fall sein, und einiges spricht dafür, dann wäre der Begriff des Faschismus eben um diese Komponente zu erweitern und der Begriff neu zu fassen.
Der Faschismus, mit dem wir es jetzt zu tun haben, ist einer, der sich trotz aller Divergenzen auf das Feindbild des „jüdischen Prinzips“ verständigt und dies mit den jeweils opportunen Mitteln auch bekämpft: Jeder nach seinen Fähigkeiten und Jeder nach seinen Bedürfnissen.
Faschismus heute bedeutet dann nicht mehr ausschließlich diktatorische Regierungsform, marodierende Glatzenbanden in ostdeutschen browntowns o.ä. Faschismus heute ist der entschiedene Kampf aller, die sich auf die Prinzipien der Gegenaufklärung und somit nach Lage der Dinge zuvörderst auf die wie auch immer in Angriff genommene Zerstörung des Staates Israel, auf die Vernichtung der Jüdinnen und Juden in aller Welt, gegen das westliche/jüdische Prinzip: den kollektiven Juden, verständigen können.
Dabei ist zu vermerken und nicht zu vergessen: es handelt sich um eine Allianz von ganz links bis ganz rechts, von ganz oben bis ganz unten! Diese Allianz hat eine qualitative und quantitative Resonanz, von der man in Deutschland immer geträumt hat!
Die neue Antisemitische Internationale, die von islamistischen Klerikalfaschisten über die säkulare Diktatur des Irak reicht; die von der EU, die die Palästinensische Autonomiebehörde großzügig finanziert, bis zur UNO reicht, die nicht müde wird Resolutionen gegen Israel zu debattieren; die sich über NGOs mit antirassistischer Rhetorik erstreckt; die gemeinschaftstaumelnde Bewegungslinke und Globalisierungskritiker – „die Entrechteten weltweit“ – umfaßt, verbindet letztlich ein Element, welches nicht barbarischer sein könnte: die mehr oder minder offene Feindschaft gegen Israel, gegen den entfesselten Kapitalismus, gegen das „jüdische Prinzip“. Das verbindende Element dieser Bewegung, die sich da im Moment noch relativ unkoordiniert mit den je eigenen Mitteln austobt, ist der wie auch immer verschlüsselte Antisemitismus, sei er nun manifest vorgetragen und praktisch geworden, sei er latent über das Ticket des Antizionismus vorhanden oder wird er mit dem Schwadronieren über das Selbstbestimmungsrecht der Völker und andere linke Rhetorik kaschiert.
Dies macht die eigentliche Gefahr dieser Bewegung aus: vermeintlich unterschiedliche Interpretationslinien des Weltlaufes vereinigen sich letztlich in einer Denkform, die schon einmal als Krisenlösungsoption deutschen Zuschnitts recht erfolgreich war, im Antisemitismus.
Eine Denkform, die im Grunde der größte Feind gesellschaftlichen Fortschritts, der größte Feind des Gedankens an menschliche Emanzipation, ja schlicht die konsequenteste Form der Gegenaufklärung ist, vereinigt sich in ihr doch das gesamte Ressentiment gegen die Entgleisungen der bürgerlichen Gesellschaft, gegen gemeinschaftszersetzende Individualität, das Streben nach Luxus, mit einem Wort gegen das bürgerliche Glücksversprechen, das als Vorschein wahrhaft menschlicher Zustände über sich hinaus getrieben werden müßte, anstatt dahinter zurückzufallen.
Das Neue und Entscheidende dieser Allianz ist mit dem traditionellen Faschismusbegriff eben nicht zu fassen, sondern besteht letztlich in der Vereinigung verschiedenster faschistischer Facetten, die sich allerdings im Gegensatz zum traditionellen Faschismus und in Anlehnung an das deutsche Modell in einem einzigen Punkt treffen: dem Antisemitismus als Denkform, letztlich für Blut und Boden und gegen bürgerlichen Universalismus. Somit ist diese Veranstaltung strukturell deutsch und das macht ihre Gefährlichkeit aus. In modifizierter Form wird im globalen Maßstab deutsche Ideologie (re-)produziert. Das deutsche Modell ist somit wegweisend und strukturierend für die antisemitische Internationale, sei dies nun gewollt oder nicht.
Diese Denkform ist offenbar in der Lage, die unterschiedlichsten politischen Strömungen zu vereinen: den islamischen Faschismus, der nicht deutscher sein könnte; den säkularen Faschismus des Irak; den demokratischen, entnazifizierten Faschismus etablierter Politik und den letztlich strukturell fortschrittsfeindlichen und antiemanzipatorischen Gestus von „Gesellschaftskritik“ bewegungsorientierter Gutmenschen und Krisentheoretiker. Eine Einheitsfront gegen Israel, gegen Jüdinnen und Juden in aller Welt, gegen den Mammon, letztlich gegen den Gedanken der Aufklärung und für die Manifestierung des Elends unter Rückgriff auf vormoderne Vergesellschaftungsmodi kündigt sich an und es darf spekuliert werden, wer sich diesem Bann entziehen kann.

Startschuß 11. September

Matthias Küntzel schreibt in seinem faktenreichen und in gewisser Weise lesenswerten Buch „Djihad und Judenhass“: „Während der 11. September nicht nur Israel, sondern auch zahlreiche jüdische Gemeinden in Europa in eine unerwartete politische Isolation gedrängt hat, entpuppte er sich für die Antisemiten in Europa und der arabischen Welt hingegen als Fanal: Die brennenden Türme des World Trade Center waren das Feuerzeichen, das den Aufbruch zu einer globalen Renaissance des antisemitischen Wahnes (ankündigte)“ (ebd., S. 135).
Als hätte man nur auf das Signal gewartet kamen sie alle aus ihren Unterschlüpfen: In der arabischen Welt gab es einen nochmaligen Hype der Intifada und der Strategie der Selbstmordanschläge. Der Irak erhöhte die Zahlungen an Selbstmordattentäter. In Saudi-Arabien überschlugen sich die Medien mit Verschwörungstheorien altbekannter Machart. Der Iran wetterte gegen mögliche Verhandlungen mit Israel. In vielen arabischen Metropolen fanden regelrechte Massenaufmärsche zur Unterstützung der Intifada statt, wohlgemerkt mit der Bewunderung und dem Aufruf zum suizidalen Massenmord! Verschiedene islamische Gruppen riefen dazu auf, sich der Intifada anzuschließen: geschaffen oder revitalisiert war eine muslimische Massenbewegung, die ihrem deutschen Pendant in Tatendrang in nichts nachsteht (vgl. Küntzel, S. 135 ff.).
Die muslimische Massenbewegung zeichnet sich eben dadurch aus, daß sich sowohl säkular fundierte als auch religiös motivierte Antisemiten vereinigen, daß der Hass auf Israel und das jüdische Prinzip also verschiedene Interessen bündelt und diese Kooperation auch als strukturierendes Element der globalen Variante fungiert.
Dies ist aber nur der augenscheinlichste Part der Antisemitischen Internationale. In diese Front reihen sich die verschiedensten Fraktionen der Nazis ein, die somit die alte Allianz vom Mufti von Jerusalem und Hitler revitalisierten.
Allen voran die EU als Part der etablierten Politik schwingt sich das Establishment auf, großzügig die anti-jüdische Offensive zu finanzieren oder zumindest politisch zu unterstützen, was nicht zuletzt in den Erklärungen zum Tragen kommt, wonach erstens kein Zusammenhang zwischen dem 11. September und der arabischen Offensive bestünde und zweitens sogar Israel oder eben die USA die Anschläge inszenierten oder zumindest provozierten.
Die Parole der „weltweiten Intifada“ fand nicht zuletzt in der (Bewegungs-)Linken Gehör: „Während die Eskalation der Selbstmordattentate zu einer Zunahme der Solidarisierung mit den jüdischen Opfern und zur Entsolidarisierung mit den Organisatoren dieser Anschläge hätte führen müssen, vollzog sich in jener Linken (Globalisierungskritiker; Demo 9. März in Rom; M.M.) genau das Gegenteil: Je unterschiedsloser palästinensische Kommandos israelische Zivilisten töteten, desto frenetischer wurde diese Intifada mit ‘antiimperialistischem’ Beifall bedacht“ (ebd., S. 141).
Es findet sich hiermit eine Allianz zusammen, die an sich nicht sehr viel gemeinsam hat, ja wo man sogar meinen könnte, eine solche Verbindung wäre von vornherein unmöglich. Nun, sie ist es offenbar nicht:
„Es ist diese mit dem Antisemitismus kompatible Denkform, die die ‘geschundenen und abgeweideten Völker’ den ‘Globalisten’ gegenüberstellt und die das mit den Attributen der ‘Künstlichkeit’ und der ‘Fremdheit’ versehene Israel mit der Romantik eines als ‘authentisch’ empfundenen palästinensischen Kampfes um Heimat, Gemeinschaft und Boden kontrastiert“ (ebd., S. 142) und die zusammenbringt, was scheinbar noch nie so recht voneinander getrennt gewesen ist. Denn „während Nazis und Islamisten sich zumindest in der lautstarken Artikulation der ihres eliminatorischen Antisemitismus einig sind, ist es die extrem manichäische und somit zumindest implizite antisemitische Denkform, die das Gros der Antiglobalisierungsbewegung mit dem faschistisch orientierten Antizionismus vereint“ (ebd., S. 143).
Was diese Allianz so gefährlich macht und was eine Herausforderung für einen Antifaschismus auf der Höhe der Zeit bedeutet, ist eine weitere Schlußfolgerung, die Matthias Küntzel trifft: Da „Israel als die ‘eigentlich’ amerikanische und die USA als die ‘eigentlich’ jüdische Macht in das islamistische Schußfeld geraten sind, ist der offene Beifall der linken und rechten Globalisierungskritiker (wie auch der versteckte der Europäischen Union) nicht weit. Und so werden heute mit schlafwandlerischem Instinkt (Hrv. M.M.) wesentliche Muster der nationalsozialistischen Kapitalismuskritik als Empörung über den ‘Unilateralismus’ der USA und als Verdammung des Sharonschen ‘Vernichtungskrieges’ gegen die Palästinenser mit neuem Leben erfüllt. Gleichzeitig gewinnt die Anbiederung der europäischen Großmächte an den Antisemitismus der arabischen Welt eine neue Qualität. Im Ringen um eine neue Weltordnung wollen die europäischen Mächte, insbesondere aber Deutschland, die Zentren des Islamismus um jeden Preis auf ihre Seite ziehen“ (ebd., S. 148).
In dieses Szenario paßt dann natürlich auch der Irak als sich säkular gebender Vollstrecker einer Pan-Ideologie, die aber genau in mindestens diesem einen Punkt nicht von der Ideologie des Islam zu trennen ist: erbitterte Feindschaft gegen Israel, gegen Juden, gegen „den Westen“ unter Zuhilfenahme der gleichen Methoden oder in gesteigerter Form mit Giftgaswaffen.
Und auch was den Anti-Amerikanismus betrifft, dürfte der Irak beim europäischen Establishment wie bei den bewegungsorientierten Friedensfreunden in Deutschland und anderswo auf offene Ohren stoßen.

Antifaschismus heute

Diese offene Kampfansage an Vorstellungen gesellschaftlicher Emanzipation im weitesten Sinn, also an Konzepte und Überlegungen, die an die Aufklärung anknüpfen, die Differenz und Entfaltung zumindest verspricht, sollte Grund genug sein, gegen die „faschistisch durchgesetzte Homogenität“ (Küntzel) des Islam und seiner ideologischen Verbündeten Stellung zu beziehen, denn in diesem Falle gibt es „Schlimmeres als den Krieg. Es sind Schrecken möglich, von denen nur ein Militäreinsatz befreit. Diese Wahrheit versteht sich in allen vom Nationalsozialismus überfallenen Ländern von selbst. Nur in Deutschland wird das Selbstverständliche nicht anerkannt, weil es dem eingefleischten Opfermythos widerspricht: Wer die ‘Bombennächte’ zum größten Unheil stilisiert, kann die Notwendigkeit der alliierten Kriegsführung gegen die Deutschen nicht verstehen“ (ebd., S. 13).
Es stünde also heute ein Antifaschismus an, der sich der Dimension dessen, was man als Faschismus zu bezeichnen hätte bewußt wird: nicht die Bekämpfung irgendwelcher Nazibanden ist eine revolutionäre Tat, nicht die Recherche, welcher Nazi gerade wohin gezogen ist wäre wichtig, nicht das Einfordern von „wahrer Demokratie“ ist fortschrittlich.
Antifaschismus sollte sich mehr denn je bewußt sein, daß er nicht mehr aber auch nicht weniger als die Sicherung der bürgerlichen Demokratie vor der faschistischen Bedrohung ist. Eine Bedrohung, die heute im Gewand einer an sich unvorstellbaren Massenbewegung daherkommt, die alle graduellen Unterschiede negiert und das Programm der Gegenaufklärung in Form des Antisemitismus im Gepäck hat.
Antifaschismus steht heute vor der Herausforderung, die antisemitische Internationale Ernst zu nehmen und den Gedanken der Aufklärung vor dessen eigenhändiger Zerstörung zu bewahren, denn „die Aufklärung muß sich auf sich selbst besinnen, wenn die Menschen nicht vollends verraten werden wollen. Nicht um die Konservierung der Vergangenheit, sondern um die Einlösung der vergangenen Hoffnung ist es zu tun“ (Horkheimer/ Adorno: Dialektik der Aufklärung).
Es ist völlig richtig zu sagen, daß Antifaschismus die Aufhebung von Staat und Kapital als Minimalprogramm zu formulieren hätte, will er sich nicht selbst genügen. Aber zur Zeit scheint es wohl eher darum zu gehen, bürgerliche Verlaufsformen zu sichern, die den Gedanken, Staat und Kapital und damit die Konstitutionsbedingungen von Barbarei aufzuheben, zur Geltung verhelfen!
Antifaschismus ist insofern revolutionär und über das Bestehende hinausweisend, als daß er die Voraussetzungen über das Denken von gesellschaftlicher Emanzipation sichern hilft!
Das Offenhalten des Widerspruches von bürgerlichem Glücksversprechen und dessen Nichtrealisierbarkeit innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft, das Zurückweisen des islamistischen und letztlich deutschen Ideals vom einfachen und gerechten Leben, welches übersetzt nur Barbarei und regressive Gleichheit bedeutet und derzeit globales Bindeglied einer ganzen Bewegung von links bis rechts ist, enthält die Chance der revolutionären Aufhebung des Falschen. Dafür steht ein verteidigungsfähiger Staat Israel genauso, wie die Zerschlagung des Baath-Regimes in Bagdad. Und dafür steht antideutsche Wertkritik.
Wofür die deutsche Linke und insbesondere die „Antifa“ steht ist äußerst wohlwollend ausgedrückt unklar. Ihr Engagement in friedensbewegten Zirkeln, ihre Angst vor dem Verpassen eines neuen Bewegungshypes innerhalb der Globalisierungskritik, ihre Solidarität mit nach Ursprünglichkeit strebenden Völkern oder ihre notorisch antizionistische Haltung, für die exemplarisch das jungle world-Dossier der Ausgabe 47 steht, lassen Böses erahnen oder Geahntes, aber nicht für möglich gehaltenes, Wirklichkeit werden.
Das Aufkündigen dieses in diesen Zeiten notwendigen antifaschistischen Konsenses durch die Linke hieße, einen längst notwendigen Bruch mit Leuten zu vollziehen, die sich durch notorische Resistenz gegen die Kritik ihrer Politik und damit einhergehende Aufklärung auszeichnen. Das Ausschlagen dieses Gesprächsangebotes bedeutet, sich letztlich als linksgetrimmter Statthalter der Barbarei zu outen. Dies hätte einen unmißverständlichen Bruch zu Folge, der aber grundsätzlich anders auszusehen hätte, als ein folgenloses Diskursgeplapper, welches in der jungle world dazu führte, ein Dossier zu veröffentlichen, wo alles an antizionistischem Dreck bedient wurde, was unter Linken erlaubt ist.
Für eine antifaschistische Linke stellt sich daher die popkulturell aufgeworfene Frage, die ich hier ungern postuliere, da ich notorischer Ostfeind bin, aber dennoch für angebracht halte und da mal meine Ressentiments gegenüber dem miefigen ostdeutschen Brauchtum vergesse: Sag mir wo du stehst und welchen Weg du gehst!

Mario Möller

home | aktuell | archiv | newsflyer | kontakt |
[95][<<][>>][top]

last modified: 24.12.2002